„Stoff Hab Ich Genug „ Das Leben Und Sterben Des Rainer Werner

„Stoff Hab Ich Genug „ Das Leben Und Sterben Des Rainer Werner

Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder Künstlerisches Wort/Literatur SWR2 : Feature am Sonntag Redaktion : Walter Filz Regie : Christiane Recht Sendung : 10.06. 2007 - 14.05 Uhr – 15.00 Uhr „Stoff hab ich genug „ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder – 25 Jahr danach Von Christiane Recht Interviewpartner: Irm Hermann Juliane Lorenz Harry Baer Günter Lamprecht Gerhard Zwerenz Produktionsnummer : 1002000 Produktion : 30.05. – 31.05.2007, Baden-Baden Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers. © by the author 1 Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder Musik Raben, Biberkopfthema Darüber (Fassbinder) 7) Alles, was man macht, ist eine Zusammenstellung von Erfahrungen, die man gemacht hat. Als Kind, in der Schule, im Elternhaus, ... Musik hoch Sprecher: „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder – 25 Jahre danach Musik hoch Sprecher: Feature von Christiane Recht (O-Ton/Teil Fassbinder 24 Geschichten) Mit: (Namen im O-Ton:) „Irm Hermann“ „Juliane Lorenz“ „Harry Baer“ „Günter Lamprecht“ „Gerhard Zwerenz“ Sprecher: Und Rainer Werner Fassbinder Musik hoch 2 Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder (Fassbinder) 24) Ich hab das Bedürfnis, die Geschichte zu erzählen, die ich erzähle. Ich erzähle diese Geschichten nicht, weil ich die Möglichkeit habe, mit diesen Leuten zusammen zu sein, ... das ist eines, ...aber ich habe auch das Bedürfnis, diese Geschichten zu erzählen. Musik hoch Darüber: (Irm Hermann) 2) Fassbinder hat an diesem Abend einen unveröffentlichten Roman vorgelesen, so eine Art Loreroman, der wirklich voller Kitsch war. Und er hat uns die ganze Nacht diesen Roman vorgelesen und dabei bestimmt zwei Packungen Zigaretten geraucht. (Irm Hermann) 6) Und dann rief mich eben eines Tages, ... sein Freund Christoph Roser an und sagte: „Ach, ich wollte Sie fragen, der Rainer macht einen Film und er würde sich sehr freuen, wenn Sie da eine Szene spielen könnten, aber es tut uns Leid, wir haben kein Geld und würden Sie sich dazu zur Verfügung stellen?“ Und hab ich gesagt: „Ja ich kann das ja gar nicht“ und so. Und es war dann so, dass die Kamera schon in der Wohnung von Susanne Schimkus, in der Karlbach, was ja um die Ecke war vom Café „Monopteros“, die Kamera schon irgendwie parat stand und Michael Fengler schon mit dem Licht. Und dann hat er – der Rainer - mir kurz die Szene erklärt, mir seinen Bademantel angezogen und, na ja.... Und das war quasi mein Einstieg in das Filmleben, also in das Schauspielerdasein. (Irm Hermann) 12) ... und da begegnete er eben Marite Greiselis, die auch in dieser Schauspielschule war.... Und die sagte: „Du, komm doch mal, es gibt da ein Actiontheater in so einem ehemaligen Kino in der Müllerstraße, komm doch mal vorbei“. Und da hatten die gerade ... Peer Raben hatte „Antigone“ inszeniert und wie’s halt so kommt, derjenige, der den Boten gespielt hat, der brach sich den Arm und konnte nicht auftreten und Rainer ist eingesprungen. (Irm Hermann) 14) 3 Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder Und Ursula Strätz, die Leiterin des Theaters, mit dem Horst Söhnlein waren die ja liiert, der ja dann ... in dieser Zeit dann zur RAF abdriftete und er war halt dabei, bei dieser ... beim dem Kaufhausbrand in Frankfurt. Und außerdem war er wahnsinnig eifersüchtig auf Fassbinder, weil die Ursel das natürlich auch noch irgendwie ausgereizt hat, dieses Thema, obwohl ja im Grunde nichts dahinter war. Aber der Harp, der hat irgendwann Rot gesehen und hat das ... die ganze Bestuhlung, also das ganze Actiontheater zerschlagen eines Nachts. (Harry Baer) 4) Also Actiontheater ging ins Antitheater über, nachdem die sich irgendwie zerkriegt hatten. Und ich bin ins Antitheater dazu gekommen 1968, oder irgendwie, oder ’69, weiß ich nicht mehr so genau. (Harry Baer) 2) ich konnte mal Schlagzeug spielen und kann’s immer noch. Und in meiner Schule war mein Klassenkamerad, der spielte schon beim Actiontheater ...denen fehlte plötzlich ein Schlagzeuger bei irgendeinem Stück, die „Bettleroper“, glaube ich, hieß das. ... Und dann bin ich da hin, hab da getrommelt und durfte auch zwei, drei Sätze sagen. Und da waren sie alle so begeistert und haben sich wahrscheinlich grün und dumm gelacht irgendwie. Und so fing’s an. (Irm Hermann) 15) Das Nächste war, dass Jean-Marie Straub vorbeigekommen ist, um sich mal diese Truppe anzugucken. Und ich mein, der Jean-Marie Straub war ein Linker. Wir hatten ja nun die linken Ideen und ... Der inszenierte dann „Krankheit der Jugend“ von Ferdinand Bruckner. Dann ... das dauerte irgendwie nur 20 Minuten. Und jetzt war es natürlich nicht abendfüllend und da hat Fassbinder dann „Katzelmacher“ geschrieben. Und das dauerte auch zwanzig Minuten. Und da machte man so eine Pause und ...dann führte man das nächste Stück auf. Und so kam dann ein Theaterabend zustande. (Harry Baer) 3) Und dann kamen noch ein paar Theaterstücke. Und dann fing er an, irgendwann mal Filme zu machen. Den ersten, den hab ich nicht mitgemacht, da war ich voll im Abitur. 4 Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder Aber in „Katzelmacher“ hab ich dann schon eine Rolle gekriegt. Und im dritten Film, den er gemacht hat, sogar gleich eine Hauptrolle. Also, ich wusste eh nicht, wie mir geschah. (Lamprecht) 1) Fassbinder hab ich kennen gelernt als ich beim Peter Zadek war in Bochum. Ich glaub, das muss ’74 gewesen sein etwa. Da hatte er den eingeladen, den Fassbinder mit seiner Truppe nach Bochum Theater zu machen (Lamprecht) 2) Also ich war überrascht, äh, also waren irgendwie ... für mich waren das Menschen aus einer anderen Welt, mit denen ich da zu tun hatte, die da Theater machten. ... (Lamprecht) 3) die haben fabuliert, also eben was ja auch ganz gut ist. Aber eben das war so, das war irgendwie so abgehoben, also irgendwie, ich empfand das also, also ganz dicht an der Klinik. Und, ja, und hab dann da ... bin aufgefordert worden von ihm in einer sehr zurückhaltenden Art, dort irgendwie mitzumachen. Und hab ... mir wirklich, äh, äh, eine Rolle ausgedacht ..., einen Nachdenklichen zu geben, der eigentlich über vieles nachdenkt und nur dasitzt. Und das habe ich dann durchgehalten eine Viertelstunde und bin dann gegangen. Hab mich bei ihm bedankt und war eigentlich froh, dass ich dem Zadek sagen konnte, damals dem Intendanten, dass ... Ich bin da raus, ich hab damit nichts zu tun und will auch nicht wieder. Das hat sich dann aber am nächsten Tag erledigt, weil Rainer Werner Fassbinder mir klar machte auf dem Weg zur Kantine überraschenderweise, dass ich nun mit ihm eine große Rolle in meinem geliebten Paris drehen sollte und zwar „Die Welt am Draht“, ein Zweiteiler, eine mittelgroße Rolle. Und, ja. Und so war ich plötzlich beim Fassbinder gelandet. Musik ???… (Fassbinder) 19) Es gab keine Vorbilder, in einer Gruppe zu arbeiten, also keine bewussten... Es gab damals nur diese weit verbreitete Sehnsucht nach verschiedenen Leuten.... nach der Gruppe, nach der neuen Form von Zusammenarbeit, von Zusammenleben und so ... Hm, wir haben das halt auf unsere Art und Weise versucht, zu realisieren, was andre Leute auf 5 Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder eine andere Art und Weise versucht haben zu realisieren. Wir haben ziemlich lange weiter so getan, als wären wir ne Gruppe, als wir schon begriffen haben, dass wir keine sind... Juliane Lorenz) 25) Die waren unheimlich auf ihn fixiert. Und diese Art von die Freiheit den anderen geben und wenn sie sich dann genommen haben, sie sich vielleicht genommen haben, dann war’s ihm ja auch nicht so recht. Als sich Hanna Schygulla dann von ihm, drei Jahre, trennte, und ich bin in diese Phase ja reingekommen, wo ich immer nur hörte „Hanna Schygulla, niemals, nie wieder, nie wieder.“ Und dann war’s aber doch der Star seiner Filme. (Irm Hermann) 27 und dann entstand eben die Idee, ... Irm Hermann) 26 ..... zu diesem „Liebe ist kälter als der Tod“,.... Irm Hermann) 27 jedenfalls war Hanna Schygulla dann von dem Moment an sein Star....Also es fing schon mit der Werbung an, wir standen ganz klein drunter und es war immer Staring: Hanna Schygulla. Und das war natürlich ein unheimlicher ... Eifersucht und Neid in der Gruppe, weil, noch war man ja eine Gruppe und hat zusammen gelebt und zusammen gearbeitet. Und das war für uns damals irgendwie hart, also festzustellen, dass ... also die Gruppe sich im Grunde auflöste und es gibt plötzlich Unterschiede. (Harry Baer) 6) ... im Laufe dessen, dass er mehr und mehr Filme gemacht hat, hat er sich so in eine Position reingearbeitet, die – ... so unangreifbar wurde. So ... Also die Dampfmaschine, die vorneweg arbeitet, die ist sowieso irgendwann mal nicht mehr zu bremsen und für Kritik auch kaum mehr zu haben. (Irm Hermann) 43) ...der wollte die Lokomotive sein. Und der wollte auch Filme machen. Und es geht nur ... du kannst nur Filme machen, wenn du eine Disziplin hast und das geht nicht ohne Disziplin. Und, weil, das kostet ja Geld. Und natürlich wollte er das. Der hatte da dran Spaß. Das war nicht eine Last oder so. 6 Christiane Recht : „Stoff hab ich genug“ Das Leben und Sterben des Rainer Werner Fassbinder (Zwerenz) 9) Er war der Kopf der Gruppe! Man muss überhaupt sagen, er war nicht nur der Kopf der Gruppe, er war überhaupt ein Kopf, einer der ganz seltenen Köpfe ...Wann hat es denn in dieser Zeit unter diesen nachgewachsenen Jahrgängen, praktisch am Ende des Krieges geborenen in den Nachkrieg hinein, wann hat es denn solche Gestalten gegeben, da ragte Fassbinder heraus, weil er erstens einmal für sich das Leitungsprinzip vertreten hat, außerdem war er ungeheuer energisch aufarbeitend, sich aneignend, und dann war er eine poetische Figur, eine poetische Gestalt, seine Filme und sein ganzes Leben, und auch das, wie er den Alltag gestaltet hat, war eigentlich ein Fortsetzungsroman in Kurzgeschichten, wenn man das sagen kann: ..

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