Bischof Von Passau (1191-1204) Und Patriarch Von Aquileja (1204-1218) Als Kirchenfürst Und Literaturmäzen

Bischof Von Passau (1191-1204) Und Patriarch Von Aquileja (1204-1218) Als Kirchenfürst Und Literaturmäzen

Wolfger von Erla Bischof von Passau (1191-1204) und Patriarch von Aquileja (1204-1218) als Kirchenfürst und Literaturmäzen Herausgegebenvon EGON BOSHOF " FRITZ PETER KNAPP Heidelberg 1994 UniversitätsverlagC. Winter asýý,g-, 345 Der Hof des Kirchenfürsten Wolfger von Erla und die Literatur um 1200 von Fritz Peter KNAPP (Kiel) Im Jahre 1975hat Hedwig Heger in Passaueinen Vortrag über unge- fähr dasselbeThema gehalten; welches im folgenden behandelt werden ' soll. Sie faßt darin wichtige Ergebnisse ihres grundlegenden Buches über Wolfgers Reiserechnungen "und Literaturmäzenatentum zusam- men? Literatur- und kulturhistorische Informationen läßt auch der Historiker Werner Goez in sein 1983 entworfenes Lebensbild des Bischofs reichlich einfließen. ' Der Hofgesellschaft im Umkreis Wolf- gers, der Rolle Wolfgers als Promotor des gelehrten Rechts und als Gönner deutscher Dichter sowie einzelnen herausragenden Gestalten unter diesen Dichtern sind spezielle Beiträge zum vorliegenden Sammelband gewidmet. Trotz allem darf darin ein überblicksartiger lite- rarhistorischer Artikel wohl nicht fehlen, der Hegers und Goez' Darstel- lungen zugrundelegt, im Anschluß an neuere Forschung allerdings die Gewichte ein wenig, anders verteilt, insbesondere das lateinische Element etwas stärker zur Geltung bringt. Der Beitrag ist wie die übri- gen des Sammelbandes als Vortrag für das Passauer Symposion konzi- piert worden, dessen wissenschaftliche Ernte er auch in seiner überar- beiteten Druckfassung keinesfalls einzubringen gedenkt. Zwar greift er mehrfach wichtige Ergebnisse der Tagung auf, strebt jedoch nicht nach umfassender Zusammenschau, sondern nach einem eigenen Zugang zur Materie. * Hedwig Heger, Bischof Wolfger von Passau und die deutsche Literatur des Hochmittelalters, Ostbairische Grenzmarken 19 (1977), S. 76-85. 2 Hedwig Heger, Das Lebenszeugnis Watthers von der Vogelweide. Die Reise- rechnungen des Passauer Bischofs Wollger von Erla, Wien 1970. Werner Goez, Wolfger, Bischof von Passau, Patriarch von Aquileia (t23.1.1218), in: Ders., Gestalten des Hochmittelalters, Darmstadt 1983, S. 293-314. 346 FRITZ PETER KNAPP Es tut Hedwig Hegers hervorragender editorischen Leistung keinen Abbruch, wenn sich nicht alle ihre Urteile voll bestätigen lassen. Sie glaubte seinerzeit, Wolfgers Gönnertum verteidigen zu müssen mit dem Hinweis, finsterer Asket", er sei eben kein sondern ein weltoffener Mensch mit Sinn für die das Leben verschönenden Künste" gewesen4 Solcher Apologie bedarf es gewiß nicht. Schon ein kurzer vergleichender Blick auf Wolfgers Amtskollegen lehrt, daß ein Reichsbischof um 1200 als Landesherr dieselben Amtspflichten zu erfüllen und sich einer ebenso repräsentativen Hofhaltung zu befleißigen hatte wie ein weltli- cher Reichsfürst, ohne deshalb für unfromm gelten zu müssen. Unter- schiede gab es allerdings bei der Wahl der Mittel der Herrschaflsaus- übung'und der Zusammensetzung der Hofgesellschaft. Die Zahl der Kleriker aller Art war im Umkreis eines Bischofs natürlich beträchtlich höher als an einem weltlichen Fürstenhof, obwohl hier wie dort von weltlich-geistlichen Gesellschaft ist einer gemischten auszugehen .5 Dementsprechend spielte am Bischofshof die lateinische Sprache und Gelehrsamkeit eine größere Rolle, sowohl bei der Abwicklung der Verwaltungs-, Rechts- und Handelsgeschäfte als auch bei der Gestaltung der Mußestunden. Mit einer Dominanz religiöser Inhalte der Texte, die bei Hofe vorgetragen wurden, konnte dies einhergehen, mußte es aber keineswegs, schon gar nicht südlich der Alpen, wo die Tradition des laikalen Schulwesens nie so radikal abgebrochen wurde wie in anderen Teilen des antiken Römischen Reichs. Ein berühmter Vertreter der im 12. Jh. in Italien neu aufblühenden Kunst der Rhetorik überliefert uns in seinem großen Briefsteller, der Rhetorica antiqua, das folgende Stück, das ich verkürzt in Übersetzung so wiederzugeben versuche: Ein Brief, den ich an den Patriarchen von Aquileja gerichtet habe: tief in Schlaf Ichschlief und war versunken und erwachend begann ich, mit Bewunderung über die Etymologie Eures Eigennamens zu grübeln, als ich ein Lamm sah, wie es einen Wolf herumkehrte und gegen die Bedeutung des Wortes und die gewohnte Wesensart auf seinen Rücken trat. Denn Wolfcherus ist deutsch und heißt auf Latein `lupum volvens' (den Wolf kehren). Aber ich sage in Anbetracht der offenkundigen Wirkung: Das Lamm ist der Wollkehrer und der Wolf von seiten seines Namens ein so bedeutendes Wesen, welches leidet und als Untertan Das Lamm freilich fürchtete getreten wird. die Wolfsgier nicht, da es an Heger (Anm. 1), S. 77. 5 Vgl. die Beiträge von Franz-Reiner Erkens und Uwe Kleves in diesem Band. Wolfgers Hof und die Literatur um 1200 347 der Lanze des Glaubens das Banner der Liebe trugrund geschützt war vom Zeichen des Kreuzes. Freilich 'ging von ýeiner- alten und üblen Wurzel ein Funke -aus, der die Spitzen der Schaffelle zu versengen schien. Dem Schaf vergleiche ich Euch, der Welt den Wolf, ohne mich nach dem allegorischen Sinne auszudrücken" (Vermutlich"meint-der Autor hier die heilsgeschichtliche Auslegung auf Christus. Er führt nämlich die Allegorie durchaus noch weiter, ehe er das Thema wechselt und fortfährt: ) Im übrigen muß ich solche Gedanken über die Myste- rien der Heiligen Schrift hintanstellen und zum dringenden; Gegen- stande übergehen, da der Nordwind der Ergebenheit sich erhebt, der Südwind der Treue kommt, in den Garten der Dienstbereitschaft weht und die Wohlgerüche Eurer Wohltaten mit seinem Wehen duften läßt. Aber wer wird mir die Flügel gleichsam eines Adlers verleihen, um zwischen Himmel und Erde zu fliegen, damit ich meinen gütigen Vater und besonderen Wohltäter wiedersehen kann, der mich in seinem Schoße mit dem Kusse seines geweihten Mundes empfing, mit der Bezeugung seiner Gunst umkleidete und im Beisein der Scholaren mit Purpur schmückte, in Ansehung der Verdienste um die Wissenschaft, nicht meiner Person. [... ] Was ich schließlich Eurer Exzellenz darbringen werde, weiß ich noch nicht, da von den Magiern dem Herrn Gold, Weih- rauch und Myrrhe dargebracht wurde, ich aber (nur) mein Salz habe, mit dem ich die Herzen und Charaktere der meisten gesalzen habe. Salz werde ich also Eurer Herrschaftlichkeit nicht darbringen, sondern mich selbst, und mich selbst kann ich nicht darbringen, weil ich mich Euch schon einmal dargebracht habe, und den Dargebrachten zurückrufen darf ich nicht, da ich mit Genehmigung in Eure Herrschaft übergegan- gen bin. Dafür flehe ich demütig und inbrünstig denjenigen an, welcher die Erde mit seiner Hand umschließt und welchem Himmlische und i Irdische dienen, er möge mir durch die Gunst seiner Gnade gewähren, daß ich es immer noch verdiene, bei Eurem Fußschemel zu sitzen, wo meine Seele vom Troste Eurer herrschaftlichen Gegenwart wieder erquickt werden kann u6 Die Übersetzung folgt dem lateinischen Text einer GrazerHandschrift, hg. v. Anton'E. Schönbach, Beiträge zur Erklärung altdeutscher Dichtwerke II, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, philoso- phisch-historische Klasse 145,Jahrgang 1902,Wien 1903,9. Abhandlung, S. 12f.: (Graec. 13c) Liuere, quas direxiAquileiensi patriarche. (13d) Dormivi et sopo- ratus sum (Psalm. 3,6) et evigilans cepi cun: admiratione in ethimologia vestri I 348 FRITZ PETER KNAPP Auch wenn man die genregemäßehyperbolische und zumindest teil- weise ironische Rhetorik dieses Musterbriefes in Rechnung stellt, darf man annehmen, daß der Verfasser tatsächlich einige Male am Hofe Wolfgers in Aquileja freundliche Aufnahme gefunden, hier einiges aus seinen Werken vorgetragen und dafür eine hohe Ehrung empfangen hat. Es handelt sich um den um 1170 im toskanischen Signa geborenen und etwa 1240 in Florenz gestorbenen Rhetor Boncompagno, der 1215 für die vor dem Collegium der Professoren des Zivil- und Kirchenrechts in Bologna vorgetragene Rhetorica antiqua den Lorbeerkranz erhielt. nominisproprii meditari, cum vidi agnum volviere lupum in giro et ipsius dorsum contra significationem vocis et consuetam rei naturam calcare. ia fficherus enirrt theutonice, latine dicitur 'lupum volvens: sed ego, effectunt considerans mani- festum, dito: agnus es: lupum volvens, et lupus est de parte nominis tanta res, que patitur et subicibiliter conculcatur agnus quident non tintebat rapacitatem lupinant, quia in hastili ftdei karitatis ferebat vexillunt et crucis eras signaculo premunitus. verumtamen de quadam vetusta et vitiata radice procedebat ignicu- lus, qui summitates vellerum adurere videbatur, agno quident vos assirrtilo, et mundo lupum, sine mistico intellectufiguro. I... I ceterum postpositis his, que ad sacrarum pertinent misteria scripturarum, me ad material:: supervenientetrt transferre compel/or, quia surgit aquilo devotionis, venit Auster fidelitalis, perfat in hortulurn servitionis et facit beneficionun vestror un aromata Buis fatibus redolere. sed quis dabit michipennas tanquam aquile (Psalm. 54,7), lit volitem inter celum el solunt ad hoc. quod revidere valeam benignissintum pattern meum et benefactorem precipuur, qui me sacrati oris osculo recepit in sinum, de sue benevolentie munere investivit me et in presentia scolariunt purpuravit, considerans merits scientie, non persone. [... } dentunt quid e cellen- tie vestre offeram, jam ignoro, quoniam (14a) a magis aunun, thus et rrtirra habeo, Domino sunt oblata, verumtamen meum salem cum quo sah vi corda et ingenia plurimorum. salem ergo dominationi vestre non offeranr, sed fite ipsurrt, et me ipsum offerre non possum, quia semeljam vobis me obtuli, nec licet revo- care oblatum,

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