Jahrhundert-Hochwasser 2005

Jahrhundert-Hochwasser 2005

10 Jahre danach Jahrhundert-Hochwasser 2005 Maßnahmen und Strategie Inhalt Das Jahrhundert-Hochwasser 2005 8 Extreme Niederschläge im August 2005 10 Hochwasser in allen Flüssen und Bächen des Landes 14 Schäden durch das Hochwasser 10 Jahre danach – Maßnahmen und Investitionen 2005 bis 2015 19 Investitionen 2005 bis 2015 22 Die wichtigsten Hochwasserschutz-Maßnahmen 32 Interviews mit Betroffenen 34 Moderner Schutzwasserbau – Die Grundsätze Die Hochwasserschutz-Strategie des Landes Vorarlberg 38 Integraler Hochwasserschutz 40 Gefahrenzonenplan 42 Vorhersage und Warnung 44 Blauzone Rheintal 46 Hochwasserrisiko-Managementplan 48 Interview mit Landeshauptmann Wallner und Landesrat Schwärzler 50 Links, Quellen, Hinweise Wasser: wertvoller Naturschatz und bedrohliche Naturgewalt Mit seinem Wasserreichtum verfügt das Land Vorarlberg über einen Boden- schatz von ganz elementarer Bedeutung, der die hohe Lebensqualität und die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich mitbegründet. Wasser kann aber auch zur Bedrohung werden. Das haben viele Menschen in unserem Land in der Nacht vom 22. auf den 23. August 2005 miterleben müssen. Seit diesem Jahrhundert-Hochwasser sind zehn Jahre vergangen. Doch die bitteren Stunden für unser Land sind noch in Erinnerung. Kleine, harmlose Bäche verwandelten sich in reißende Wildbäche, wichtige Stra- ßen- und Schienenverbindungen sind durch Muren gekappt und mehrere Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten worden. Zwei Menschen- leben und elf Verletzte sowie enorme Schäden an der Infrastruktur waren zu beklagen. Auf schmerzliche Weise hat uns die Katastrophe vor Augen geführt, dass es absoluten Hochwasserschutz nicht gibt, aber es ist unsere Verantwortung, in den Schutz vor Naturgefahren heute und in Zukunft weiter zu investie- ren. Es hat sich in den Stunden des Unglücks auch gezeigt, dass sich die erheblichen Investitionen in den Schutz unserer Siedlungen und unserer Infrastruktur und der Ausbau der regionalen Sicherheitsstrukturen hervor- ragend bewährt haben. Für das beherzte und professionelle Katastrophen- management ist allen damals Beteiligten ein großer Dank auszusprechen. Imponierend war zugleich, wie stark die Bevölkerung in Vorarlberg in den schweren Stunden zusammengerückt ist. Die Hilfs- und Spendenbereit- schaft, die Solidarität der Bevölkerung, waren vorbildlich. Auch in Zukunft ist entscheidend, dass wir uns die Gefahr des Wassers im Bewusstsein halten. Hochwasserschutz geht uns alle an! Landeshauptmann Landesrat Markus Wallner Erich Schwärzler 3 10 Jahre nach dem Jahrhundert-Hochwasser 2005 Das Hochwasser vom 22. und 23. August 2005 war eines der größten, das wir im Land Vorarlberg erleben mussten. Es kann tatsächlich als Jahrhundert- Hochwasser bezeichnet werden. Die Niederschläge und Abflüsse waren vergleichbar mit dem Hochwasser des Jahres 1910. Bei der historischen Betrachtung zeigt sich auch, dass das Land Vorarlberg besonders in den Jahren der intensiven Aufbauzeit zwischen 1950 und 1999 vor großen flächendeckenden Hochwasser-Ereignissen verschont blieb. Das zeigt sich beispielhaft an den unten dargestellten Aufzeichnungen der Niederschlagsstation in Bizau. 1. Jan 1900 1. Jan 1910 1. Jan 1920 1. Jan 1930 1. Jan 1940 1. Jan 1950 Reihe der größten Tagesniederschläge pro Jahr seit 1910 an der Messstation Bizau 4 194 mm 190 22.08.2005 180 170 Integraler Hochwasserschutz als Gebot der Stunde Unmittelbar nach dem Hochwasser 2005 wurde der „Integrale Hochwasser- 160 schutz“ als Strategie des Landes definiert. Das bedeutet ein Zusammenspiel von verschiedenen Maßnahmen der Vorsorge im Bereich Raumplanung, 150 im privaten und betrieblichen Bereich, beim Schutzwasserbau als auch beim Katastrophenschutz. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass ein absoluter Schutz vor Hochwasser nicht möglich ist. Wir müssen ein gewisses Risiko 140 akzeptieren und richtig damit umgehen. 130 Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser Die Häufung von extremen Niederschlägen und Abflüssen in den 120 letzten 16 Jahren seit 1999 im Land Vorarlberg ist nachweisbar. Deshalb ist es wesentlich, auf die nächsten Ereignisse mit der richtigen Strategie 110 vorbereitet zu sein. Dazu soll diese Broschüre beitragen. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 1. Jan 1960 1. Jan 1970 1. Jan 1980 1. Jan 1990 1. Jan 2000 1. Jan 2010 mm 0 5 Teile von Lech versanken in den Wassermassen Aufräumarbeiten im verwüsteten Keller Das Jahrhundert-Hochwasser 2005 7 Extreme Niederschläge im August 2005 Extreme Niederschläge führten in der Nacht vom 22. auf den 23. August zum Jahrhundert-Hochwasser. Ursache für die starken Niederschläge war eine seltene Überlagerung von Warm- und Kaltfronten, die sich vor allem im Nordstaubereich der Schweiz, über Vorarlberg, das angrenzende Allgäu bis im westlichen Teil Tirols auswirkte. Ab dem Abend des 19. August gab es mit nur kurzen Pausen intensiven Regen. Am Nachmittag des 22. August wurden die Niederschläge intensiver und es regnete ohne Pause bis zum Vormittag des 23. August. Die Niederschlagssummen in diesen Gebieten betrug in 4 Tagen in der Spitze 300 mm. Das ist mehr als der Durchschnitts- wert des Niederschlags im gesamten August. In Innerlaterns wurde der seit Messbeginn im Jahre 1895 beobachtete Spitzenwert von 223 mm im Jahr 1999 überschritten. Niederschlags-Spitzenwerte 22./23.8.2005 (in mm) 14-Stunden Niederschlag am Walmendinger Horn 162 24-Stunden Niederschlag in Au 214 24-Stunden Niederschlag in Ebnit 220 24-Stunden Niederschlag in Innerlaterns 228 Monatswerte August 2005 Monatsniederschlag Innerlaterns August 2005 446 Langjähriger Mittelwert Innerlaterns im August 206 Langjähriger Mittelwert im August in Vorarlberg 194 Extreme Niederschlagssummen über 4,5 Tage am Nordalpenrand (Schweiz bis Salzburg) 8 Hörbranz 56.3 68.3 Bregenz Riefensberg 135.6 Doren 77.5 Fußach 51.7 57.9 Gaißau Bildstein 83.3 Hittisau Alberschwende 161.3 107.4 Lustenau 48 159.2 177.8 Egg 120.6 Bödele Sibratsgfäll Gütle 111.8 42.4 Bizau 194 Altach 77.8 48.1 Mäder Hohenems Meschach Au 214.3 Weiler Baad 171.4 55.5 Damüls 136.4 Meiningen 141.2 78.6 Innerlaterns 228 115.8 Fontanella 142.8 Thüringerberg 174.2 123.2 Blons Lech 150 Amerlügen Thüringen 140 Zug 125.5 Klösterle 105.4 Brand 120 81.5 Rodund Silbertal 65.5 64.8 148.9 Tschagguns Lünersee 149.6 Golm 97.8 77.3 Kops Vermunt 89.9 Tagessumme Niederschlag in mm 90.2 größter bisher beobachteter Wert Bielerhöhe am 22.8.2005 9 Hochwasser in allen Flüssen und Bächen des Landes Die extremen Niederschläge führten vor allem in den nördlichen und zentralen Teilen des Landes zu Ausuferungen der Bäche und Flüsse. Die Steilheit der Einzugsgebiete und die mittransportierten Kiesmengen ver- schärften die Kraft der reißenden Fluten. Sämtliche Gewässer im zentralen Landesteil überschritten die Bemessungswassermenge für den Ausbau (das sogenannte 100-jährliche Hochwasser: das ist der statistische Wert für die Hochwassermenge, die rechnerisch alle 100 Jahre einmal vorkommt). An der hinteren Ill und an den Bächen und Flüssen des Rheintals wurden geringere Mengen verzeichnet. Besonders stark betroffen war der Bregen- zerwald, das Arlberggebiet, das Laternsertal, das Klostertal, das Gargellen- tal, das Silbertal sowie der Walgau. Das Ausmaß der Hochwasserabflüsse ergab für viele Messstellen neue Spitzenwerte, die bisher nicht beobachtet wurden. Der Rhein hatte einen Spitzenabfluss von 2252 m³ im Vergleich zum Wert 2800 m³ im Jahr 1987. bis 2005 2005 Bregenzerach in Mellau 388 450 Abflusswerte 23.8.2005 Ill in Gisingen 554 689 im Vergleich zu bisherigen Litz in Schruns 62 94 Spitzen (in m³/s) 10 Leiblach Bregenz Dornbirn Rhein Dornbirnerach Bezau Bregenzerach Mittelberg Au Breitach Frutz Feldkirch Lutz Lech Lech Bludenz Alfenz Ill Schruns Litz Jährlichkeiten der Hochwasser- abflüsse am 22./23.08.2005 Suggadinbach >> HQ100* > HQ100 > HQ30 >= HQ10 * HQ100 ist die Abflussmenge eines Gewässers, die im statistischen Mittel einmal alle 100 Jahre erreicht wird. 11 Die Seltenheit dieses Hochwasserereignisses zeigt sich auch bei der Betrachtung der langjährigen Reihen der jährlichen Hochwasserspitzen. Diese Darstellung belegt die Vergleichbarkeit der Ereignisse mit jenen des Jahres 1910 und zeigt auch, dass ab den 50er-Jahren bis zum Jahr 1999 im Land Vorarlberg an den Hauptflüssen keine großen Hochwasserabflüsse auftraten. 1500 1350 m³/s Jahresreihe 1951 bis 2014 der höchsten Jahreshochwasser der Bregenzerach in Kennelbach 1113 1079 1000 500 0 m³/s 1951 1954 1957 1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 Als Folge dieser extremen Abflusswerte wurden die Bemessungswerte zur Dimensionierung der Hochwasserschutzmaßnahmen an den Haupt- gewässern des Landes angepasst. Der statistisch ermittelte Wert des HQ100 (Erklärung siehe Seite 11) musste erhöht werden. Die neuen Werte wurden für die Hochwasserschutzprojekte als Bemessungswerte zu Grunde gelegt. Gewässer Bemessungswert Abflusswert Bemessungswert Alt 2005 Neu Bregenzerach, Mellau 290 m³/s 450 m³/s 480 m³/s Bregenzerach, Kennelbach 1200 m³/s 1350 m³/s 1450 m³/s Ill 650 m³/s 689 m³/s 820 m³/s Dornbirnerach 300 m³/s 236 m³/s 325 m³/s Litz, Schruns 80 m³/s 94 m³/s 105 m³/s Bemessungswassermengen der Hauptflüsse des Landes vor und nach dem Hochwasser 2005 12 In Bezau wurden Bahndamm und Gleis des Wälderbähnles weggespült Einsatzkräfte evakuierten Bürger aus ihren Häusern im Schildried, Göfis Schäden durch das Hochwasser Rund 180 Millionen Euro betrug die Summe der durch das Hochwasser 2005 angerichteten Schäden in Haushalten und Firmen sowie an Infrastruk- turanlagen wie Hochwasserschutzbauten, Straße und Bahn.

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