Magazin Theatertreffen Der Jugend 2017

Magazin Theatertreffen Der Jugend 2017

Berliner Festspiele 38. Theatertreffen der Jugend 2. bis 10. Juni 2017 Inhaltsverzeichnis 2 Vorwort Christina Schulz, Leiterin Theatertreffen der Jugend 4 Bühne 6 Stören 12 sag alles ab 18 Blick nach vorn 24 Sesperado – Revolution of Color 30 das bin ich nicht 36 Katzelmacher 44 TWAILAIT 50 Bartleby – Zur Vermessung des Widerstandes 56 Bühne Spezial 60 Nominierungen 62 Essay 65 Editorial 66 Sieben Sekunden – von Deniz Utlu 1 68 All the World’s a Stage – von Priya Basil 74 Meine Magische Maschine – Ein Gespräch mit Simone Dede Ayivi 82 Campus 84 Praxis 93 Dialog 96 Fokus 98 Spezial 100 Forum 103 Praxis 107 Fokus 108 Dialog 111 Kuratorium 112 Jury 114 Statistik 116 Bundeswettbewerbe 117 Impressum 118 Kalendarium Das ICH ist nicht existent ohne das WIR (Armin Petras) Acht Produktionen aus verschiedenen Popkultur. Die Frage „Wo kommst du her?“ Regionen Deutschlands sind eingeladen bedeutet auch immer „Du kommst nicht zum Theatertreffen der Jugend. Ihren von hier.“ Das ist nur eine Situation des Ensembles darf ich die herzlichsten Glück- alltäglich zu beobachtenden Rassismus in wünsche des Intendanten der Berliner Deutschland. „Sesperado – Revolution of Festspiele Thomas Oberender überbringen. Color“ von der akademie der autodidakten Ihre Stücke sind so vielfältig wie ihre am Ballhaus Naunynstraße deckt die be- Ensembles und zeigen uns eindrucksvoll, stehenden Machtmechanismen auf, die auf was junge Menschen heute bewegt. die Erhaltung weißer Privilegien ausgerich- tet sind, und stellt sie in Frage. Die Thea- Die Jury hat sich in diesem Jahr für formal ter-AG der 12. Klasse der Waldorfschule und inhaltlich sehr unterschiedliche Stücke Freiburg-Rieselfeld verschränkt in „das entschieden. Allen Produktionen ist ge- bin ich nicht“ dokumentarisch deutsche meinsam, dass die jugendlichen Protago- Geschichte der NS-Zeit mit der Gegenwart, nist*innen sie maßgeblich selbst zum Erfolg in der u. a. in sozialen Netzwerken wieder führen. Es geht um ihre Themen, ihre offen rechtes Gedankengut geteilt wird. Ideen, ihre Spielweisen. Junge Menschen Es heißt also Stellung zu beziehen, auch im werden zu Expert*innen ihrer Inhalte und Stück „Katzelmacher“ des Balljugend-Club 2 ihrer Theaterkunst. am Jungen Schauspiel Hannover, in dem die Gefahr nicht vom vermeintlich „Frem- Die Arbeiten drehen sich um die Abgründe den“ ausgeht. Ein lebensbejahender, poeti- alltäglicher Welterfahrung junger Men- scher „Blick nach vorn“, wie ihn die Thea- schen, um die Fragen: Wer hat die Macht tergruppe Wunderbar vom Stadttheater über wen und wer die Möglichkeit, an be- Minden zeichnet, weist in die Zukunft, stehenden Machtverhältnissen etwas zu auch in die Zukunft derjenigen, die hier ändern. Da wird in „Stören“ vom Maxim im Theatertreffen der Jugend auch als Gorki Theater die Frage umkreist, warum Repräsentant*innen einer jungen, viel- es immer noch nicht selbstverständlich ist, fältigen Generation auf der Bühne stehen, dass Frauen einen selbstbestimmten Platz die Fragen stellt, nach Antworten sucht, in der Gesellschaft einnehmen, oder sich nicht zufrieden gibt. in „sag alles ab“ vom Jugendklub des Piccolo Theaters Cottbus, welchen Einfluss Neben den Stücken, die im Theatertreffen eine leistungsorientierte neokapitalistische der Jugend allabendlich gezeigt werden, Gesellschaft auf junge Menschen hat. ist das Campus-Programm für die Spie- Das KOM’MA Theater in Duisburg setzt sich ler*innen eine weitere Möglichkeit, sich in „Bartleby“ mit den Widersprüchlichkei- Welt über Theater anzueignen und mit viel ten der modernen Arbeitswelt auseinander Lust das eigene Theatererleben, Theater- und „TWAILAIT“ der EchtEinstein-Theater machen und darüber Sprechen weiter AG der Albert-Einstein-Schule Groß- aufzu spannen. Bei all dem steht die Begeg- Bieberau thematisiert die Dekonstruktion nung im Vordergrund und natürlich auch Theatertreffen der Jugend Jugend der Theatertreffen medial vermittelter Rollenbilder der jede Menge Spaß. Erstmalig sind zum Campus-Programm Ohne das Engagement vieler käme keine frühere Teilnehmer*innen aller Bundes- Ausgabe des Theatertreffens der Jugend wettbewerbe eingeladen, um, ausgehend zustande. Mein besonderer Dank gilt der von einer Simulationstheorie unserer Welt, Jury für ihr Herzblut und die intensive in einem Atelierformat an künstlerischen Arbeit an der Auswahl. Ein großer Dank gilt Interventionen zu arbeiten. allen, die ihre Ideen und ihr Expert*innen- Es treffen Musiker*innen, Autor*innen, tum für das Programm des Theatertreffens Tänzer*innen und Theaterleute aufeinander. der Jugend zur Verfügung stellen. Frühere Teilnehmer*innen des Treffens Ich danke dem Kuratorium für die fachliche junger Autoren werden in der Festival- Unterstützung und dabei besonders zeitung und auf dem Blog der Bundeswett- dem Bundes ministerium für Bildung und bewerbe mit wachem Blick über die Stücke Forschung für die Förderung der Bundes- und das Theatertreffen der Jugend schrei- wettbewerbe. Danke sage ich auch ben. In unserer orbitalen Forschungsstation meinem wunderbaren Team der Bundes- werden die jugendlichen Teilnehmer*innen wettbewerbe und allen Mit arbeiter*innen entscheiden, was sie mittels ihrer Theater- der Berliner Festspiele, die zum Gelingen kunst über die Menschheit sagen wollen. des Theatertreffens der Jugend beitragen. Sollte es auf den Planeten des kürzlich ent- 3 deckten Sonnensystems Trappist 1 Leben Ich wünsche allen Teilnehmer*innen eine geben, wird die Golden Disc des Theater- eindrückliche Woche, bereichernde Begeg- treffens der Jugend vielleicht das erste nungen, jede Menge Spaß und dem Medium sein, das über die Menschheit auf Publikum neue Perspektiven auf die Welt der Erde erzählt. des Theaters junger Menschen. In der Sektion Forum, die sich an Spiellei- ter*innen und Studierende richtet, wird die Dr. Christina Schulz im letzten Jahr begonnene Diskussion zu Leiterin Theatertreffen der Jugend unterschiedlichen Dimensionen des Politi- Bundeswettbewerbe der Berliner Festspiele schen im Theater fortgeführt. Im Schwer- punkt geht es in diesem Jahr um Theater- arbeit als gruppenbezogenem Prozess und die Beleuchtung von Re- / Präsentation von Gruppen auf der Bühne. Dabei liegt das Augenmerk auf einer diversitätsbewussten Theaterarbeit jenseits stereotypisierter Rol- lenzuschreibungen. Dem Thema Diversität widmet sich auch eine Reihe von Texten im Essayteil dieses und der weiteren Magazine der kommenden Bundeswettbewerbe. Bühne Theatertreffen der Jugend Jugend der Theatertreffen Bühne Theatertreffen der Jugend Jugend der Theatertreffen Stören Maxim Gorki Theater, Berlin Mit Sezgi Ceylanoğlu, Zeina Nassar, Mariette Morgenstern- Minnemann, Soraya Reichl, Nathalie Seiß, Chantal Süss Suna Gürler Regie Ursula Leuenberger Ausstattung Friederike Jäger Musik Mazlum Nergiz Dramaturgie 7 Freitag, 2. Juni 2017, 20:00 Uhr Das Ensemble über sich und die Produktion „Stören“ wurde unter professionellen unserer Gesellschaft eigentlich zu und Rahmen bedingungen mit einer Gruppe warum ist dieser Raum immer noch nicht von Spieler*innen entwickelt, die zwischen selbstverständlich geworden? 17 und 24 Jahre alt sind. Sie wurden vom Regieteam ausgesucht und probten, wie Zu Beginn der Proben wurde hauptsächlich bei jeder gängigen Produktion im Gorki, gelesen, das Gelesene diskutiert und mit volle acht Wochen jeden Tag acht Stunden. eigenen Erfahrungen verknüpft: Wie prägt Gemeinsam mit einer Bühnen- und der öffentliche Raum das Verhalten meines Kostümbildnerin wurde im Prozess das Körpers als Frau*? In welchen Rollenmus- ästhetische Erscheinungsbild entwickelt. tern stecke ich und / oder in welche Rollen- „Stören“ steht im regulären Programm vom muster werde ich hineingezwungen? Gorki, was bedeutet, dass die Produktion Wie funktionieren alltägliche Mechanismen jeden Monat ein bis zwei Mal gezeigt wird. der Abwertung meiner Selbst, weil ich glaube, nicht zu genügen, nicht „weiblich“ Ausgangspunkte dieser Stückentwicklung genug zu sein, nicht dünn und schön genug sind die persönlichen Geschichten der zu sein? Wie verhalte ich mich, wenn mir Spieler*innen über die Erwartungen, das auf der Straße hinterhergerufen wird und Scheitern und die Infragestellung des was genau macht das mit mir? Und welche 8 Frau*seins als gesellschaftliche Performan- Strategien stehen mir persönlich und uns ce. Ein entscheidendes Ereignis hat uns als als Gesellschaft eigentlich noch zur Theater dazu motiviert, über diese Themen Ver fügung, die in der Lage wären, schein- mit jungen Menschen auf der Bühne weiter bar normal gewordene Vorstellungen nachzudenken: Die Silvesternacht 2016 in von Weiblichkeit und Körper aufzubrechen, Köln. Mittlerweile mehr als 1000 registrierte zu stören: Durch das Hacking des Internets, Anzeigen wegen sexueller Belästigung durch Kampfsport, durch minutiöse von Frauen* im öffentlichen Raum waren Analyse, durch Überer füllung der Normen Anlass einerseits für extrem rassistische oder auch komplette Verweigerung? Aussagen über eine erfundene Gruppe Die Auseinandersetzung mit all diesen von Tätern, die pauschal als „Nordafrikaner Fragen hat uns nicht immer einfache und Araber“ abgestempelt wurden, Antworten geliefert, aber auf der Bühne andererseits wurde in fast allen politischen haben wir Szenen und Bilder gefunden, Lagern und Medien über die Frage „Wem die die vielen Themen, das Gesagte und gehören (unsere) Frauen?“ so diskutiert, als Gedachte, die unterschiedlichen Erfah- ob diese im Besitz von irgendwem wären. rungshorizonte darstellen können: Wie lässt sich der Widerstand über winden, dem Auch wenn das Stück selbst keine Ausein- wir tagtäglich begegnen, wie können

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