Frank Rumscheid (Hrsg.) · Die Karer Und Die Anderen II III

Frank Rumscheid (Hrsg.) · Die Karer Und Die Anderen II III

I Frank Rumscheid (Hrsg.) · Die Karer und die Anderen II III Die Karer und die Anderen Internationales Kolloquium an der Freien Universität Berlin 13. bis 15. Oktober 2005 Herausgegeben von Frank Rumscheid Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH · Bonn 2009 IV Umschlag: Männlicher ‘Sphinx’, Akroterion des Androns B in Labraunda (Entwurf S. Biegert auf Grundlage einer Graphik von F. Rumscheid) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detailliertere bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. © 2009 by Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn Redaktion: Frank Rumscheid (Kiel) Satz: Susanne Biegert (Bonn) Druck: Druckhaus Thomas Müntzer, 99947 Bad Langensalza ISBN 978-3-7749-3632-4 V Inhaltsverzeichnis Frank Rumscheid Einführung VII Beziehungen zu den Anderen Michael Meier-Brügger Karer und Alt-Anatolier aus sprachwissenschaftlicher Sicht 1 Wolf-Dietrich Niemeier Milet und Karien vom Neolithikum bis zu den ‘Dunklen Jahrhunderten’. Mythos und Archäologie 7 Alexander Herda Karki™a-Karien und die sogenannte Ionische Migration 27 Alain Bresson Karien und die dorische Kolonisation 109 Winfried Held Die Karer und die Rhodische Peraia 121 Christopher Ratté The Carians and the Lydians 135 Hilmar Klinkott Die Karer im Achaimenidenreich 149 Werner Tietz Karer und Lykier: Politische und kulturelle Beziehungen im 5./4. Jh. v. Chr. 163 Frank Rumscheid Die Leleger: Karer oder Andere? 173 Bernhard Schmaltz Klassische Leitkultur und karische Provinz? Archäologische Zeugnisse im südlichen Karien 195 Vincenzo Ruggieri The Carians in the Byzantine Period 207 Einzelne Kulturäußerungen Wolfgang Blümel Zu Schrift und Sprache der Karer 221 Daniela Piras Der archäologische Kontext karischer Sprachdenkmäler und seine Bedeutung für die kulturelle Identität Kariens 229 VI Pierre Debord Peut-on définir un panthéon carien? 251 Pontus Hellström Sacred Architecture and Karian Identity 267 Abdulkadir Baran Karian Architecture Before the Hekatomnids 291 Poul Pedersen The Palace of Maussollos in Halikarnassos and Some Thoughts on Its Karian and International Context 315 Mathias Benter Das mykenische Kammergrab vom Pilavtepe 349 Adnan Diler Tombs and Burials in Daml@bo%az (Hydai) and Pedasa: Preliminary Report in the Light of Surface Investigations and Excavations 359 Anne Marie Carstens Tomb Cult and Tomb Architecture in Karia from the Late Archaic to the Hellenistic Period 377 Abuzer K@z@l 1990–2005 Y@llar@ Aras@nda Mylasa’da Kurtarma Kaz@lar@ Yap@lan Mezarlar ve Buluntular@ Üzerinde Genel Bir De%erlendirme 397 ‚smail Fazl@o%lu Daml@bo%az Finds: Inland Carian Archaic Pottery and Related Regions 463 Topographische Studien Mathias Benter Hydas, eine befestigte Höhensiedlung auf der Bozburun-Halbinsel 481 Mustafa ©ahin Alt-Myndos: Einige Betrachtungen zu Lokalisation und Stadtmauern 503 Numan Tuna – Nadire At@c@ – ‚lham Sakarya – Elif Koparal The Preliminary Results of Burgaz Excavations Within the Context of Locating Old Knidos 517 Deniz Pastutmaz Knidos im Licht der jüngsten Ausgrabungen: Der Theater-Dionysos-Tempel-Stoa-Komplex 533 Karki™a-Karien und die sogenannte Ionische Migration 27 Karki™a-Karien und die sogenannte Ionische Migration Alexander Herda Schlüsselwörter: Appaliuna™-Apollon, Arinnanda-Mykale, Ethnizität, Hartka-muwa-Artemis, Ioner, Karka-Karer, Karki™a-Karien, Migration, Milawanda-Milet, Panionion, Poseidon Helikonios, synkre- tistische Kulte Zusammenfassung: Die Historizität der sogenannten Ionischen Migration nach Westkleinasien steht au- ßer Frage. Indessen sind die Prozesse, die in der späten Bronze- und frühen Eisenzeit bei der Akkultura- tion und Ethnogenese der griechischen ‘Ioner’ sowie der indigenen luwischen und verwandten Völker, im besonderen der Karer, abliefen, nur in groben Zügen aufgeklärt. Die Gründe hierfür sind verschieden und werden im vorliegenden Beitrag zusammengefaßt: Zum einen steht für diese wichtige Periode die Siedlungsarchäologie in der Kontaktzone Südionien-Karien, geographisch der Bereich des Mäanderdeltas um die Poleis Milet, Priene und Myous herum, erst am Anfang. Zum anderen ist im Falle der Karer mit einer erhöhten Assimilationsbereitschaft zu rechnen, die diese Kultur bereits in der Spätbronzezeit zu kennzeichnen scheint. Ein weiteres Problem bilden schließlich die schriftlichen Quellen und ihre Interpre- tation: Die hethitischen Archive erweisen die griechisch-karische Kontaktzone um Milet-Milawanda als stark umkämpften Brückenkopf des mykenischen Reiches von Ahhijawa im 14./13. Jh. v. Chr. Mithin sie- delten also schon in der späten Bronzezeit Griechen im späteren Südionien, allerdings gegen den indigenen Widerstand des luwischen Königreiches von Arzawa-Mira, des Volkes der *Karka von Karki™a, dem spä- teren Karien, und der zentralkleinasiatischen Großmacht der Hethiter. Diese Überlieferung bricht aber während der sogenannten Seevölkerstürme Anfang des 12. Jhs. v. Chr. zur Zeit der Zerstörung von Troja VIIa, Hattu™a und Milet VI ab. Zum Zeitpunkt des Einsetzens der ersten griechischen Quellen (Homer, Hesiod) im späten 8. Jh. v. Chr. ist die in den sogenannten Dunklen Jahrhunderten (Mitte 11. – 1. Hälfte 8. Jh. v. Chr.) erfolgende erneute Migration von Griechen nach Westkleinasien bereits abgeschlossen. Das ‘ionische Ethnos’ hat sich um das zentrale Heiligtum des Poseidon Helikonios an der Mykale (Panionion) konstituiert. Die erhaltenen Gründungsmythen, ob kollektive (Ioner) oder individuelle (einzelne Poleis), dienen einer gräkozentrischen, retrospektiven Geschichtskonstruktion. Trotzdem: Einheitlich ist die Über- lieferung, was die mehr oder weniger gewaltsame Auseinandersetzung der griechischen Migranten mit den indigenen Völkern betrifft, etwa den Karern. Hier liegt demnach Erinnerung an tatsächliche Geschichte vor, wie dies am Beispiel des SH-III-C-zeitlichen bis submykenischen, ‘karischen’ Milet VII (12. – Mitte 11. Jh. v. Chr.) zu zeigen versucht wird. I. Einleitung nach Westkleinasien1. Dazu bemerkte der Althisto- riker Justus Cobet 1999 treffend: “Die Geschichte Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem von des frühen Ionien bietet das Exerzierfeld für ein Archäologen und Historikern kontrovers diskutier- klassisches Methodenproblem der Altertumswis- ten Thema, der sogenannten Ionischen Migration senschaft, das Verhältnis von archäologischem Ob- 1 Form und Struktur des während des Kolloquiums gehaltenen Vortrags wurden weitgehend beibehalten, wenn auch stark überarbeitet und erweitert. Zum Panionion (hier Kap. IV) vgl. ausführlicher Verf., Panionion–Melia. – Ich danke Frank Rumscheid herzlich für die Einladung und ihm sowie den Teilnehmern für anregende Diskus- 28 Alexander Herda jekt und Text”2. Dieses Problem wird natürlich nie führte zu einer relativ geschlossenen Besiedlung der endgültig gelöst werden. Wohl aber soll hier eine kleinasiatischen Küstenregion sowie der vorgelager- Lanze gebrochen werden für die Archäologie als ten Inseln zwischen Phokaia bzw. Chios im Nor- denjenigen Bereich der Altertumswissenschaften, den und Milet bzw. Samos im Süden (Abb. 1). von dem in der näheren Zukunft noch wesentliche Gemäß der antiken Mythenchronologie begann Beiträge zur Erhellung der Geschichte der frühen Ei- die ‘Ionische Migration’ vier Generationen nach dem senzeit im westlichen Kleinasien zu erwarten sind, Fall von Troja und zwei Generationen nach der zumal die systematischen Feldforschungen sich erst Rückkehr der Herakliden damit, daß der athenische in unseren Tagen verstärkt dieser Epoche der Region Königssohn Neileos zusammen mit seinen Brüdern zuwenden. Die Archäologie kann sehr wohl Lücken und Halbbrüdern die zwölf ionischen Städte Milet, im historischen Wissen zu den ‘Dunklen Jahrhun- Ephesos, Erythrai, Klazomenai, Priene, Lebedos, derten’ auffüllen3, wenn sie diese auch “nicht grund- Teos, Kolophon, Myous, Phokaia, Samos und Chios sätzlich aufzuheben” vermag4. gründete5. Das Marmor Parium, eine chronologische Das Hauptaugenmerk der Betrachtungen liegt, Aufzeichung des 3. Jhs. v. Chr. (264/63 v. Chr.)6, dem Rahmenthema des Kolloquiums verpflichtet, parallelisiert die Gründung der ionischen Städte auf der Region des südlichen Ionien im Grenzbe- durch Neileos mit der Gründung des Panionions am reich zu Karien. Mykale-Gebirge als Gemeinschaftsheiligtum aller Ioner in Kleinasien. In der Inschrift wird als Datum umgerechnet das Jahr 1086/85 oder 1076/75 v. Chr. II. Der Forschungsstand zur Ioni- angegeben7. schen Migration nach Kleinasien Von archäologischer Seite wird als bestätigender Anzeiger für die im 11. Jh. v. Chr. beginnende Mi- Die sogenannte Ionische Wanderung der frühen gration vor allem das oft zitierte, jedoch nicht im- Eisenzeit (11.–8. Jh. v. Chr.) ist Teil des Phänomens mer eindeutig zu interpretierende Auftreten von größerer griechischer Migrationsbewegungen im Keramik des sogenannten submykenischen und ägäischen Raum nach dem Zusammenbruch der protogeometrischen Stils in den Siedlungsplätzen mykenischen Kultur im 13./12. Jh. v. Chr. und Westkleinasiens angeführt8. sionen. Eckart Sauter las freundlicherweise das Manuskript Korrektur, es profitierte ebenso von der sorgfältigen Durchsicht und Kritik durch Frank Rumscheid. 2 Vgl. Cobet 730. 3 Man vergleiche dazu auch die Bemerkungen von Kerschner 364–366. 371–374. – Aus der Sicht des (deutschen) Alt- historikers betont kritisch: U. Walter, Das Wesen im Anfang suchen: Die archaische Zeit Griechenlands in neuer Per- spektive, Gymnasium 105, 1998, 537–552; K.-J. Hölkeskamp, Von den ‘Dunklen Jahrhunderten’ in das ‘Zeitalter der Experimente’. Kritische Bemerkungen

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