VIA REGIA - Kulturstraße des Europarates 100 x kleine Geschichte(n) an der VIA REGIA Seit der Steinzeit gibt es eine Landverbindung zwischen der Atlantikküste und dem Dnjepr, die neben den Wasserstraßen an der Nord- und Ostseeküste und auf der Donau die wichtigste Verkehrsader ist, die den Osten und den Westen Europas verbindet. Sie hat sich über tausende von Jahren als Verkehrs- korridor stabilisiert und entspricht heute einem Netz von Fernstraßen und Autobahnen. Diese nehmen im großen Rahmen den gleichen Verlauf, wie vor tausenden von Jahren die unbefestigten Wege. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation standen sie ihrer Bedeutung halber unter königlichem Schutz und wurden deshalb als VIA REGIA (=Königsstraße) bezeichnet. Die Idee, die VIA REGIA als Sinnbild für die Einigung Europas zu revitalisieren, entstand mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ und der neu gewonnenen Möglichkeit, Europa in seiner Ost-West-Ausdehnung wieder ungehindert bereisen zu können und unter dem Zeichen der politischen Veränderungen neue Formen einer europäischen Zusammenarbeit, insbesondere in den Ost-West-Beziehungen entwickeln zu können. 2004 fand in der Thüringer Staatskanzlei das internationale Symposium „VIA REGIA – Kulturstraße Eu- ropas“ statt. In dessen Ergebnis wurde die VIA REGIA im Jahre 2005 vom Europarat als Thema ausge- wählt, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen und sozialen Bedeutung von hohem Interesse für die Einigung Europas ist. Seither entwickelt sich ein internationales VIA REGIA-Netzwerk, das 2006 als „Kulturstraße des Europarates“ ausgezeichnet wurde. Wege sind ein Kulturerbe von besonderer Bedeutung: Menschliches Zusammenleben und Wirt- schaften sowie die Entwicklung und Verbreitung kultureller Leistungen und Errungenschaften wä- ren ohne Verkehrs-, Handels- und Wirtschaftsstraßen nicht möglich. Insofern sind alle hier zusam- mengetragenen Geschichten mittelbar oder unmittelbar mit der Straße VIA REGIA verbunden. Das Lesebuch enthält eine Auswahl an Geschichten über Bauwerke, Ereignisse, Persönlichkei- ten in lockerer Erzählweise, welche die eigene Heimat mit der Ferne, dem Fremden, in Bezie- hung setzt. Die Art der Zusammenstellung entspricht etwa der Erlebnisbreite einer Reise: Die Menschen, denen man dabei begegnet, sind nicht „sortiert“, nach Alter etwa, Geschlecht oder Aussehen - In dem vorliegenden Heft gibt es keine Gliederung nach Themen oder Zeiten. Die Ge- schichten sind kaleidoskopartig aneinander gefügt: Anekdoten stehen neben Ereignissen von weltgeschichtlicher Tragweite. Die Schrecken der Kriege, Verfolgung und Vertreibung werden ebenso thematisiert wie das Alltagsleben einfacher Menschen oder die Reise frommer Pilger zu den Heiligtümern der Christenheit. In der Auswahl der Geschichten soll die Breite und Vielfalt der europäischen Kulturen und unsere ge- meinsame mehr als tausendjährige Geschichte erlebbar werden und dabei die besondere Bedeutung der Straße VIA REGIA zum Ausdruck kommen. ausgewählt, zusammengestellt, redaktionell bearbeitet und herausgegeben vom Europäischen Kultur- und Informationszentrum in Thüringen im Verein NETZ – Medien und Gesellschaft e.V. 1 01 Das Geleitshaus in Erfurt – ein europäisches Informationszentrum 02 Anna von Kiev 03 Friedrich Hellwig 04 Jungfer Wenzel 05 Steinspritze und Himmelsziege – eine heitere Studentengeschichte 06 Der Schwarze Brunnen in Eisenach 07 Das ehemalige Wirtshaus „Zum Alten Deutschen“ in Auerstedt 08 Die Schlacht bei Wahlstatt (Legnickie Pole) 1241 09 Giovanni del Pina Carpini 10 Die Druckerei Hoßfeld 11 Das Hühnerwunder 12 Die Kaiserstraße (Grande Route Imperiale) zwischen Paris und Mainz 13 Der Drei-Feldherren-Stein 14 Die Brücke über den San 15 Der Erfurter Fürstenkongress 16 Wigand von Lüder 17 Die heilige Radegunde 18 Der weite Weg nach Osten 19 Postwagen nach Gotha 20 „Verfallen wie in Brody“ 21 Karl Martell in der Schlacht bei Tours im Jahre 732 22 Die Wartburg bei Eisenach 23 Ibrahim ibn Jacub 24 Das Waidhaus in Görlitz 25 Die Hospitalkirche in Erfurt 26 Goethe in Hünfeld 2 Die Messen in Dubno 27 Die Morde von Mechterstädt 28 Die Tuchhallen in Kraków/Krakau 29 Das Zollhaus in Rasdorf 30 Die Viehmärkte in Buttstädt 31 Die größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges 32 Wieliczka und der sächsisch-polnische Salzhandel 33 historische Straßenpflasterung der VIA REGIA in Steinau a.d. Straße 34 Die Krämerbrücke in Erfurt 35 Semyon Budjonny – der legendäre Reitergeneral der Roten Armee 36 Slawische Burganlage in Schöps 37 Das Geleitshaus in Weißenfels 38 Der heilige Bonifatius 39 Die Jakobusfigur in der Kirche zu Tauscha 40 Eva Theresa Hauck 41 Russische Poststation in Novohrad-Wolynskyj 42 Der fränkische Kaufmann Samo 43 Der Übergang über die Elbe bei Strehla am Ende des Zweiten Weltkrieges 44 Karl der Große und die VIA REGIA 45 Franzosen und Kosaken in Freiensteinau 46 Stapelpflicht und Marktwesen 47 Das „Reichskommissariat Ukraine“ in Rivne 48 Der Mord am Grenzschützer Hans Martin Plüschke 49 Kaufmannshäuser in Tarnów 50 Die Pöppelmannbrücke in Grimma 51 Die Kathedrale von Santiago de Compostela 52 3 53 Der Dichter Georg Trakl in Gródek Jagiellonski (Horodok) 54 Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) und die VIA REGIA 55 Der „Brave Soldat Schwejk“ in Przemyśl 56 Siebenmeilenstiefel 57 Sophie von La Roche auf der Reise von Hanau nach Weimar 58 Die Peter-Pauls-Messen in Naumburg 59 Der Alte Zollbahnhof in Kirkel 60 Der Kaisertrutz in Görlitz 61 Das Massaker von Lemberg (Lviv) 62 Die VIA REGIA im Abschnitt der Aachen-Frankfurter Heerstraße als Pilgerweg 63 Der Polenkampf am „Kalten Markt“ in Schlüchtern 64 Mitteldeutsche Nietzsche-Gedenkstätten an der VIA REGIA 65 Die Verschwörung von Amboise 66 Handel und Märkte in der Kiever Rus 67 Die „Hammelburger Reisen“ des Karl Heinrich Ritter von Lang 68 Der Drususstein in Mogontiacum 69 Die Altstadtbrücke in Görlitz 70 Memorial in Douaumont 71 Die Festung Tarakaniv 72 Die Entstehung des Postwesens in Sachsen 73 unterirdische Lagerhallen in Jarosław 74 Goethe als Wegebaudirektor im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 75 Die Kathedrale zu Reims 76 Der Dom zu Aachen als Krönungskathedrale deutscher Kaiser 77 Die Jagiełłonenstraße 78 Die Befreiung des KZ Majdanek 1944 64 Die 14. Waffen-SS-Grenadier-Division „Galizien (Halytschyna)“ 79 Miss Baba 80 Die Besuche König Heinrichs IV. im Kloster Hersfeld 81 Unter dem Rößlein der Horsila 82 Die Belagerung von Mainz 1792 83 Der Kaufmann Heinrich Cramer aus Leipzig 84 Das oberschlesische Industrierevier 85 Die „Grumbachschen Händel“ 86 Adam Opel 87 Fulda-Gap 88 Franz von Sickingen 89 Johann Heinrich Gottlieb Hermann auf dem Wege zur Kaiserkrönung nach Frankfurt 90 Die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 91 Die Hussiten belagern Bautzen 92 Die Europastraße E40 – die VIA REGIA der Gegenwart 93 Marschziel: Heimat 94 Die Jakobsmuschel immer im Blick 95 Der Kölner Köbes 96 Wo ging’s lang? 97 Der Erlebnisradweg „VIA REGIA – Kulturstraße des Europarates“ 98 „Der Weg hat sich gelohnt“ 99 Das Netzwerk „VIA REGIA – Kulturstraße des Europarates“ 100 Quellennachweis 5 75 01 Das Geleitshaus in Erfurt – ein europäisches Informationszentrum Mit der raschen Entwicklung des Fernhandels seit dem 11. Jahrhundert wurden wichtige öffentliche Straßen unter königlichen Schutz gestellt und darum Reichs- oder Königsstraßen (VIA REGIA) genannt und zu den Ho- heitsrechten, den sogenannten Regalien gezählt. Wie andere Regalien, so konnten auch die Reichsstraßen nur durch kaiserliche Belehnung in die Hände einzelner Fürsten übergehen, behielten aber auch dann unverändert ihre Natur als Reichsstraßen. Da Jeder, der sie benutzte, unter dem Land- oder dem Königsfrieden stand, so waren die Inhaber der Straßen verpflichtet, für die Sicherheit der Reisenden Sorge zu tragen. So entstand schon früh das Geleit. Dasselbe wurde dadurch ausgeübt, dass der Geleitsherr durch die Aufstellung von Bewaffneten für die Sicherheit der Reisenden sorgte. Geschah dessen ungeachtet Straßenraub, so war der Geleitsherr ver- pflichtet, den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Natürlich gewährte man denen, welche kein Geleit genommen hatten, auch keinerlei Schadenersatz, zumal dann nicht, wenn sie die Königsstraße verlassen hatten. Zu dem Geleitsgeld gesellte sich bald auch noch die Unterhaltung der bewaffneten Geleitsreiter. Für den ein- zelnen Reisenden wurde deshalb das Geleit beinahe unbezahlbar. Man half sich dadurch, dass man einfach Geleitsbriefe ausstellte, kleine Zettel, und dafür eine bestimmte Abgabe erhob. Es erwuchs daraus bald eine reiche Quelle für die herrschaftlichen Einnahmen und da man diese später nicht wieder entbehren mochte, kam man endlich dahin, jeden zu zwingen, das Geleite zu kaufen. Seit dem 12. Jahrhundert waren die Landgrafen von Thüringen im Besitz des Geleitregals für ihr Territorium, das nach dem Aussterben des Geschlechtes der Ludowinger an die Wettiner überging. Die Zoll- und Geleits- gebühren wurden in Erfurt erhoben. Der Ort war bereits zu dieser Zeit ein Handelszentrum von europäischer Bedeutung. Seit 1605 war das „Haus zum güldenen Stern“, ein geräumiges Patrizierhaus im Zentrum der Stadt, das her- zoglich-weimarische Geleitsamt. 1664 wurde Erfurt, das bis dahin unter dem Schutz der sächsischen Landes- herren gestanden hatte, jedoch von kurmainzischen Truppen erobert und gehörte fortan als Enklave innerhalb des Herzogtums Sachsen-Weimar zum Kurfürstentum Mainz. Da der Weimarer Herzog weiterhin Geleitsherr für das Gebiet blieb, erwarb er um 1720 das weitläufige Gelände um das „Haus zum güldenen Stern“. Das Bauwerk diente weiterhin als Geleitshaus, war aber nun gleichzeitig Eigentum
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