Europas Verratene Soehne.Pdf

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BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 65042 © 1980 by Universitas Verlag, München Lizenzausgabe: Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Printed in Western Germany 1982 Einbandgestaltung: Egon Müller Gesamtherstellung: Ebner Ulm ISBN 3-404—65042-5 Eingescannt mit OCR-Software ABBYY Fine Reader Der Preis dieses Bandes versteht sich einschliesslich der gesetzlichen Mehrwertsteuer Der Autor dankt Frau Doris Miraglia für die freundliche Unterstützung bei der Erarbeitung der Taschenbuchausgabe. Inhalt Einleitung ............................................................................. 9 I Der politische Hintergrund .............................. 15 Faschismus und Nationalsozialismus............................ 17 Der Nationalsozialismus und das Konzept des «Neuen Europa» ........................................ 34 Der Gedanke des «fascismo universale» in Italien .................................................................................. 52 Vichy, Paris und die faschistischen Intellektuellen ................................................................... 69 Flamen und Wallonen .................................... 86 Eurofaschistische Tendenzen in Norwegen, den Niederlanden und der Schweiz ............................. 98 II Der faktische Internationalismus: Die Entwicklung der Waffen-SS ...... 115 Staatstruppenpolizei und germanische Freiwillige ........................................................ 117 1941: Der «antibolschewistische Kreuzzug» .... 127 Exkurs: Volksdeutsche in der Waffen-SS ..... 141 Die Wende von 1943: Slawische SS und europäische Revolutionäre . 146 Die politische Motivation . ....... ............................... 162 1945: Der zerbrochene Traum ...................................... 178 Ill Anhang ............................................................. 195 Nationalistische Interventionisten der 30er Jahre . 197 Parteien der europäischen Kollaboration .................... 198 Stärke der Waffen-SS ...................................................... 200 Nationalitäten der Waffen-SS........................................ 201 Ausländer-Einheiten der Waffen-SS und Wehrmacht .............................................................. 202 Kurzbiographien ............................................................. 206 Hitlers «Neues Europa» 1942/43 ................................. 216 Zeittafel ............................................................................ 218 Abkürzungsverzeichnis ................................................. 221 Anmerkungen ................................................................. 223 Bibliographie ................................................................... 240 Personenregister ............................................................. 253 Einleitung Aktive Politik zu betreiben ist eine sichere Methode, getötet zu werden. Der moderne Werther stirbt als Aktivist unter den Bomben inmitten der Trümmer. Nicht für eine entsa- gungsvolle Liebe, sondern für eine verlorene Sache und in der Uniform der Besiegten. Pol Vandromme Wir, die Krieger, haben nichts zu beweinen, ausser jener grossen Hoffnung eines faschistischen Europa, die zum grossen Teil von Hitler verraten wurde. Saint-Loup Eine umfassende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Faschismus existiert erst seit Anfang der 60er Jahre. Es war Ernst Nolte vorbehalten, mit seinem 1963 erschienenen Werk «Der Faschismus in seiner Epoche» die lange Zeit festgefahrene Faschismusdiskussion neu zu beleben. Renzo de Felice und A. James Gregor haben, nicht ohne kritische Anmerkungen zu den Thesen Noltes, wei- tere profunde Analysen zur faschistischen Ideologie veröf- fentlicht. Aber immer noch sind einige Aspekte des Faschis- mus nur oberflächlich oder überhaupt nicht untersucht. Dies betrifft insbesondere die supranationale und europäi- sche Dimension des Faschismus, die bis auf wenige Stu- dien1 terra incognita geblieben ist. Für die meisten Autoren, die sich, wenn auch nur sehr kursorisch, mit dem faschisti- schen Internationalismus auseinandersetzen, ist der Faschis- mus zwar ein internationales Problem, die faschistische Inter- nationale aufgrund des extremen Nationalismus der sie tra- genden Parteien aber «ein Widerspruch in sich».2 9 Demgegenüber hat Ernst Nolte zutreffend erkannt, dass sich der faschistische Internationalismus während des Krieges als eine Realität erwies, auch wenn er der kommunistischen In- ternationale stets unterlegen blieb.3 Dieser Internationalismus, in den 30er Jahren bei den meisten europäischen faschistischen Parteien bereits im Keim vorhanden, wurde reaktiviert, nachdem Hitlers Trup- pen 1940/1941 fast ganz Kontinentaleuropa besetzt und die Sowjetunion angegriffen hatten. Der Nationalismus der kollaborierenden Faschismen wandte sich nicht revanchi- stisch gegen den deutschen Okkupanten, sondern ver- suchte, eine Symbiose mit dem Nationalsozialismus einzu- gehen, einmal um die Souveränität der eigenen Nation zu sichern, zum anderen aber auch die Chance zu nutzen, die durch Hitlers Gewaltstreiche entstanden war: Die Chance zur Einigung Kontinentaleuropas. Dieses durch Waffenge- walt geeinte Europa hätte nach dem Willen seiner faschisti- schen Protagonisten anders ausgesehen, als das von Hitler bereits in seiner Geheimrede vom 23.11.1937 beschworene «Germanische Reich Deutscher Nation»,4 es hätte aber ebensowenig zu tun gehabt mit NATO, EWG, EFTA, EURATOM und den römischen Verträgen vom 25. März 1957. Es wäre ein Europa im Sinne Mussolinis gewesen, ein föderativer Block, geführt durch eine neue Schützengraben- Aristokratie, zuammengehalten durch ständige ideologi- sche Spannung, ein Europa des credere, obbedire, combat- tere, ein dynamisches, heroisches Grossraumgebilde, das mit souveräner Verachtung auf Parlamentarismus und Kapitalismus herabgesehen hätte. Der Begriff Eurofaschis- mus beinhaltet mithin nicht bloss eine Aussage über die geographische Position der Ideologie, sondern kennzeich- net gleichzeitig eine offensive politische Strategie, die auf die Ausbreitung des Faschismus in ganz Europa und den Zusammenschluss der gleichgesinnten Staaten in einem ein- heitlichen Block abzielte: Der Faschismus als Motor und Ferment einer europäischen Revolution. Wandelte sich ab 1940 der kleinstaatliche Nationalismus 10 der meisten Faschismen kontinuierlich in einen pluralen Grossraumnationalismus, so ging der Nationalfaschismus, speziell ab 1943, in den Eurofaschismus über. Markierte das Jahr 1940 die Erkenntnis, dass ein höheres Mass an europäi- scher Einheit möglich, notwendig und im Verbund mit der stärksten Kontinentalmacht Deutschland auch realisierbar war, so wurde 1943 deutlich, dass in Europa inzwischen die Gefahr einer russisch-amerikanischen Hegemonie grösser war als die Möglichkeit deutscher Vorherrschaft, wobei allein letztere hätte Europa einigen können. Ein verbindli- ches, ausgereiftes eurofaschistisches Konzept wurde vor und während des Krieges von keiner der faschistischen Parteien ausgearbeitet. Aber es gab den faktischen Europä- ismus und Internationalismus der Front, der getragen wurde von Zehntausenden europäischer Freiwilliger der Waf- fen-SS, denen Nolte bescheinigt, die «letzten echten Söhne des Kriegsgottes»5 gewesen zu sein. Dieser Internationalismus wurde zum Markenzeichen der multinationalen Waffen-SS-Verbände und überwand den ursprünglich deutschen, dann germanischen Chauvinis- mus, um schliesslich alle westlichen SS-Ausländerdivisionen zu erfassen. Die rein deutschen bzw. volksdeutschen Ein- heiten blieben von diesem Emanzipationsprozess ausge- schlossen. Auch insoweit fehlt es bisher an einer ausführli- chen Untersuchung des Aufgebots Nichtdeutscher in der Waffen-SS.6 Sicher nicht zuletzt eine Folge der Tatsache, dass das Thema europäische Waffen-SS noch immer zu einem Tabu und Reiz-Thema der Öffentlichkeit und auch der Geschichtsschreibung gehört, sieht man von Untersu- chungen nicht betroffener, nämlich britischer Historiker,7 ab. Zu sehr ist dieses Thema belastet mit Judenmord und Kriegsverbrechen, mit Rassenwahn und Nürnberger Pro- zessen, obwohl gerade nichtdeutsche nord-, west- oder südeuropäische Waffen-SS-Freiwillige, bis auf geringe Ein- zelfälle, nie an Kriegsverbrechen oder gar KZ-Greueln betei- ligt waren.8 Noch über 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches ist eine vorurteilsfreie und unbefangene 11 Auseinandersetzung mit der Waffen-SS kaum möglich. Die blosse Zugehörigkeit zu der Organisation zieht oft automa- tisch ein Verdammungsurteil nach sich. So musste etwa der Fraktionschef der niederländischen Regierungspartei Christdemokratische Aktion, Wilhelm Aantjes, im Novem- ber 1978 von seinem Posten zurücktreten, als bekannt wurde, dass er gegen Kriegsende in die Waffen-SS-Division «Landstorm Nederland» eingetreten war. Dem ging weder eine objektive Motivationsanalyse noch der Versuch einer ideologischen Positionsbestimmung der holländischen Waf- fen-SS voraus. Ähnlich wie Aantjes erging es im März 1979 Professor Pierre Maurer, dem Rektor der Universitätsklinik Cochin bei Paris, wegen seines Engagements in der franzö- sischen SS-Division «Charlemagne». In Dänemark zerbrach vor den Wahlen zum Folketing im Sommer 1979 das Wahl- bündnis der kleinen deutschen Schleswigschen Partei mit den dänischen Zentrumsdemokraten, weil die Partei der deutschen Minderheit gegen den Widerstand der Bürger- lichen auf der Nominierung eines Kandidaten beharrte, der in seiner Jugend der Waffen-SS angehört hatte. In der Bundesrepublik schliesslich haben im Frühjahr 1979 einige Ortsverbände der SPD dafür plädiert, einen

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