25 Jahre Wissenschaftskolleg zu Berlin 1981–2006 25 Jahre Wissenschaftskolleg zu Berlin 1981–2006 Herausgegeben von Dieter Grimm in Zusammenrbeit mit Reinhart Meyer-Kalkus Akademie Verlag Abbildungen der Einbandgestaltung: Wallotstraße 19 (Foto Heiner Wessel) und Architekturzeichnung (Archiv Wissenschaftskolleg) ISBN-10: 3-05-004053-X ISBN-13: 978-3-05-004053-0 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2006 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Bu ches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikro verfil mung oder irgendein anderes Verfahren – repro- duziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungs- maschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung, Layout und Satz: Petra Florath, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer“, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany Inhaltsverzeichnis Dieter Grimm Vorwort VII Wolfgang Frühwald Wirkungen der Freiheit 1 Gespräch Dieses Haus hatte Fortune … 33 Peter Glotz Wie es anfing 57 Peter Wapnewski Die ersten fünf Jahre 69 Wolf Lepenies Ein Dutzend und drei Jahre 87 Dieter Grimm Veränderter Kontext und neue Aufgaben 111 Yehuda Elkana A Theater for the Enactment of the Anthropology of Knowledge 127 Lorraine Daston Hans Castorp in the Grunewald: Twenty-Five Years of the History of Science 141 Rüdiger Wehner Theoretische Biologie 149 Raghavendra Gadagkar The Evolution of a Biologist in an Interdisciplinary Environment 167 drei Kulturen ... und zurück 181 Robert Pippin Philosophy among the Disciplines 191 Jürgen Kocka Konjunkturen der Geschichte 199 Stephen Greenblatt Against Exceptionalism: Literary Studies in Dialogue 211 Horst Bredekamp Das Visuelle und sein Logos. Wendungen der Kunstgeschichte 221 Navid Kermani Moderne und Islam 229 Michael Maar Exotische Vögel und platonische Ideen. Writers in Residence 243 Dominique Jameux Les Plaisirs de l‘Île enchantée 249 Anhang Chronik des Wissenschaftskollegs zu Berlin 1981–2006 259 Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats 1981–2006 265 Zu den Autoren 269 Bild- und Textnachweise 273 Personenregister 275 Vorwort Verfolgt man das in diesem Buch veröffentlichte Gespräch, in dem sich einige der Beteiligten an die Gründungsphase des Wissenschaftskollegs erinnern, so gewinnt man vor allem anderen den Eindruck des Unwahrscheinlichen. Ja, einmal alles zusammen genommen, was eine solche Tat voraussetzt, war es unwahrscheinlich, dass es zur Gründung jener Einrichtung kam, die nun seit 25 Jahren besteht und ohne die man sich die deutsche Wissenschafts- landschaft nicht mehr vorstellen möchte. Für Deutschland war eine solche Einrichtung etwas Neues. Aber auch außerhalb des eigenen Landes gab es nur wenige Exemplare dieser Gattung: das Institute for Advanced Study in Princeton, das kurz vor dem erzwunge- nen Exodus vieler Wissenschaftler aus Deutschland gegründet und dann zur neuen wissenschaftlichen Heimat von Gelehrten wie Einstein und Panofsky geworden war; das Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Stanford; in Europa das auf Mathematik und Physik spezialisierte Institut des Hautes Etudes Scientifiques in Bures-sur-Yvette, Frankreich, sowie das Nether- lands Institute for Advanced Study in Wassenaar. Brauchte man so etwas in Deutschland? Und wenn überhaupt: War Berlin der richtige Ort? Das Gespräch sammelt die vielen Faktoren, die zusammenkommen muss- ten, damit das Kolleg entstehen konnte: Eine Idee und ein politischer Wille, sie zu verwirklichen. Es gehört bereits zu den Unwahrscheinlichkeiten, dass beides in der Person eines Politikers zusammentraf, der zudem noch tatkräf- tig und einflussreich war. Sodann tüchtige und begeisterungsfähige Beamte, die die Idee in ein genehmigungsfähiges Projekt verwandelten. Des weiteren Für sprecher, die den Widerstand der Bedenkenträger übertönten. Danach Geld geber, die es lohnend fanden, in die Idee zu investieren, und ihre Ent- scheidungsgremien davon überzeugen konnten, dass die Mittel gut angelegt seien. Alsdann ein adäquates Haus. Zu alledem schließlich eine Person mit Qualitätsbewusstsein und Stilempfinden, die den Plan in die Tat umsetzen und das Haus mit Leben füllen konnte. Weniger unwahrscheinlich, obwohl alles andere als sicher, war es nach dieser Gründungsgeschichte schon, dass die Institution die Erwartungen er- füllte, die zu ihrer Gründung geführt hatten. Wenn man nur die durch das ganze Buch fortlaufende Zeile mit den Namen der mittlerweile über 1000 Fel- lows liest, findet man bestätigt, dass das Unterfangen erfolgreich war. Viele nach 1933 aus Deutschland vertriebene Gelehrte haben aufgrund einer Ein- ladung ans Wissenschaftskolleg ihre alte Heimat erstmals wieder betreten. Viele Zier den ihres Fachs und viele, die später zu Zierden ihres Fachs wurden, waren Fellows. Ebenso bereitwillig kamen die eingeladenen Künstler. Kaum einer aus der Garde der großen Komponisten moderner Musik, der nicht am Wissenschaftskolleg gewesen wäre. Doch würde der Nutzen des Kollegs unterschätzt, wenn man ihn nur bei den eingeladenen Personen suchte. Das Wissenschaftskolleg reflektiert wis- senschaftliche Entwicklungen in Deutschland und der Welt und hat seiner- seits solche Entwicklungen angestoßen. Darüber berichtet das Buch ebenfalls anhand ausgewählter Disziplinen. Die Geschichte des Kollegs ist selbst ein Stück Wissenschaftsgeschichte. Ein Teilnehmer an dem Gespräch der Väter des Wissenschaftskollegs lebt nicht mehr: Peter Glotz. Er war jener ideenreiche und durchsetzungsstarke Politiker, von dem alles ausging. Kurz vor seinem Tod am 25. August 2005 wirkte er noch an diesem Jubiläumsbuch mit. Ihm ist es gewidmet. Dieter Grimm Wolfgang Frühwald Wirkungen der Freiheit 1. Soziologie der Mahlzeit Im ‚Memorandum zur Gründung eines Institute for Advanced Study in Berlin‘ (vom 7. Januar 1980), der Gründungsschrift des Wissenschaftskollegs zu Ber- lin, finden sich zwei harmlos klingende, im Grunde nur beschreibende Sätze, die aber im Alltag des Kollegs noch immer für Aufregung sorgen. Sie lauten: „Neben wissenschaftlichen Veranstaltungen spielen für die Kommunikation überall [das heißt: in allen weltweit bekannten Institutes for Advanced Study] gemeinsame Mahlzeiten eine wesentliche Rolle; diese werden ‚gemeinsam‘ durch ihre Anziehungskraft, nicht durch Verpflichtung, an ihnen regelmä- ßig teilzunehmen.“ Wer jemals an einer der fröhlichen Tischrunden im New Europe College in Bukarest teilgenommen hat, am Mittagessen in einem briti- schen College oder wer in der ungezwungen-fröhlichen Atmosphäre einer ame- rikanischen Forschungsuniversität mit Kollegen zu Mittag gegessen hat, weiß, wovon hier die Rede ist. Das Mittagessen ist in solchen Colleges und Uni- versitäten ein Ritual, das niemand verpasst, der ‚dazugehören‘ möchte. Diese Essen entwickeln ihre eigene Dynamik. Dort treffen sich Kollegen, die in ge- trennten Fakultäten arbeiten, dort hört man nicht nur den Campus-Klatsch (den auch), sondern von den Schwierigkeiten des Kollegen, der Kollegin bei der Lösung eines scheinbar ganz abseitigen Problems und erhält plötzlich eine unvermutete Perspektive auf ein eigenes Arbeitsvorhaben, ohne sich der Anregung zunächst noch bewusst zu sein. Das soziale Gebilde der Mahlzeit, über das Georg Simmel 1910 nachdenklich und informativ geschrieben hat, vereinigt ja in sich die physische Notwendigkeit der absolut ichbezogenen Nah rungsaufnahme mit der Häufigkeit des Zusammenseins und knüpft dem- nach „eine Gewöhnung an das Vereinigtsein […], wie sie durch höher gelegene und geistige Veranlassungen nur selten erreichbar ist“. Dieses Grundprinzip des gemeinsamen Essens haben schon die Romantiker (an antiken, sokratisch- platonischen Vorlagen geschult) auf ihr Prinzip des Symphilosophierens, der MONA ABAZA · CAROLYN ABBATE · ANOUAR ABDEL-MALEK · BUTRUS ABU-MANNEH · 10 gemeinschaftlichen und freundschaftlichen Ideen- und Gedankenbildung, übertragen und daraus, theoretisch und praktisch, auf die Nähe zwischen kör- WOLFGANGFRÜH perlichen und geistigen Genüssen geschlossen. „Das gemeinschaftliche Essen“, meinte Novalis, „ist eine sinnbildliche Handlung der Vereinigung. […] Alles Genießen, Zueignen und Assimilieren ist Essen, oder Essen ist vielmehr nichts als eine Zueignung. Alles geistige Genießen kann daher durch Essen ausge- drückt werden.“ Die romantische Partei an der reformierten (neuen) Universi- W ALD tät in Heidelberg hat sich demgemäß 1805/07 von ihren rationalistischen Gegnern äußerlich sichtbar vor allem durch Kleidung, durch die andere Möb- lierung ihrer Wohnungen und durch eigene gemeinsame Essenszeiten abge- grenzt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich ein scheinbar so abseitiges Thema wie das des gemeinsamen Mittagessens in Kritik und Zustimmung durch die Berichte aller Jahrgänge des Wissenschaftskollegs zieht. Von „Zwangsernäh- rung“ ist da die Rede, aber auch von einem „convivium“, einem wohlschme- ckenden „geselligen Essen“ und sogar von der Assoziation eines „Wasserlochs“ in der südafrikanischen Savanne. Christian Graf von Krockow, Fellow im Jahr- gang 1982/83, meinte gar, das Kolleg sei eine Institution, die um ein gemeinsa- mes Mittagessen herum gebaut sei. Auf dieses Essen nämlich haben vom Jahr der Gründung an alle Rektoren des Wissenschaftskollegs Wert gelegt, auf das gemeinsame tägliche Mittagessen mehr als auf gemeinsame Abendessen, auch wenn Peter Boerners Goethevortrag im Kolleg vor allem deshalb bei den Gästen und den Fellows in Erinnerung geblieben ist, weil beim
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