Der Letzte Bolero Mit Dem Buena Vista Social Club Geht Kubas Berühmteste Band in Den Ruhestand

Der Letzte Bolero Mit Dem Buena Vista Social Club Geht Kubas Berühmteste Band in Den Ruhestand

2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Der letzte Bolero Mit dem Buena Vista Social Club geht Kubas berühmteste Band in den Ruhestand Autor: Luigi Lauer Sprecher: Wolfgang König Redaktion: Bettina Stender Sendung: Freitag, 19.06.2015 um 19.20 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de ___________________________________________________________________ MANUSKRIPT Viele der Musiker des Buena Vista Social Club haben in den 1940-er und 50-er Jahren noch die goldene Zeit für kubanische Musik erlebt, als ihre Musik in aller Welt gefeiert wurde. Doch nach der Revolution 1959 baute Fidel Castro die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen radikal um, und damit endete auch der Boom kubanischer Musik. Erst 1996 wurden die früheren Stars von dem kubanischen Bandleader Marcos Gonzalez und dem englischen Labelchef Nick Gold wieder zusammengebracht. 1997 erschien dann die Platte, die alles für alle ändern sollte: Buena Vista Social Club, produziert von dem amerikanischen Musiker Ry Cooder. Fast zwei Jahrzehnte dauerte das späte Glück der Rentner-Band. Inzwischen sind die meisten der Musiker verstorben, vor kurzem wurde ein letztes Album aus Archivmaterial zusammengestellt und jetzt steht eine Abschiedstournee an. Aber wie Buena Vista entstand und wer dafür maßgeblich verantwortlich war, ist immer noch wenig bekannt. Hören sie heute in SWR2 Tandem: Der letzte Bolero – Mit dem Buena Vista Social Club geht Kubas berühmteste Band in den Ruhestand. Von und mit Luigi Lauer. 1. Musik, Buena Vista Social Club, Track 1, Chan Chan, 1:20 Als im Jahr 1997 fast zeitgleich die ersten drei CDs aus dem Umfeld des Buena Vista Social Club erschienen, konnte niemand ahnen, dass damit eine Lawine ausgelöst werden würde. Binnen kurzem tanzte man auf der ganzen Welt zu den Klängen der Alte-Herren-Mannschaft aus Kuba. Filmemacher begannen sich zu interessieren und ungezählte Nachahmer wollten von dem Boom profitieren. Dabei ist die Geschichte des BVSC auch eine Geschichte voller Katastrophen, Zufälle, Unfälle. Nichts von dem, was damals das Licht der Öffentlichkeit erblickte, war so geplant – weder die Auswahl der Musiker noch die der Stücke, auch nicht die Dauer der Aufnahmen oder der Umstand, dass aus einer Platte drei wurden. Und doch hat diese Rentner-Band die Herzen eines Millionenpublikums erobert und das Leben aller Beteiligten gründlich umgekrempelt. Chan Chan ist das erste Lied auf dem Album BVSC und wohl auch das bekannteste. Doch nicht einmal dieses Lied war ursprünglich vorgesehen. 2. Musik, Buena Vista Social Club, Track 1, Chan Chan, 1:00 Geschrieben wurde Chan Chan von dem Gitarristen und Sänger Compay Segundo im zarten Alter von 80 Jahren. Dass es auf dem Album landete, hat Eliades Ochoa, ebenfalls Gitarre und Gesang, zu verantworten. Er war damals mit 50 Jahren einer der jungen Hüpfer im BVSC. Nick Gold, Chef der Londoner Plattenfirma World Circuit, erinnert sich: O-Ton Nick Gold: "Einige Songs kamen so zustande: Compay Segundo kommt ins Studio, und Eliades Ochoa spielt Chan Chan für ihn. Die beiden kannten sich, sie hatten schon vorher in Santiago de Cuba viel zusammengearbeitet. Er fing also an, Chan Chan zu spielen, also machten wir den Song. Ruben Gonzalez spielte einmal das Lied Buena Vista an. Okay, auch genommen. Viele Stücke kamen so zustande. Am ersten Tag, als Ibrahim Ferrer kam, fing Eliades an, Candela zu spielen. Es war Eliades´ Art, ‚Hallo!’ zu sagen. Also nahmen wir auch Candela auf." Das malerische Rauschen im Hintergrund... (O-Ton Klimaanlage): „Schschschschsch.“ ...ist übrigens das der Klimaanlage der berühmten EGREM-Studios in der Altstadt von Havanna, wo die Aufnahmen zu Buena Vista stattfanden. Allerdings nicht im Hof wie die Interviews. Auch der inzwischen weltweit bekannte und geschützte Name Buena Vista Social Club ist mehr oder weniger zufällig entstanden: O-Ton Nick Gold "Es war der Name eines Liedes, und ich dachte, prima, das kann man gut in Englisch verstehen, und die Atmosphäre im Studio war auch wie in einem Social Club, sehr entspannt. Alle, die dort waren, gehörten zusammen, wie Klubmitglieder. Und die Mitgliedschaft fußte darauf, ein exzellenter Musiker zu sein, der dieses Ding schaukeln kann." Um die Entstehung des BVSC zu verstehen, muss man allerdings noch ein gutes Stück weiter... zurückschaukeln. Sehr viel weiter, in das Jahr 1976, zur Band Sierra Maestra. 3. Musik, Sierra Maestra, Son highlights from Cuba, Track 1, Como me gusta, 1:40 Der Maschinenbau-Student Juan de Marcos González, Jahrgang 1954, spielte in seiner Freizeit mit ein paar Kommilitonen alte Lieder aus der Zeit vor der Revolution. Gesungen hatte er sie schon als kleines Kind und beschloss 1976, der Band Sierra Maestra beizutreten, deren Leiter er bald wurde. Sierra Maestra wollten nicht die zahllosen Revolutionslieder spielen, die ihnen staatlich verordnet jeden Tag im Rundfunk vorgesungen wurden. Sie wollten die goldene Ära der kubanischen Musik wieder aufleben lassen, die Musik der 1920-er bis 50-er Jahre: den "Son Autentico". Omara Portuondo streicht heraus, wie bedeutsam dieser Schritt für die Musik Kubas war. O-Ton Omara Portuondo "Es war das Wichtigste, was in dieser Zeit passierte. Sierra Maestra haben angefangen, die traditionellste Musik Kubas wieder auszugraben und zu spielen. Das ist das größte Verdienst, die größte Bedeutung von Sierra Maestra. Es war etwas sehr Besonderes, und es hat den Leuten sehr gut gefallen. Viele junge Menschen taten es ihnen gleich. Es war wie ein Zurückgehen zur traditionellen Musik, aber mit jungen Leuten." Omara Portuondo hat die goldene Ära noch erlebt und ist in den 1950-ern bereits selbst durch die USA getourt. 20 Jahre nach der Gründung von Sierra Maestra stand sie plötzlich mit vielen ihrer damaligen Kollegen wieder im Studio. Auch das war nicht geplant. Weil Omara Portuondo zur Zeit der Buena-Vista-Aufnahmen im selben Studiokomplex zu tun hatte, begegnete ihr Marcos Gonzalez, der Chef von Sierra Maestra, auf der Treppe. Und beschloss spontan, sie ins Boot zu holen. O-Ton Marcos Gonzalez "Omara kannte ich schon sehr lange. Wir haben mit Sierra Maestra mehrfach mit ihr gespielt. Sie war immer noch sehr bekannt in Kuba, anders als zum Beispiel Ibrahim Ferrer. Unbegreiflich, dass ich nicht auf sie gekommen war. Sie ist eine alte Freundin von mir, und ich habe wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Ich habe an das nächstliegende zuletzt gedacht. Sie war nicht eingeplant. Sie war ein Unfall, ein sehr schöner Unfall." 4. Musik, Buena Vista Social Club, Track 7, Veinte Anos, 1:31 Veinte Anos, ein Bolero, geschrieben von Maria Teresa Vera, eine bedeutende Musikerin in der erwähnten goldenen Ära der kubanischen Musik. Auf dem Weg zum BVSC müssen noch ein paar Dinge geschehen, damit zusammenfindet, was zusammengehört. Bedeutsam ist das Jahr 1993. Da beginnt Marcos González eine Radiosendung im staatlichen Rundfunk, in der er die Musik der fast in Vergessenheit geratenen Veteranen spielt. Die Sendung heißt "Mit den alten Stars reden". Viele junge Menschen hören in dieser Show zum ersten Mal die vorrevolutionäre, traditionelle kubanische Musik. Marcos Gonzalez vertieft dabei auch seine eigenen Kenntnisse, und dann hat er plötzlich eine Idee... Aber es fehlt nur noch ein geographischer Sprung. Siebeneinhalbtausend Kilometer Luftlinie entfernt hat ein junger Afrikanistik-Student namens Nick Gold gerade die Plattenfirma World Circuit in London gegründet, spezialisiert auf afrikanische Musik. Doch bald wird Kuba hinzukommen. Eine kleine Tournee hat Sierra Maestra 1993 auch nach London geführt, man lernt sich kennen, und im Jahr darauf erscheint ein Album von Sierra Maestra bei World Circuit. Es beginnt mit einem Debakel: Marcos González vergisst die fertigen Arrangements in einer der hübschen roten Telefonzellen in London. Hätte er die kubanischen Gottheiten, die Orishas, konsultiert, sie hätten es ihm vielleicht vorhergesagt: Dass auch die ganze Geschichte des Buena Vista Social Club eine Chronologie von Zufällen und Unfällen werden wird. Immerhin: Nach den Aufnahmen von Sierra Maestra ist es für Marcos Gonzalez ein leichtes, Nick Gold von der Idee einer Werkschau der alten Musiker zu überzeugen. Afro Cuban All Stars soll die Band heißen, ein Name, der auf die afrikanische Vergangenheit Kubas anspielt. Neben mehreren Sierra-Maestra-Mitgliedern finden sich auf der ersten, 1996 aufgenommenen CD auch schon einige der späteren Buena-Vista-Helden: Rubén González, Cachaito López, Ibrahim Ferrer. Für das gleich im Anschluss geplante Album ist vorgesehen, mit Gastmusikern aus Westafrika zu arbeiten. Es gab allerdings... Hindernisse. O-Ton Nick Gold "Es war ursprünglich etwas ganz anderes geplant. Am Tag, als wir anfingen, mussten wir unser Konzept vergessen und einfach anfangen. Und womit wir anfingen,

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