SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Brahms in Baden-Baden (4) Mit Wolfgang Sandberger Sendung: 13. September 2018 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de SWR2 Musikstunde mit Wolfgang Sandberger 10. September – 14. September 2018 Brahms in Baden-Baden (4) Auch heute sind wir wieder mit Johannes Brahms in Baden-Baden: einen schönen guten Morgen. Ich bin Wolfgang Sandberger Baden-Baden ist um 1870 d a s Modebad der großen weiten Welt, Johannes Brahms hingegen alles andere als ein mondäner Mensch. Brahms stammt aus eher kleinbürgerlichen, fast proletarischen Verhältnissen und der „Hamburger Jung“ ist sensibel, ja im Umgang verletzlich. Er ist kein Mann eleganter Umgangsformen wie etwa der Maler Anselm Feuerbach, dem Brahms in Baden begegnet. In diesem Sommer 1869 sind die beiden fast täglich zusammen. Brahms ist ein großer Bewunderer der Bilder von Feuerbach und doch gibt es in der persönlichen Beziehung immer wieder Irritationen: Feuerbach mit seinem aristokratischen Habitus empfindet den nicht immer diplomatischen Brahms bisweilen als takt- und kulturlos. Umgekehrt hat Brahms mit den Allüren von Feuerbach auch so seine Probleme: die Eitelkeit und der Narzissmus des Malers gehen Brahms auf die Nerven. In den Sommerwochen in Baden Baden sind solche Standes-Unterschiede allerdings meist aufgehoben. Auch wenn Brahms sich nie unmittelbar unter die Hautevolee mischt: Seine Popularität in Baden genießt er durchaus und mit geradezu kindlichem Vergnügen registriert er, dass das „Badeblatt“ seine Ankunft in Lichtental immer vermeldet: Musik 1 Track 15 2.20’’ Johannes Brahms Ungarischer Tanz Nr. 15 B-dur Yaara Tal & Andreas Groethuysen, Klavier Sony SK 53 285 LC 6868 M0012745 015 2 Baden-Baden ist der Sommermagnet der Belle Epoche. Und Johannes Brahms lernt in dem modischen Badeort viele, viele Menschen kennen. Nicht nur prominente Maler wie Anselm Feuerbach oder Dichter wie Iwan Turgenjew. Es sind auch eher unscheinbare Personen darunter, die die Geschichte längst vergessen hat. Da ist zum Beispiel die russische Pianistin Anna von Dobjansky, Gesellschafterin im Hause der Fürstin Suwarow in St. Petersburg. In deren Gefolge kommt die junge Musikerin nach Baden-Baden, wo sie bei Clara Schumann Klavier- Unterricht nimmt. Nicht weit von der Familie Schumann und nicht weit von Brahms wohnt sie in Lichtental. Die junge Pianistin hat sogar komponiert, und sie berichtet in einem Brief recht stolz, dass Clara Schumann und Brahms ihr „viel Talent zur Komposition“ attestiert hätten. Nur der strenge Brahms habe behauptet, dass sie „zwar gute Ideen habe, aber nicht sorgfältig genug arbeite“. An anderer Stelle bescheinigt Brahms der jungen Frau tatsächlich ein „recht nettes Talent“ im Komponieren, und Brahms ist es auch, der ihre ersten Werke revidiert und dem Verlag Simrock nachdrücklich zur Veröffentlichung empfiehlt – nicht ohne den Hinweis, dass die russsische Komponistin die Publikation selbst finanziere. „Die nötigen Rubel“ also würden schon rollen, außerdem aber „werde die Petersburger Bekanntschaft sehr für Absatz sorgen“ - so Brahms, der hier also gute Argumente für die Publikation der Klavierstücke nennt. Die russische Komponistin bedankt sich bei Ihrem Förderer denn auch artig: mit der Widmung ihrer Sammlung op. 2 an Brahms. Erfolgreicher ist Anna von Dobjansky aber als Pianistin, bei den Kurhaus-Matineen in Baden-Baden tritt sie immer wieder auf. Im Juli 1870 spielt sie das Es-Dur-Konzert von Beethoven, was ihr eine überregionale Rezension einbringt: Anna von Dobjansky - so heißt es da -„vereinigt grosse Sicherheit und Sauberkeit der Technik mit feiner Empfindung, mit Noblesse und massvoller Ruhe des Vortrages“. So habe die Pianistin „eine ächt künstlerische Gesammtwirkung“ erzielt, „welche denn auch durch lebhaften Beifall und Hervorruf von Seiten des Publikums gebührend anerkannt und geehrt wurde“. 3 Musik 2 SWR Schlusssatz 4‘45 Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-dur Hélène Grimaud/ , Klavier / Staatskapelle Dresden / Vladimir Jurowski M0088799 003 Die junge Russin Anna von Dobjansky hat dieses Beethoven-Konzert im Juli 1870 im Badener Kurhaus gespielt - und das Klavierspiel und die jugendliche Schönheit der Pianistin machen auf Brahms schon in den Jahren zuvor Eindruck – im Brahms- Institut in Lübeck hat sich im Nachlass des Komponisten ein Portrait der jungen Anna von Dobjansky erhalten. In diesem Juli 1870 hört Brahms die begabte Russin allerdings nicht, denn es ziehen düstere Wolken in dem Kurort auf. Die "Belle Epoque" wird überschattet durch den Deutsch-Französischen Krieg. Am 19. Juli 1870 erfolgt die Kriegserklärung Frankreichs an den Deutschen Bund. Brahms will und kann wohl auch in diesem Sommer nicht kommen: Die Bahnverbindungen zwischen Wien und Baden-Baden sind unterbrochen. Deprimiert schreibt Clara Schumann an ihren Freund, den sie in Baden-Baden doch vermisst: „Hier ists überdies sehr einsam, wie Du Dir denken kannst, denn unter den Familien ist kein Zusammenleben, und für Dich wäre es sehr still gewesen, Du hättest nur uns und etwa Viardots gehabt. Arbeiten freilich kann man in solcher Stille, aber es kostet Überwindung, wo einem so Schweres auf der Seele lastet, wie jetzt dieser Krieg." Musik 3 SWR 1.00‘‘ Robert Schumann Kriegslied, aus dem Album für die Jugend op. 68 Eric Le Sage, Klavier M0268896 058 4 Nicht nur Brahms verzichtet in diesem Sommer 1870 auf seinen Besuch in Baden- Baden, auch der Wiener Walzerkönig Johann Strauß sagt sein geplantes Engagement kurzerhand ab. Doch im nächsten Jahr ist schon fast wieder alles beim Alten. Täglich gibt es im Kurpark ein vierstündiges Promenadenkonzert mit 48 Musikern, dazu offeriert das "Cur-Comité" noch "grosse Militärconcerte" und "Vocal- und Instrumentalconcerte mit auswärtigen Künstlern". Während bei Sedan und Paris immer noch gekämpft wird, spielt Johann Strauß fast allabendlich mit seiner Kapelle die so beliebten Walzer. Eine Attraktion, die Brahms nun auch seinem Verleger Simrock empfiehlt: "Geben Sie mir bald Auftrag, im Bären zu mieten, es soll bestens besorgt werden. Bis 15ten August dauern die Konzerte unseres Strauß!" Musik 4 Track 5 3.08‘ Johann Strauss Unter Donner und Blitz op. 324 Berliner Philharmoniker Ltg. Herbert von Karajan DG 445 570 M0053341 008 Vom Walzerkönig und seiner Musik ist Brahms zeitlebens beeindruckt. Strauß wird Jahre später auf den sogenannten Autographenfächer seiner Stieftochter die ersten Takte des Walzers "An der schönen blauen Donau" schreiben, als Brahms an die Reihe kommt, schreibt er unter die Strauss-Noten die sicher nicht ganz unernst gemeinten Worte: "Leider nicht von Johannes Brahms." Leider von Johannes Brahms - das denken manche wohl bis heute beim „Triumphlied“, das Brahms damals in seiner nationalen Begeisterung für die Reichsgründung geschrieben hat. Ursprünglich hatte Brahms eine irritierende Widmung im Sinn: 5 „Auf den Sieg der deutschen Waffen“, doch im Druck ist das dreisätzige Stück dann dem deutschen Kaiser „ehrfurchtsvoll zugeeignet“: Das Triumphlied für achtstimmigen Chor, Bariton-Solo und Orchester op. 55. Den ersten Satz hat Brahms Ende Februar 1871 fertig: er wird am Karfreitag in Bremen uraufgeführt, in einem Konzert, in dem auch das Deutsche Requiem erklingt: ein Gedenkkonzert für die gefallenen deutschen Soldaten. Die Presse jubelt: „Wir Deutschen“, so heißt es in der Allgemeinen Musikzeitung, „können stolz sein, dass ein solcher Künstler wie Brahms gerade jetzt unter dem Eindrucke der bedeutendsten Ereignisse, zu einem solchen Triumphlied begeistert wurde.“ Dermaßen ermuntert hat Brahms das Triumphlied im Sommer noch weiter gesponnen: In Lichtental schreibt er den zweiten und dritten Satz dieses chorsinfonischen Werkes. Man mag über das Triumphlied die Nase rümpfen, doch bei Lichte betrachtet ist diese gründerzeitliche Festmusik nicht nur ein politisch gebundenes Gelegenheitswerk, nein, es hat auch etwas die Zeiten Überdauerndes. Musikalisch beschwört Brahms im Triumphlied zunächst den monumentalen Chorstil a la Händel herauf, was ihm von Wagner das böse Wort von der Halleluja-Perücke einbringt, die Halleluja-Perücke, die Brahms sich hier aufgesetzt habe. Doch in der Mischung von Motette, Kantate, Oratorium und Sinfonie durchbricht die Musik im strahlenden Dur alle Gattungsgrenzen und auch der Text aus der Offenbarung des Johannes hat ja etwas eschatologisch-visionäres, kurz: unvoreingenommen ist dieses Stück vielleicht gar nicht so schlecht, wie viele Kritiker meinen – auf den Index gehört es jedenfalls nicht. Die umjubelte Uraufführung des kompletten Triumphliedes findet in Karlsruhe statt: im Abschiedskonzert von Hermann Levi am 5. Juni 1872 im Großherzoglichen Hoftheater. Hier engagiert sich Levi noch einmal für seinen Freund Brahms. Und natürlich sind da eine Menge Brahms-Freunde anwesend, auch Clara Schumann ist mit ihren Kindern aus Baden-Baden herüber gekommen. Im Tagebuch vermerkt

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