Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA­Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Samstag, 7. Dezember 2013 BÜRGER / REPORT Flucht der Fremden ­ Mitverschuldet, fortverdrängt Lampedusa in Hamburg ­ Nebel­ "Eines Rechtsstaates nicht würdig ­ bomben, Absichten, Wirklichkei­ ten... Rechtsanwältin Britta Eder Diskriminierung und Abschiebung der Roma und Sinti" im Gespräch Gespräch mit der Rechtsanwältin Menschenrechtssalon am 20. November 2013 Britta Eder am 15. November 2013 im Hamburger Museum für Völkerkunde in Hamburg Ist der Mensch tatsächlich des Men­ schen Feind, wie vielfach zur Letzt­ begründung staatlicher Herrschaft, die aufgrund ihres Gewaltmonopols einzig in der Lage sei, ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben zu ermöglichen ... (Seite 9) UMWELT / REPORT Fukushima ­ Kondolation der Profite "Energie, Macht und soziale Kämpfe in Japan nach Fukushima" Teil 2: Kommentar von Marina Sitrin und Fragen des Publikums Eine Veranstaltung des Bildungswerks Berlin der Heinrich­Böll­Stiftung am Rolf Becker zitiert aus Dokumenten schen Hintergrund der Problematik. 22. November 2013 ... (Seite 18) bürokratischer Verächtlichkeit Mittels Berichten und Fotos wurde Foto: © 2013 by Schattenblick ein Bild der derzeitigen Lage in den Herkunftsstaaten gezeichnet, Lesun­ Am 20. November fand im Foyer des gen und Musik bereicherten das Pro­ KALENDERTÜRCHEN Hamburger Museums für Völker­ gramm der Veranstaltung. kunde die Auftaktveranstaltung des Menschenrechtssalons statt, die un­ Unter der Moderation von Michail ter dem Thema "Eines Rechtsstaates Paweletz (NDR) diskutierten der nicht würdig ­ Diskriminierung und Schauspieler Rolf Becker, der An­ Abschiebung der Roma und Sinti" walt Dr. Christian Schneider, Bernd stand. Auf Einladung der Kirchli­ Mesovic von Pro Asyl, die Flücht­ chen Hilfsstelle für Flüchtlinge lings­ und Menschenrechtsbeauf­ "fluchtpunkt", des Ida Ehre Kultur­ tragte der Nordkirche Fanny Deth­ vereins und des Republikanischen loff, Matthäus Weiß vom Landesver­ Anwältinnen­ und Anwältevereins band Deutscher Sinti und Roma informierten Experten über den Schleswig­Holstein und nicht zuletzt rechtlichen, historischen und politi­ Tornado Rosenberg, der mit seinem Elektronische Zeitung Schattenblick Trio auch das vorzügliche musikali­ schen Zigeuners, der sich auf einer Im Jahr 1956 lehnte der Bundesge­ sche Rahmenprogramm gestaltete. nie endenden Bußfahrt befindet. richtshof Ansprüche von Roma, die Der Abend war in drei Gesprächs­ das KZ überlebt hatten, ab und be­ runden mit unterschiedlichen Die Frage, was bei der Begegnung zeichnete dabei ihre Deportation als Schwerpunkten gegliedert, was den dieser Volksgruppe mit der damali­ bloße Umsiedlung. In der Urteilsbe­ Zuhörerinnen und ­hörern Gelegen­ gen Gesellschaft schiefgelaufen ist, gründung wurden die "Zigeuner" als heit gab, sich mit verschiedenen müßte man nach Ansicht von Mat­ solche der Kriminalität bezichtigt. Aspekten des Themas vertraut zu thäus Weiß an die Mehrheitsgesell­ Ihnen fehle der sittliche Antrieb zur machen und zwischendurch wie auch schaft richten. Sie liebt den soge­ Achtung vor fremdem Eigentum, im Anschluß an die Veranstaltung re­ nannten Zigeuner, wenn er Musik weil ihnen ein ungehemmter Okku­ ge auszutauschen. macht, beim Lagerfeuer sitzt und pationstrieb eigen sei, urteilten unter Geschichten erzählt, doch neben und anderem Richter, die bereits der NS­ In Mühsal verbringe ich den Tag mit ihm leben will sie nicht. Staaten Justiz treue Dienste geleistet hatten. und die Nacht in Schmerz. grenzen Menschen aus, die einfach Daß dieser rassistische Blick keines­ Seufzer bringt die Dämmerung mir, nur leben wollen, aber die man nicht wegs ein bloßes Relikt vergangener weinend geht die Sonne auf. leben läßt. Sinti und Roma waren ur­ Zeiten ist, belegte Rolf Becker mit sprünglich seßhaft, sie arbeiteten als der Aussage eines Bremer SPD­Bür­ Nach dieser einleitenden Rezitation Goldschmiede, Restauratoren, Maler gerschaftsabgeordneten: "Sie kom­ las Rolf Becker aus den Akten drei­ und Musiker, bis man ihnen ihre Le­ men aus einer archaischen Welt. Vä­ er Roma aus Mazedonien und Mon­ bensgrundlage entzog. In den Län­ ter haben keine Hemmungen, ihre tenegro, deren Asylverfahren mit ei­ dern des Westbalkans leben die Ro­ Kinder zum Anschaffen und Stehlen ner Ablehnung endeten. "Eine allge­ ma heute von Müllhalden, indem sie statt zur Schule zu schicken. Sie meine extreme Gefahrenlage liegt aus den gesammelten Überresten ge­ schlagen ihren Frauen die Zähne aus, nicht vor, ergibt sich auch nicht aus ringfügigste Einkünfte erzielen. gönnen sich selbst Stahlzähne. Viele der wirtschaftlichen Situation", hieß junge Roma­Männer schmelzen sich es gleichlautend in den Begründun­ Die Zeiten, als sich der Komponist mit Klebstoffdünsten das Gehirn gen. Der niedrigste Lebensstandard Franz Liszt stolz als "Ersten Zigeu­ weg." Ähnliche Aussagen finde man auf dem Westbalkan abgesehen vom ner des ungarischen Königreiches" auch in Protokollen des Deutschen Kosovo, eine extrem hohe Arbeitslo­ bezeichnete, gehören der Vergan­ Bundestags, als Schröder und Fi­ senquote und massive Benachteili­ genheit an. Wie Rolf Becker berich­ scher neuen Kurs anlegten. Wie wol­ gung bei Bewerbungen, miserable tete, wird das Thema Sinti und Ro­ le man da von der breiten Bevölke­ Wohnungen, geringe Einkünfte, feh­ ma heutzutage in den Künsten rung erwarten, daß sie zur Besinnung lende Schulbildung der Kinder und kaum umgesetzt. Es gebe fast keine kommt! unablässige Anfeindungen geben aus sie betreffenden Theaterstücke, da Sicht deutscher Behörden mithin man andernfalls Angehörige dieser Wie Christian Schneider berichtete, keinerlei Anlaß, von menschenun­ Volksgruppen ins Ensemble holen waren Sinti und Roma in den 1970er würdigen und gefährdenden Lebens­ müßte. Darum aber machten Thea­ Jahren in Hamburg Mitbegründer der verhältnissen in den Herkunftslän­ terleute und Kulturpolitiker einen Stiftung "Hilfe für NS­Verfolgte". dern auszugehen. großen Bogen. Er selbst machte als Entschädigungsansprüche gibt es Kind in einem kleinen Dorf Schles­ demzufolge in unterschiedlichster Wie ein kurzer Blick in die Ge­ wig­Holsteins erstmals Bekannt­ Form, wobei die Hamburger Stiftung schichte zeigt, hat die Ausgren­ schaft mit dem "fahrenden Volk". Menschen helfen will, die anderswo zung und Drangsalierung der Sin­ Nach dem Krieg waren die Dorfbe­ nichts bekommen und nur über ge­ ti und Roma eine lange Tradition. wohner zunächst erleichtert, als ringe Einkünfte verfügen. Nach dem Im 15. Jahrhundert kamen die Sin­ Sinti und Roma als Scherenschlei­ Zweiten Weltkrieg dauerte es Jahr­ ti als Flüchtlinge vor den Türken fer und Kesselflicker wieder auf­ zehnte, bis Sinti und Roma über­ nach Mitteleuropa, und weil sie tauchten. Wohnen durften sie je­ haupt als Opfer wahrgenommen Christen waren, erhielten sie zu­ doch nicht im Dorf, da man ihnen wurden. Nicht selten waren die Tä­ nächst Schutzbriefe. Schon 1498 nachsagte, daß sie des nachts Wä­ ter von einst längst wieder in Amt wurden sie jedoch als angebliche sche oder gar kleine Kinder stehlen. und Würden. türkische Spione vom Freiburger Nicht zuletzt zog man in Zweifel, Reichstag für vogelfrei erklärt. Es daß die "Zigeuner" im KZ umge­ Dennoch bekräftigt Matthäus Weiß, war ihnen daraufhin jahrhunderte­ bracht wurden ­ über 500.000, wie daß man aus der grausamen Vergan­ lang nicht erlaubt, sich niederzu­ man heute weiß. So wurden die Tat­ genheit keinen Haß begründen dür­ lassen und einen Beruf auszuüben. sachen verdrängt, die Vorurteile fe, da dieser wiederum zu neuem So entstand das Bild des teufli­ hatten weiterhin Bestand. Haß führe. Die Generation der Groß­ Seite 2 www.schattenblick.de Sa, 7. Dezember 2013 Elektronische Zeitung Schattenblick mütter und Großväter, die das KZ überlebten, habe ihre Selbstachtung bewahrt: "Sie haben die Sinti und Roma damals nicht ausgerottet, und das wird auch nie passieren, außer man nimmt uns den Stolz und den Respekt voreinander. Aber das wird keinem gelingen." Viele Menschen der Mehrheitsgesellschaft erzählten ihren Kindern, was die "Zigeuner" angeblich alles machen. Dabei ver­ halte es sich genau umgekehrt. Sei­ ne Familie habe mehr als 100 Men­ schen im KZ verloren, und doch has­ se er nicht, wenn er einem blonden Deutschen auf der Straße begegne. Man müsse begreifen, daß die heuti­ ge Generation nichts mit den Greu­ eln von damals zu tun hat. Was man Kleine Gesprächsrunde ­ aber nicht begreifen und den eigenen Christian Schneider, Matthäus Weiß, Moderator Michail Paweletz Kinder und Enkeln nicht erklären Foto: © 2013 by Schattenblick könne, sei dies: Die überlebenden Täter haben ihre Kinder nicht aufge­ rellen Menschenrechte, die ihnen sy­ ge auf höhere Weisung umsetzt. So klärt, sondern im Gegenteil in neuen stematisch vorenthalten werden. werden die Verfahren gegen Roma Posten und Ämtern weitergemacht Dem fügte Rolf Becker hinzu, daß im Zuge einer Entmutigungsstrategie wie zuvor und Urteile über Sinti und die Roma im Kosovo unter unmittel­ vorgezogen, damit schneller abge­ Roma gefällt, die im KZ waren. Er barem Druck der UCK­Nachfolgeor­ schoben werden kann. Kurze Fristen selbst habe 22 Jahre gebraucht, um ganisationen stehen, während ihre reduzieren wiederum die Möglich­ Schutz und Förderung der Sinti und wachsende Ablehnung in Serbien keiten der Antragsteller, Zugang zu Roma in der Landesverfassung insbesondere mit der Verarmung der Anwälten zu erlangen. Zudem habe Schleswig­Holsteins festschreiben serbischen Bevölkerung zugenom­ der Bundesinnenminister
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