Songs to my Viol Die Geschichte der Viola da Gamba als Soloinstrument zur Gesangsbegleitung. Eine Quellenstudie. Masterarbeit Sommersemester 2014 DI Georg Kroneis, BA BA ANTON BRUCKNER PRIVATUNIVERSITÄT für Musik, Schauspiel und Tanz Hagenstraße 57 | 4040 Linz | T +43 732 701000 0 | E [email protected] | W www.bruckneruni.at DI Georg Kroneis, BA BA Songs to my Viol Die Geschichte der Viola da Gamba als Soloinstrument zur Gesangsbegleitung. Eine Quellenstudie. Masterarbeit an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz betreut durch Univ. Doz. Dr. Hans Georg Nicklaus & Claire Pottinger-Schmidt im März 2014 Graz Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Einleitung 7 1. Italien - con un uiolone sonando tutte le parti, et cantando il soprano 16 2. England vor 1625 - or better with the Viole alone 38 3. England nach 1625 - Before I went to church I sang Orpheus' Hymn to my viall. 58 4. Frankreich - s'accompagner soy-même 77 5. Deutschsprachiger Raum - wann du sie selber singst/ Und die Violdegam in sanffter Stimmung zwingst 89 6. Nach der Französischen Revolution, 1789 - How she keeps her passion in her voice and her instrument at the same time. 95 Literaturverzeichnis 99 Abbildungsverzeichnis 114 Textanhang 116 Notenanhang - Register 132 2 Vorwort WAS in der Vergangenheit war und WIE es war, ist die eine Sache, aber WARUM es war, ist eine Frage, deren wiederholtes Nachgehen einen Weg bahnt. Stellt sich bloß die Frage, will man den ausgetretenen Pfaden nachwandern, oder neue ebnen. Kann man denn das WARUM authentisch nachvollziehen, wenn man den bereits ausgetre- tenen Trampelpfaden nachhirscht? Müsste man nicht selbst dem hohen Gras die ersten Spuren einprägen, um dem Ursprung von Beweggründen auf den Grund zu gehen? Natürlich ist es akademisch gesehen jedes Mal eine Sensation, ein inneres Feuerwerk, etwas Neues im passenden Zusammenhang zu entdecken. Aber genügt es, diese Oberfläche nachzumodellieren? Genügt es, die originalen Objekte, die alte Artikulation, stilsichere Verzierungen, ja sogar den passenden Stimmton zu wählen, oder könnte Authentizität auch bedeuten, dass man die Aussage begreift, den Sinn versteht und daraufhin eine Situation generiert, in der das ganze Volumen, das von dieser Oberflächlichkeit verhüllt ist, re-initialisiert wird? Keine Reproduktion der Oberfläche sondern Produktion durch Wiederherstellung der nachvollzogenen Originalidee: Für dieses Ziel möchte die vorliegende Arbeit eine Basis schaffen. Verkehrsstau, Vogelschwarm und Kreativität - ein und dasselbe Phänomen. Wenn Sie das nächste Mal im Stau stehen und sich fragen, was wohl der Grund dafür sein mag, überlegen Sie für einen Moment, dass nicht immer nur rote Ampeln, der Auffahrunfall hinter der Kuppe oder der Traktor mit Anhänger daran schuld sein müssen: An Freitagen ist es der Frühverkehr, an einem sommerlichen Samstag der Urlaubsstart Ihres Bundeslandes, und sonntags der Pendleralarm zurück in die Stadt. Hier wird offenkundig, dass nicht nur das Verhalten der einzelnen Autofahrer Auswirkung auf die Staumeldungen im Radio hat, sondern eben auch der Wochentag. Mit anderen Worten, allein aus der Beschreibung des Verhaltens einzelner Autofahrer - mit Hut, ohne Hut, GTI oder Ente - lässt sich das System VERKEHR nicht vollständig beschreiben und vorhersagen. Ihr Zeitverlust im Frühverkehr oder sonntags aussi nach Wien ist eine emergente Eigenschaft des Verkehrs, die nur verstanden werden kann, wenn man zusätzlich zum Verkehr auch noch das soziale und kulturelle Umfeld miteinbezieht. Wenn Sie das nächste Mal Sonntag früh mit dem Auto nach Tel Aviv wollen, und Sie sich wundern, weshalb dort 3 am Wochenende so viel Verkehr herrscht, erinnern Sie sich daran, dass es Kulturen gibt, deren Sonntag der erste Tag der Arbeitswoche ist :-) Emergenz taucht aus dem Zusammenhang auf. Das Erinnern ist, wie jeder Gedanke, wiederum ein Beispiel für die emergenten Eigenschaften Ihres Gehirns, die nicht aus dem Verständnis der Einzelteile, in diesem Fall der Nervenzellen, vernünftig erklärt werden können. Aus dem Zusammenspiel aller Nervenzellen tauchen Begriffe erinnerungshalber oder kreativ als Gedanken und Gefühle auf. Aus dem Arbeiten des Gehirns emergiert das Ich, das Sein, die Seele, oder wie Sie es auch immer nennen möchten. Alle Gedanken, die Sie und ich jetzt haben, emergieren aus dem Zusammenhang von Nervenzellen und können nicht durch das Verhalten einer einzelnen Zelle erahnt geschweige denn beschrieben werden. Genausowenig lassen sich Bewegung und Form eines Schwarmes Vögel vorhersagen, dadurch dass man beschriebe, wie sich ein einzelner Vogel verhält. Emergente Eigenschaften treten erst dort zu Tage, wo kleinere Elemente in größeren Einheiten zusammenwirken und miteinander interagieren. Ein Auto allein bildet keinen Stau. Einzelne Nervenzellen denken nicht. Und eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Kleiner Kreativitätstest zur Entspannung. Vervollständigen Sie wie im Beispiel: Eine einzelne Gehirnzelle kann nicht denken = ein einzelnes Organ nicht leben. Ein einzelner Vogel kann nicht schwärmen = ein einzelner Mensch nicht _____ . Folgenreiche Reihenfolge Lassen Sie uns ins Detail gehen. Während Sie diese Zeilen lesen, wandern Ihre Augen über die einzelnen Worte. Dass Ihre Augen nicht über die einzelnen Buchstaben wandern, ist schnell bewiesen: Die Rhnelfgoiee der Bhsabtcun irennalhb eneis Wreots tärgt ntihcs zum Leesfslus oedr Lsee-Vresätndins bei, solange sich der erste und letzte Buchstabe im Wort an Ort und Stelle befinden. Die Reihenfolge der Worte selbst zu vertauschen, kann aber bereits in den Sinn der Aussage eingreifen. Darüber hinaus lassen sich recht einfach mehrdeutige Kombinationen konstruieren, deren Sinn nicht im Detail, sondern nur aus einem größeren Kontext, einem weiter 4 gefassten Zusammenhang eindeutig erschlossen werden kann: DER GEFANGENE FLOH, DER GESUNDE TRANK, DIE KLEINEN KOSTEN. Manchmal ist aber auch bei korrekter Orthografie noch Mehrdeutigkeit vorhanden: „Sagte die Dame in der Schuhausstellung: Dieser Absatz ist mir zu hoch.“ oder „Der Kapitän ging von Bord und fürchtete sich nicht erkannt zu werden.“ Sinn und Zusammenhang Der Sinn eines Textes, eines Liedes, selbst eines Instrumentalstückes ist eine emergente Eigenschaft, die oft erst mit weiter gefasstem Blickfeld wahrgenommen werden kann: Wer zu nahe dran ist, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Doch wie viele Bäume braucht man für einen Wald? Wie viele Worte muss man in Betracht ziehen, um den Sinn einer Aussage zu begreifen? Jedenfalls mehr als drei. Das ist nebenbei bemerkt auch der Grund, über dem automatische Übersetzungs- programme ins Wanken geraten. Konzentriert sich eine Übersetzung nur auf ihre unmittelbare Umgebung, ist sie professionell zum Scheitern verurteilt. Es ist sogar absolut möglich, dass der Sinn eines Wortes, also sein Inhalt und seine Bedeutung, mehr benötigt, als die gesamte im Text zur Verfügung stehende Information. Cantare alla viola aus Castigliones Il libro del Cortegiano (Venedig, 1528) wurde je nach kulturellem Kontext und Wissensstand später übersetzt als sing to the lute (London, 1561), chanter sur la viole (Paris, 1585) oder solo song with viol accompaniment (Berger, 2006, S. 325). Selbst die Lektüre des gesamten Werkes lässt keine hundertprozentig eindeutige Übersetzung zu. Es muss erst der Kontext aus dem kulturellen Zusammenhang erschlossen werden, will man ein genaueres Ergebnis erzielen. Andererseits geben mitunter spätere Übersetzungen Aufschluss über deren eigenen zeitgenössischen Kontext. Wissenschaftliche Exaktheit ist dabei ein Gut, das nicht auf geschickter Meinungsmache davontreiben darf. (vgl. Ottersted, 1994, S. 19) Der Sinn jeder Aussage ist nun eine emergente Eigenschaft, die sich je nach Tiefgang erst im Zusammenhang mit der textlichen, sozialen und kulturellen Umgebung entfalten kann. Wird ein Zitat aus seinem Umfeld gerissen und unvollständig zitiert, kann die Aussage mitunter entstellt ja sogar in ihr Gegenteil verkehrt werden. Jean Rousseau schreibt 1687 in seinem Traktat über die Viola da Gamba, es gäbe vier Arten sie zu spielen. Der erste Satz des entsprechenden 5 Kapitels lautet On peut joüer de la Viole en quatre manieres differentes. Wenn man sich mit der Beschreibung der vier Arten zufrieden gibt und den Text nicht bis zum Schluss verfolgt, so wird man die fünfte Art, die Viola da Gamba zu spielen, einfach übersehen: Il y en a un cinquiéme. Das vorliegende Buch möchte daher umfassend die zitierten Stellen und Musikbeispiele soweit möglich als Originalbild oder zumindest als weitgehend originäre Umschrift zur Verfügung stellen, auf dass sich der interessierte Leser ein eigenes Bild der Lage verschaffen kann. Die originale Typografie wird, so weit der verwendete Schriftsatz das zulässt, beibehalten.1 Die Lektüre der Ausführungen steht dem geneigten Leser offen und möchte dem Erfassen größerer Zusammenhänge dienen. Zitate ohne Zusammenhang, Musik außerhalb ihres Kontexts, Musikwissen ohne kulturellen Rahmen kann nur sinnentstellt existieren, und ein Vogel allein kann nicht schwärmen. 1 z.B. euer lies: ever, uiolone lies: violone, vvhereof lies: whereof, etc. 6 Einleitung Orpheus revisited Die Kunst, den Vortrag einer Geschichte oder eines Liedes mit einem Saiten- instrument zu untermalen, hat ihr großes Vorbild in einem alten griechischen Mythos: Orpheus, dessen Verlangen nach seiner geliebten Eurydice ihn befähigt, mit seiner Musik Steine zu erweichen und wilde Tiere zu zähmen. Dessen Geschichte ist unter anderem Thema in Vergils Georgica (37-29 v. Chr.) und Ovids Metamorphosen (entstanden in den Jahren 15 v. Chr.
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