Schrifttum und ergänzende Quellen, vor allem Briefe aus der Zeit, NDB), dessen enger Mitarbeiter der Bruder Ludwig Ru­ spornten die Verfn. an , eine neue Biographie zu versuchen. dolphi war, Claudius, Schimmelmanns und vor al1em mit In der Verlagsankündigung heißt es dann: "auf vö llig der Unterstützung der Gräfin Amalia Münster-Meinhövel, neuer Quellenbasis erzählt dieses Buch die ungewöhnliche geb. von Ompteda, findet nun die Rudolphi ihre wahre Lebensgeschichte einer Frau zwischen Spätaufklärung und Bestimmung: in ihrer Obhut entfalten sich Mädchen nach Romantik." Die neuen Quellen sind die Briefe im Nachlass den seinerzeit neu esten pädagogischen Gesichtspunkten Olbers-Focke der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. natürlich und harmonisch in ihrer seelischen Entwicklung Doris Olbers, Tochter des Arztes Wilhelm Olbers, 1758-1840 und werden ganzheitlich gebildet. Der Kreis von Freunden [vgl. NDB) , aus Bremen, eine Schülerin der Rudolphi in und Freundinnen um die Rudolphi, die 1804 nach Hei­ Hamm, heiratete nicht den von der Rudolphi eingestellten delberg wechselt, wächst und wächst nun unaufhaltsam Lehrer Johann Friedrich Benzenberg, 1777-1846 [vgl. NDB) , und bietet ein Füllhorn an Themen aus dem Umfeld der der ihr ein Versprechen gegeben hatte, sondern den Bremer "Roma ntiker" -Biographien. Juristen Dr.jur. Christi an Focke, 1774-1852. Sie blieb mit Die eingestreuten Selbstreflexionen der Verfn. zum Gang Caroline Rudolphi, aber auch mit ihren Mitschülerinnen ihrer Forschungen stören das Bild beim Lesen eher. Stets in engstem brieflichem Kontakt und auch die Verbindung wird durch den Wechsel zwischen Zitaten aus Briefen, zu Benzenberg, der in Elberfeld 1807 Cha rlotte Platzhoff, Erzählerkommentaren, den genannten ,Arbeitsberichten' 1789-1809, heiratete, riss nicht ab. Viele Briefe aus der Zeit und dem einfachen Referieren der Biographie gewechselt, sind schon die Quellen von Rüdiger und anderen gewesen sodass letztere vor dem inneren Auge des Lesers stets - und vielfach publiziert. unruhig bleibt. Nicht al1ein die Biographie der Rudolphi Für die Ankündigung, die Biographie beruhe "auf völlig leidet darunter, auch für die weiteren Nebenfiguren ergibt neuer Quellenbasis" , ist allerdings praktisch alles an Caro­ sich nur selten ein zusammenhängenderes Bild. Vielleicht line Rudolphis Herkunft, Jugend und Ausbildung auch für hätten Kurzbiographien al1er Protagonisten auch zur frühen Gudrun Perrey recht blass geblieben. Die Rudolphi, die von Phase der Rudolphi noch mehr Licht in das Dunkel gebracht. ihren Zöglingen auch "Seile" [nach "Demoiselle") genannt Nachweise, Literaturverzeichnis und ein Namensregister wurde, emanzipierte sich aus mehr oder weniger beschei­ runden das sehr sorgfaltig und geschmackvol1 gestaltete denen Anfangen. Jedenfalls stilisierte sie in ihrer eigenen Buch ab. - Autobiographie und dem, was sie stets über diese Zeit ihres Lupold v. Lellsten Lebens mitteilte, immer eine trübe, melancholische Kindheit und Jugend in schwierigsten, dumpfesten Umständen. Ihr I:!J I Joseph Jung u. a.: Lydia Welti-Escher. Stark Vater war der Schulhalter in Magdeburg Georg Christian erweiterte Neuausgabe, hrsg. v. Joseph Jung Rudolphi [t ca. 17 63), der bald wie die meisten Stiefge­ schwister und der jüngere Bruder Fritz starb. Die Mutter, i. A. der Alfred Escher-Stiftung, Zürich: Verlag Friederica Christina, geb. Barth, vermittelte ei nen angeblich Neue Züricher Zeitung, 2009, 576 S., reich ill., dumpfen, bildungsfeindlichen Pietismus. Dies hat die Ru­ geb., ISBN 978- 3- 03823- 557-6, 39 Euro. dolphi, die wegen ihrer wenig vorteilhaften körperlichen Nicht von ungefahr erlebt die 2007 erschienene Biogra­ Erscheinung wohl kaum Gegenstand von Heiratsplänen phie des Geschäftsführers der Alfred Escher-Stiftung, war, selbst so überliefert und die Biographin folgt ihr hierin. Prof. Dr. Joseph Jung nicht al1ein rasch weitere Auflagen, Zweifel an dieser Stilisierung äußert die Verfn. nur, wenn sondern eine grundlegende Neubearbeitung. In der ersten sie berichtet, wie der Kapellmeister Johann Friedrich Reich­ Auflage [Lydia Welti-Escher. Ein geseUschaftspolitisches ardt, 1752-1814 [vgl. NDB), in Potsdam überraschend die Drama. Selbstzeugnisse, Briefe und neue Erkenntnisse, Gedichte der Rudolphi sogar mit beachtlichem finanziellem hrsg. i. A. der Alfred Escher-Stiftung von Joseph Jung, Erfolg auf den Markt brachte. Zürich: Verlag Neue Züricher Zeitung, 2007, 454 S. , In schon hel1erem Licht erscheint die Familie des Gutsbesit­ reich iII., geb., 978-3-03823-459-3) hatte der Verf. zers Georg Christoph von Röpert in Mecklenburg, Meister bereits einen sensationellen Archivfund zum Ausgangs­ vom Stuhl der Loge Zum gekrönten, goldenen Greifin Neu­ punkt einer fundamentalen Neubearbeitung und Neube­ brandenburg, auf dessen Gut Trol1enhagen die Rudolphi urteilung des Dramas um Lydia Welti-Escher und Kar! im Frühsommer 1778 ihre Karriere als Mädchen-Erzieherin Stauffer gemacht und mit diesem Werk das Vertrauen begann. Hier kamen noch die Töchter des Apothekers in geschaffen, nun auch den bisher für all e Forschungen Neubrandenburg, Minna und Dorothea Siemerling hinzu. gesperrten Bestand des Familienarchivs der Familie Welti Die Röperts haben später in Meiningen Karriere gemacht. erstmals nutzen zu können. Doch zunächst zum Drama Auch in Anbetracht des häufigen Ehestreits der Röperts Escher-Wel ti -Stauffer. eröffnete Caroline Rudolphi mit den Röpert-Töchtern Dass die Schweiz ein für Außenstehende eher undurch­ dann ihr erstes Pensionat in Billwerder und zog bald nach dringliches Geflecht von genealogischen Verbindungen Hamm vor den Toren Hamburgs um. Hier im Umfeld des und Unternehmen untereinander und natürlich der poli­ Pädagogen Joachim Heinrich Campe, 1746-1818 [vgl. tischen Beziehungen darstellt, ist auch Nichtschweizern AfF 1/2011 .. 35 Schri fttum bekannt. Sie bestimmen in weit höherem Maße das all­ überzusiedeln und hier Stauffer für Lyd ia ei n gigantisches gemeine Geschehen in der Schweiz als die immer wieder Kunsttempelprojekt entwarf. Welti kehrte aus vorgescho­ nur in der deutschen Presse beschriebenen Abstimmun­ benen Gründen in di e Schweiz zurück, und in Florenz bzw. gen. Seit einiger Zeit arbeitet die historische Forschung dann in Rom kommt es zum Gipfelpunkt der Beziehung und Literatur diese Verfl echtungen und Beziehungen zwischen Lydia und Stauffer und aus der schweizerischen durch beispielhafte Einblicke auf und wird dabei leicht Sicht (i . d. der Vater Bundesrat Em il Welti) zum Skandal zur "Skandalberichterstattung". Mit dem nun vorgelegten eines exzeptionellen Verhältnisses. Vater und Sohn Welti Buch gelingt dem Herausgeber und zugleich Hauptautor lassen Karl Stauffer wegen Vergewaltigung verhaften allerdings nach Ansicht des Rezensenten ein großer Wurf. bzw. Lydia ins Irrenhaus bringen. Zwa r erweisen sich al1e Das Schi cksal von Lydia Welti-Escher war exemplarisch: Anschuldigungen als nicht nachwe isbar, aber Stauffers nicht nur für die Schweiz in der Zei t des ausgehenden 19 . Leben wird durch den inszenierten Skandal ruiniert. Er Jahrhunderts und nicht nur für das schwierige Verhältnis stirbt bald an Medikamentenvergiftung in Florenz am von Geld, Kunst und Gesellschaft. Die Beschreibung von 24. Januar 1891. Rätselhaft wandte sich Lydia nach der drei und einigen mehr individuellen Lebensschicksalen, Verhaftung beider von ihm schroff ab, willigte in di e von die tragisch miteinander verknüpft wurden, gelingt ebenso den Weltis geforderte Scheidung ein, errichtete aus dem exemplarisch. Die Aufarbeitung in dem vorliegenden Band ihr von den Weltis gelassenen Restvermögen die Gottfried­ überzeugt voll und ganz. Kel1er-Stiftung und scheidet vollkommen einsam, "von den Friedrich Emil Welti (1 857-1940) war zwar der Sohn des Manen des unvergesslichen Freundes Stauffer" besessen, bekanntesten Bundesrats der Schweiz im 19. Jahrhundert, am 12. Dezember 189 1 in der Villa Ashburn in Champel Emil Welti (18 25-1899). Doch die Enge einer kleinbürger­ am Genfer See aus dem Leben. lichen Familie aus dem aargauischen Zurzach hatte auch Der Fund des zentralen Dokuments, das Joseph Jung als das politische Engagement des Vaters nicht wirklich zu Schlüssel für seine ungemein differenzierte neue Deutung überwinden vermocht. Als Verlobter der reichsten Erbtoch­ der Persönlichkeit Lydias entdeckte, war das psychiatrische ter der Schweiz in ihrer Zeit wurde Friedrich Emil Welti Gutachten, das die italienischen Ärzte Nicola De Pedys eigentlich zum ,Shooting Star' der Schweizer Wirtschaft und Rinaldo Roseo am 27. Januar 1890 in Rom vorlegten. und Gesellschaft. Nicht zuletzt durch die Edition aller re­ In ihren Darlegungen in der Lebensgeschichte erklärt levanten ermittelten Briefe zeigt er sich allerdings diesem Lydia Welti-Escher beispielsweise: "Meine Urgrossmutter Wunsch des Vaters nicht gewachsen, vielmehr als weicher, verliebte sich in Goethe, und die bei den hatten ein Ver­ in seinen Ansprüchen und Möglichkeiten bescheidener hältnis, worauf jedoch weder Goethe ins Gefangnis kam, Charakter. Lydia Escher (1858-1891), Tochter von Alfred noch sie für verrückt erklärt wurde." (S. 28 6) Sie erzählt Escher (1819- 1882), konnte sich trotz einer glänzenden, auf hohem Reflexionsniveau über ihre Vorfahren (Eseher vielseitigen, ihre künstlerischen Ambitionen maximal vom Glas, Zollikofervon Altenklingen, Uebel - aus Stössin fördernden Ausbildung von den ri giden Prinzipien des bei Neuruppin, von Geiger) ih r Leben, ihr Schicksal, ihre be reits 1864 früh verwitweten Vaters und den auch damals seelische Entwicklung, ihr Drama. Das hier vol1ständig
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