Title: Das Porträt von Wojciech Korfanty in der deutschen und polnischen Literatur : eine Studie zu Literatur- und erinnerungspolitischen Diskursen im Umfeld der historischen Semantik = Portret Wojciecha Korfantego w literaturze polskiej i niemieckiej : studium dyskursów literackich oraz dyskursów z dziedziny polityki pamięci w kontekście semantyki historycznej Author: Marcin Wiatr Citation style: Wiatr Marcin. (2015). Das Porträt von Wojciech Korfanty in der deutschen und polnischen Literatur : eine Studie zu Literatur- und erinnerungspolitischen Diskursen im Umfeld der historischen Semantik = Portret Wojciecha Korfantego w literaturze polskiej i niemieckiej : studium dyskursów literackich oraz dyskursów z dziedziny polityki pamięci w kontekście semantyki historycznej. Praca doktorska. Katowice : Uniwersytet Śląski STUDIA DOKTORANCKIE WYDZIAŁU FILOLOGICZNEGO UNIWERSYTETU ŚLĄSKIEGO W KATOWICACH MARCIN WIATR NUMER ALBUMU: DAS PORTRÄT VON WOJCIECH KORFANTY IN DER DEUTSCHEN UND POLNISCHEN LITERATUR. EINE STUDIE ZU LITERATUR- UND ERINNERUNGSPOLITISCHEN DISKURSEN IM UMFELD DER HISTORISCHEN SEMANTIK (PORTRET WOJCIECHA KORFANTEGO W LITERATURZE POLSKIEJ I NIEMIECKIEJ. STUDIUM DYSKURSÓW LITERACKICH ORAZ DYSKURSÓW Z DZIEDZINY POLITYKI PAMIĘCI W KONTEKŚCIE SEMANTYKI HISTORYCZNEJ) PRACA DYPLOMOWA (DOKTORSKA) IMIĘ I NAZWISKO PROMOTORA: PROF. GRAŻYNA B. SZEWCZYK KATOWICE 2015 1 Trzeba to ciało ponieść, trumnę Śląska pełną, Garść pieśni wyzwolonych w milczącej szkatule. Teraz już darmo trumnę sztandarami tulić, I darmo wskrzeszać ciało śpiewaniem kościelnym. Wilhelm Szewczyk, Pogrzeb Korfantego 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Forschungsstand 12 2.1 Geschichtswissenschaftliche Perspektive 20 2.2 Literaturwissenschaftliche Perspektive 30 3. Literatur- und erinnerungspolitische Diskurse versus Mythologisierung. Theoretische Annäherung im Umfeld der historischen Semantik 34 3.1 Historische Semantik 36 3.2 Geschichte, Raum und Zeit im Kontext von Literatur und Erinnerung 40 3.3 Fiktionalität 48 3.4 Funktionalität 50 3.5 Mythos und zeitliche Distanz 51 4. Oberschlesien als Schauplatz nationaler Schreib- und Erinnerungs- strategien. Das Phänomen Grenzland-Roman 60 4.1 Die Grenze als politisch-literarische Raumdeutung. Literatur zwischen Politik und nationalem Identitätsanspruch 60 4.2 Kulturpolitik in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ gegenüber Oberschlesien (1919–1945) 63 4.3 Kulturpolitik der Zweiten Republik Polen (1918–1939) und in der Volksrepublik Polen (1945–1989) gegenüber Oberschlesien 80 4.4 Der Paradigmenwechsel nach 1989 und transnational aufgeladene Deutungsmuster von Grenzräumen 86 5. Korfanty Portäts in der deutschen Literatur 90 5.1 Arnolt Bronnen: „O.S.” (1929) 92 5.2 August Scholtis: „Ostwind“ (1932) 106 5.3 Alfons Heyduk: „Umkämpfte Erde“ (1941) 120 5.4 Horst Bienek: „Die erste Polka“ (1975) 132 6. Korfanty Portäts in der polnischen Literatur 148 6.1 Zofia Kossak-Szczucka: „Przywódcy” (1932) 149 6.2 Ksawery Pruszyński: „Korfanty” (1939) 160 6.3 Albin Siekierski: „Nastaje zmierzch” (1987) 164 6.4 Konrad T. Lewandowski: „Śląskie Dziękczynienie“ (2010) 184 3 7. Korfanty – eine Schlüsselfigur für Oberschlesien? Zur Wechselwirkung zwischen der semantischen Topografie in literarischen Werken und dem erinnerungspolitischen Diskurs um Wojciech Korfanty 199 7.1 Semantische Landschaft der Korfanty-Porträts deutscher und polnischer Autoren 199 7.1.1 Semantisch negativ aufgeladene Korfanty-Porträts 203 a) Skrupellos, doppelzüngig, zynisch, demagogisch, autokratisch 203 b) Schlau, eingebildet, stolz, geltungssüchtig, machtbesessen, missgünstig, unmoralisch, rachesüchtig, intrigant, ehrgeizig, unnachgiebig, verlogen und betrügerisch 207 c) Gewaltsam und impulsiv 211 d) (Geld)gierig, korrupt, bestechlich 213 e) Verräterisch, national unzuverlässig, separatistisch 214 f) Diplomatisch (im Sinne: schwach, konformistisch) 217 7.1.2 Semantisch positiv aufgeladene Korfanty-Porträts 218 a) Selbstbewusst, erfolgreich, mutig, pragmatisch, weitsichtig 218 b) Politisch verfolgt 221 c) Kompromissbereit, zur Selbstkritik fähig, sentimental 223 d) Doppelkulturell (Grenzgänger) 224 7.2 Semantische Topografie im erinnerungspolitischen Diskurs um Wojciech Korfanty 225 8. Schlussfolgerungen und Ausblick 233 9. Bibliografie 237 9.1 Primärliteratur 237 9.2 Sekundärliteratur 238 9.3 Internetquellen 262 4 Einleitung Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit literarischen Porträts von Wojciech Korfanty in der deutschen und polnischen fiktionalen Literatur des 20. Jahrhunderts. Das Leben Korfantys und sein nicht widerspruchsfreies Wirken hängen dermaßen eng mit der Geschichte Oberschlesiens zusammen, dass dieser Politiker zu einer nicht nur publizistisch und erinnerungspolitisch, sondern auch literarisch stilisierten Symbolfigur für die Region avancierte. Dabei hat kaum einer so widersprüchliche Nachbilder hinterlassen. Korfantys historische Bewertung bleibt bis heute höchst umstritten: Für die einen, die sich etwa den konservativen, deutschnationalen Kreisen zugehörig fühlen, ist er schlicht ein polnischer Nationalist, Freischärler, Brandstifter, skrupelloser Aufsteiger und Selbstdarsteller, der Ideen und Menschen für die eigene Karriere und egoistische Interessen auszunutzen wuss- te; für die anderen, die sich mit den konservativen, polnisch-nationalen Kreisen identifizie- ren, bleibt Korfanty ein polnischer Patriot und gestandener Staatsmann, der allerdings nach 1926 wegen überhöhter politischer Ambitionen die bedingungslose Treue zu Polen auf- kündigte; den nächsten wiederum, die der als eigenständig betrachteten Tradition Ober- schlesiens anhängen, gilt er als verdienter und mutiger Verfechter der oberschlesischen Autonomie, trug er ja als Hauptinitiator des Gründungsstatuts der polnischen Woiwod- schaft Schlesien wesentlich zur Errichtung der autonomen Woiwodschaft Schlesien nach 1922 sowie des Schlesischen Parlaments in Kattowitz bei1. In der allgemeinen Öffentlich- keit, vor allem in Polen, wird Korfanty mit der Zeit der Schlesischen Aufstände, des Ple- biszits und der Abtretung des östlichen Teils Oberschlesiens an Polen im Jahre 1922 in Verbindung gebracht. Im Grunde aber bleibt Korfantys höchst komplexe Biografie in Polen und selbst im heutigen Oberschlesien relativ wenig bekannt. Dieser Umstand ist zum Teil der Tatsache geschuldet, dass Korfantys Legende in der Nachkriegszeit bekämpft oder zumindest mar- ginalisiert wurde. Doch Korfanty gehörte nicht nur zu den bedeutendsten und kontrover- sesten Persönlichkeiten Oberschlesiens im 20. Jahrhundert, sondern war darüber hinaus einer der wichtigsten polnischen Politiker in der Zeit der Zweiten Polnischen Republik und 1 Siehe: Marian Orzechowski, Wojciech Korfanty: Biografia polityczna, Wrocław-Warszawa-Kraków- Gdańsk 1975, S. 5–9; vgl. hierzu auch: Zygmunt Woźniczka, Wojciech Korfanty w zbiorowej pamięci histo- rycznej, in: Maciej Fic u. Ryszard Kaczmarek (Hrsg.), Szkice Archiwalno-Historyczne. Powstania śląskie w pamięci historycznej Uczestnicy – pomniki – rocznice, Nr. 8 (Sonderheft), Katowice 2011, S. 107–126. 5 zugleich eine facettenreiche, tragische Persönlichkeit, die die Zerrissenheit der Region im 20. Jahrhundert symbolisch verkörpert. Grund genug, um gängige Meinungen über diesen oberschlesischen Politiker zu hinterfragen und womöglich Neues über dessen Leben und Wirken zu eruieren. Seit den 1970er Jahren gab es in diese Richtung auf polnischer Seite tatsächlich einige Anläufe (vgl. Kap. 2). Doch es bleibt schon bemerkenswert, dass es nach der gesellschaftspoliti- schen Wende in Polen weitere zwanzig Jahre gebraucht hatte, bis anlässlich des 70. Todes- tages von Korfanty eine populärwissenschaftliche sowie eine wissenschaftlich aufbereitete Biografie dieses Politikers, frei von schreibstrategischen Zwängen der kommunistischen Zeit vor 1989, von einem Kattowitzer Historiker Jan F. Lewandowski vorgelegt werden konnte2. Die nach 1989 von Vielen in Oberschlesien erwartete3 neue Biografie des ober- schlesischen Politikers ließ also lange auf sich warten. Wie Lewandowski betont, ist sein Buch „ein überzeugender Beleg dafür, dass Korfantys Leben im neuen Geist aufgearbeitet werden soll, denn im Grunde kennen wir ihn alle beinahe gar nicht“4. Dieser Feststellung kann weitgehend zugestimmt werden. Darüber hinaus ist hier darauf hinzuweisen, dass geschichts- und selbst literaturwis- senschaftliche Untersuchungen zur Darstellung des oberschlesischen Politikers in literari- schen Werken und die Frage nach deren Auswirkungen für die Rezeption Korfantys bisher kaum eine Rolle im wissenschaftlichen Diskurs gespielt haben. Dieser Umstand verkennt die Tatsache, dass es eben nicht nur tagespolitische deutsche und polnische Publizistik, Satire oder Film waren, die das Bild des oberschlesischen Politikers – vor allem in den 1920er und 1930er Jahren – massiv und nachhaltig geprägt haben und dies oft in einseiti- 2 Jan F. Lewandowski, Wojciech Korfanty, Chorzów 2009; vgl. auch die wissenschaftlich aufbereitete und erweiterte Fassung der Biografie: Jan F. Lewandowski, Wojciech Korfanty, Warszawa 2013. 3 Auf die Notwendigkeit, eine gänzlich neue Biografie Korfantys zu verfassen, verwies etwa der oberschlesi- sche Literat Wilhelm Szewczyk in einem publizistischen Beitrag für die Tageszeitung „Dziennik Zachodni“ und erinnerte dabei an eine ganze Reihe von im öffentlichen Diskurs bis dahin wenig beachteten Informatio- nen über den Politiker; siehe: Wilhelm Szewczyk, Jakim był Wojciech Korfanty, Dziennik Zachodni v. 2- 5.05.1991, in: Ders., Każdy ma swój życiorys. Eseje i felietony, Katowice
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