Plenarprotokoll 13/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 290 A Fragestunde, für die Aktuellen Stunden Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ sowie der Vereinbarung über die Befragung DIE GRÜNEN 292 C der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 12. Dezember 1994 259 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 294 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 295 C Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanz- Ingrid Matthäus-Maier SPD 296 D lers Achim Großmann SPD 297 B (Fortsetzung der Aussprache) Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 299 A Wolfgang Thierse SPD 259 B Elke Ferner SPD 300 A Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBWFT 263 A Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 301 B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 303 D NEN 267 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. 268B GRÜNEN 305 C Hans-Werner Bertl SPD 270 B Manfred Grund CDU/CSU 306 C - Eckart Kuhlwein SPD 270 C Horst Friedrich F.D.P. 307 B 271 A Dr. Ludwig Elm PDS Dr. Dagmar Enkelmann PDS 309 D Dr. Peter Glotz SPD 272 D, 282 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident Nächste Sitzung 310 D (Bayern) 276 B, 283 A Dr. Peter Glotz SPD 277 B Anlage 1 Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ Liste der entschuldigten Abgeordneten 311* A DIE GRÜNEN 277 D Horst Kubatschka SPD 278 A Anlage 2 279 C Jörg Tauss SPD Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Tages- Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜND ordnungspunkt: Regierungserklärung des NIS 90/DIE GRÜNEN 281 A Bundeskanzlers (Fortsetzung der Ausspra- Achim Großmann SPD 283 D che) Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 287 B Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister 311* C Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 288 C BMPT Otto Reschke SPD 289 B Anlage 3 Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 289 C Amtliche Mitteilungen 312* D Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1994 259 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Guten Morgen, und einer Deutschen Akademie der Wissenschaften liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Sitzung ist eröff- zunächst ganz freundlich interpretieren. net. Aber manche Äußerungen von Herrn Schäuble und Interfraktionell ist vereinbart worden, daß in der von Ihnen, Herr Rüttgers, nähren das Mißtrauen, ob Sitzungswoche vom 12. Dezember 1994 mit Rücksicht hier nicht vor allem ein Propagandainstrument für auf die Haushaltsberatungen keine Befragung der technischen und wissenschaftlichen Fortschritt zur Bundesregierung, keine Aktuellen Stunden und Überwindung von lästiger Technikfeindlichkeit und keine Fragestunden stattfinden. Sind Sie mit der lästiger Fortschrittsskepsis entstehen soll und weniger Abweichung von der Geschäftsordnung einverstan- ein offenes Diskussionsforum, ob hier nicht auch ein den? — Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann Renommierprojekt in Gang gesetzt werden soll, des- können wir so verfahren. sen Gestehungskosten vorhandene Wissenschaftsin- Wir setzen die Aussprache zur Regierungserklä - stitutionen, vorhandene Akademien zu bezahlen rung des Bundeskanzlers fort: haben. Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Beifall bei der SPD) mit anschließender Aussprache Sie, Herr Rüttgers, werden Ihre bisher eher vage Idee Ich erinnere daran, daß wir am Mittwoch für die konkretisieren müssen, um die Zweifel zu überwin- heutige Aussprache vier Stunden beschlossen ha- den. ben. Wir beginnen mit den Bereichen Bildung, Wissen- Meine Damen und Herren, das Bewußtsein der schaft, Forschung und Kultur. gemeinsamen Herkunft und der Wille zur gemeinsa- men Zukunft, so hat der Bundeskanzler in seiner Das Wort hat unser Kollege Wolfgang Thierse. Regierungserklärung gesagt, seien Voraussetzungen für die innere Einheit der Deutschen. Richtig! Er hat Wolfgang Thierse (SPD): Frau Präsidentin! Meine hinzugefügt: sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanz- Dazu gehört, daß wir sowohl die Geschichte der ler hat in seiner Regierungserklärung von der Not- wendigkeit einer geistigen Standortbestimmung ge- alten Bundesrepublik als auch jene der früheren DDR als untrennbare Teile unserer gemeinsamen sprochen. Dem ist durchaus zuzustimmen, auch wenn Vergangenheit verstehen. die Regierungserklärung selbst gewiß kein sonderlich guter Beitrag dazu war. Aber wir wollen sie auch nicht (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Sehr wahr!) an allzu hohen Erwartungen messen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich will dem ausdrücklich zustimmen. Aber in Wirk- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der lichkeit tun Sie das genaue Gegenteil. Die von Ihnen PDS) forcierte Art des Umgangs mit der DDR-Vergangen- heit, die gegen die SPD gerichtete Rote-Socken- Es ist richtig: In den nächsten Jahren geht es in Wahlkampfkampagne, das hysterische Gerede von Deutschland nicht nur um eine enorme ökonomische Komplizenschaften — dies alles befördert eben nicht und soziale Aufbau- und Umbauleistung, sondern Verstehen, sondern Ressentiments und Vorurteile. auch und ebensosehr um eine demokratische und intellektuelle Aufbauleistung, um den Streit und die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Einigung darüber, auf welche Art der Zukunftsorien- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der tierung für unser Land, auf welche Art von Fortschritt PDS) in Wissenschaft und Technik die Gesellschaft sich wird verständigen können. Das hat Politik nicht allein Günter Gaus hat vor Jahren einmal gesagt: Wer und nicht zuerst zu entscheiden. Sich Rat zu holen ist über die deutsche Einheit nachdenkt, muß darüber also nicht verwerflich, im Gegenteil. So will ich denn nachdenken, wie Deutschland mit seinen Kommuni- Ihre Vorschläge zur Bildung eines Technologierates sten lebt. Als Gaus dies äußerte, waren die Kommu- 260 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1994 Wolfgang Thierse nisten noch an der Macht. Sie sind es zum Glück nicht Aber Ihre Politik für Ostdeutschland, die uns in den mehr. nächsten Jahren erwartet, wird, fürchte ich, für viele (Beifall bei der SPD) wieder zur Enttäuschung werden. Aber wir sollten im Gausschen Sinne nachdenken, (Zuruf von der CDU/CSU: Thema!) gelassener als bisher. Denn die Kommunisten sind zwar erheblich weniger geworden, aber sie sind Ich will nur ein paar Beispiele nennen. Wann und natürlich nicht vollständig verschwunden, sie sind wie eigentlich wollen Sie für eine wirkungsvolle noch da. Ein Teil von ihnen hat sich eine Nachfolge- Begrenzung der Mietenexplosion in Ostdeutschland partei geschaffen, die aus der SED stammt, gewiß, mit sorgen? Wann fällt der unsinnige, lebensfremde und dieser aber nicht mehr identisch ist. Mit dieser Partei willkürliche Stichtag, der automatisch redlichen von gilt es, sich politisch auseinanderzusetzen und nicht so unredlichem Erwerb von Wohnimmobilien unter- scheidet? kleinkariert und kleinmütig, wie das CDU und CSU in den letzten Tagen z. B. gegenüber Stefan Heym (Beifall bei der SPD) praktiziert haben. Das war peinlich und unangemes- Wieso halten Sie stur am Privatisierungszwang fest, sen. dem Wohnungsgesellschaften unterliegen, wenn sie Altschuldenhilfe beanspruchen wollen? Wann fallen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten die nicht zu rechtfertigenden strafrechtlichen Ele- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) mente im Rentenüberleitungsgesetz? Wann kapieren Sie werden mir hoffentlich glauben, daß ich nach Sie endlich, daß Rentenrecht kein Strafrecht sein DDR-Erfahrung und nach der Erfahrung eines ziem- darf? lich brutalen PDS-Wahlkampfes gegen mich (Beifall bei der SPD) (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Mir kommen Wann endlich ringen Sie sich dazu durch, einer die Tränen!) Neuregelung des § 218 zuzustimmen keinen Anlaß zu freundlichen Gefühlen gegenüber (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben die der PDS habe. falsche Rede, Herr Thierse!) (Beifall bei der SPD) — nein, nein —, die der Würde der Frauen entspricht und eben auch ostdeutschen Erfahrungen? Aber ich sage genauso: Wenn wir die Auseinander- setzung nicht selbstbewußt und offensiv, differenziert (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und großzügig zugleich und an den demokratischen Von der Förderung der mittelständischen Unter- Grundwerten orientiert führen, dann wird das eben nehmen ist in Ihrer Koalitionsvereinbarung die Rede. keine Einladung zur Demokratie für diejenigen sein, Das ist notwendig, aber fast zu spät. Ohne eine die der Demokratie immer noch ziemlich fremd Regelung des Altschuldenproblems wird es nicht gegenüberstehen. gehen. Und so weiter und so fort. Das sind Fragen, (Beifall bei der SPD) meine Damen und Herren, für deren Beantwortung man sich in Ostdeutschland brennend interessiert. Wenn es nicht gelingt, geschichtliche Prägungen, gewachsene Identitäten der Ostdeutschen zu erken- Wenn Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung davon nen und zu respektieren, dann wird das eben immer reden — Herr Krüger hat gestern auch davon gere- det —, daß es sinnvoll sei, aus den ostdeutschen wieder jene wütende oder beschönigende Vergan- genheitsfixierung unterstützen, für die die PDS auch Erfahrungen der zurückliegenden Jahre zu lernen, steht. dann stimme ich dem ausdrücklich zu. Das wäre ein Schritt wirklicher Gleichberechtigung. Aber warum (Beifall der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD]) muß als Beispiel dafür ausgerechnet das Beschleuni- gungsgesetz des Herrn Krause herhalten? Ich habe Stigmatisierung und Ausgrenzung sind der Nährbo- etwas dagegen, daß ostdeutsche Erfahrungen zum den, auf dem die PDS gedeiht, und CDU und CSU Abbau demokratischer Errungenschaften
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