Rüstungsaltlast Elsnig/Torgau“

Rüstungsaltlast Elsnig/Torgau“

Forschungsbericht zum FuE-Projekt Projekt 5.3 „Rüstungsaltlast Elsnig/Torgau“ Überprüfung von Selbstreinigungspotenzialen in STV kontaminierten Grundwasserleitern insbesondere unter Berücksichtigung von Milieubedingungen am Standortbeispiel Torgau/Elsnig (Förderkennzeichen 0330509) Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung vertreten durch den: Projektträger Jülich Forschungszentrum Jülich GmbH Außenstelle Berlin Zimmerstraße 26-27 10969 Berlin Zuwendungsempfänger Dresdner Grundwasserforschungszentrum e. V. Meraner Str. 10 01217 Dresden Berichtsautor: Dipl.-Ing. A. Weber unter Mitwirkung von: Dr.-Ing. S. Tränckner Dipl. Chem. L. Schmalz L. Tempel Dresden, 31.01.2008 Dr. rer. nat. Börner Vorwort Sprengstoffwerke sind sachlich betrachtet Chemiefabriken, die wegen ihrer Technologie meist in wasserreichen Regionen angesiedelt sind und wegen ihrer militärischen Bedeutung oft in Wäl- dern getarnt errichtet werden. Als drittgrößte Sprengstofffabrik des Deutschen Reiches hinterließ die WASAG Elsnig bei Torgau am Ende des zweiten Weltkrieges erhebliche Mengen an spreng- stofftypischen Verbindungen (STV), die sich insbesondere mit dem Grundwasser ausbreiten kön- nen und sowohl human- als auch ökotoxikologisch wirken. Diese STV wurden während der Pro- duktion und auch bei der Zerstörung der Anlagen am Ende des Krieges freigesetzt. Wegen des Wasserreichtums werden unweit des Altstandortes Trinkwasserfassungen für die ü- berregionale Versorgung betrieben. Ihr Schutz ist Hauptziel der Maßnahmen zu Erkundung und Sanierung der Altlast WASAG Elsnig. Zur Unterstützung von Erkundung und Gefährdungsabschätzung erhob der Freistaat Sachsen diese prioritäre Altlast 1994 zum Modellstandort. Daneben konnten wichtige Forschungsarbei- ten zum Abbau- und Transportverhalten verschiedener STV sowie Untersuchungs- und Sanie- rungsmaßnahmen an den Schadstoffherden und im Abstrom realisiert werden. Das Umweltverhalten dieser Stoffgruppe ist bisher noch nicht ausreichend bekannt. Natürliche Stoffminderungsprozesse können die Belastung im abströmenden Grundwasser erheblich redu- zieren, sich neu bildende Metabolite sind jedoch zusätzlich in die Gefährdungsabschätzung ein- zubeziehen. Die Ermittlung der dazu erforderlichen Prozesskenntnisse ist Gegenstand der Arbei- ten im Rahmen des BMBF-Forschungsvorhabens KORA. Hierbei sollte speziell das natürliche Abbau- und Sorptionsverhalten unpolarer und polarer Nitroaromaten unter verschiedenen Randbedingungen im Grundwasser erforscht werden. Mit dem vorgelegten Bericht sollen die anstehenden behördlichen Entscheidungen am Standort WASAG Elsnig unterstützt werden: zur Einschätzung der Gefahrenlage sowie zu Notwendigkeit und Art erforderlicher Sanierungsmaßnahmen im Grundwasserabstrom. Bei aller gebotenen Vorsicht ist eine Reihe methodischer und stoffspezifischer Ergebnisse auch übertragbar auf ande- re Sprengstoffaltlasten. Die Forschungsergebnisse tragen dazu bei, dass in Elsnig und an anderen Rüstungsstandorten die Altlastensanierung sicherer und mit angemessenem Aufwand erfolgen kann. Werden sie durch Behörden und Verpflichtete aufgegriffen, ist das Hauptziel des Vorhabens erreicht. Dr. A. Eckardt Referatsleiter Grundwasserschutz, Altlasten Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft i ii Vorwort Natürlicher Rückhalt und Abbau von Schadstoffen ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, em- pirische Erfahrungen gab es bei den mit der Materie Befassten schon seit vielen Jahren. Im Zuge der systematischen Altlastenbearbeitung im Freistaat Sachsen wurden durch die Fach- und Vollzugsbehörden diverse „Natural Attenuation“-Prozesse bei der Gefährdungsabschätzung sehr wohl gedanklich mit einbezogen, insbesondere in den die typischen Kontaminanten wie MKW, BTEX und LHKW betreffenden Fällen. Zu einer regelhaften Berücksichtigung oder gar ei- ner systematischen Anwendung dieser Mechanismen fehlten jedoch wesentliche Grundlagen. Die Erarbeitung solcher Grundlagen und eine Systematisierung der Methodik und Anwen- dungsmöglichkeiten auf einer den einzelnen Forschungsprojekten entstammenden, soliden Da- tenbasis hat sich der BMBF-Förderschwerpunkt KORA zur Aufgabe gemacht, verbunden mit ei- ner engen Verzahnung von Forschung und Anwendung, dem Austausch zwischen beteiligten Wissenschaftlern, den anwendenden Ingenieurbüros sowie den fachlich begleitenden, bzw. spä- testens in den Genehmigungsverfahren stets involvierten Umweltbehörden. In der Vorgeschichte des KORA-Referenzstandortes WASAG Elsnig gab es bereits über Jahre hinweg gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit und im Austausch zwischen Forschungsein- richtungen, Projektbegleiter des Modellstandortprojektes, Ingenieurbüros, Laboratorien und den verantwortlichen Fach- und Vollzugsbehörden. Anfangs war der Kenntnisstand speziell zu den sprengstofftypischen Verbindungen sehr lückenhaft und mit Unsicherheiten behaftet, bis hin zu enormen Defiziten in der Analytik, was auch Fehleinschätzungen der konkreten Gefährdungen zur Folge hatte. Dies führte gleichzeitig zu einer Sensibilisierung der fachlich mit der Problematik Befassten und der behördlichen Entscheidungsträger und dazu, gesteigerten Wert auf die Beur- teilung der Zuverlässigkeit, Vergleichbarkeit und Aussagesicherheit der analytischen Ergebnisse zu legen, ebenso zu einer Beschleunigung der notwendigen Schritte zur Standardisierung und Normung der Methoden. Dies galt zunächst für die unpolaren STV – die bekannten Haupt- und Nebenprodukte der Sprengstoffherstellung – sowie einige Abbauprodukte. Die für den Standort Torgau-Elsnig über Jahre mittels kontinuierlichem Grund- und Oberflächenwassermonitoring beobachtete typische STV-Mischung bestand aus TNT, dessen Abkömmlingen und weiteren Nit- roaromaten, dem zweiten Hauptprodukt Hexogen (RDX) und ferner dem etwas exotischen Hexyl. Die hauptsächlichen Gefährdungsmomente für die relevanten Schutzgüter – Boden und Grund- wasser an sich, Oberflächengewässer und insbesondere die Trinkwasserfassungen in der Elbaue – stellten sich so dar, dass die außer von einigen massiven Punktquellen auch von einer Vielzahl diffuser STV-Einträge ausgehende Schadstofffahne sich nach und nach in relativ breiter Front vorwärts bewegte, jedoch offensichtlich wesentlich langsamer als zunächst befürchtet. Die Ursachen dafür sind zu einem beträchtlichen Teil in diversen Arten der Schadstoffminderung und des -rückhalts sowie hauptsächlich auch in dem extrem heterogenen, gestauchten geologi- schen Untergrundaufbau zu suchen. Da das Hexogen in allen früheren Untersuchungen als die persistente Komponente und als qua- si Tracer ausgewiesen wurde, galt die Entwicklung der Hexogengehalte im Grundwasserabstrom als zuverlässiger Indikator für die Ausbreitung der Kontaminationsfahne und als Kriterium für die Gefahrenbeurteilung. Dieses Kriterium war mit den ersten Befunden an polaren STV zunächst la- tent und mit den weiteren Ergebnissen im Forschungsprojekt massiv in Frage zu stellen. Die im Zuge des KORA-Themenverbundes Rüstungsaltlasten auftauchenden Teilergebnisse bzgl. der E- iii xistenz und der Eigenschaften der polaren STV waren alarmierend. Möglicherweise war die mit Hilfe des bisherigen Monitorings durch Hexogen als Indikator für die Fahnenspitze gewonnene Vorstellung von der Fahnenkontur deutlich zu korrigieren. Denn wenn die mit der neu entwickelten Analysenmethodik zunehmend sicherer bestimmbaren polaren Stoffe hinsichtlich der Tracereigenschaften die des Hexogens übertreffen, also eine deut- lich höhere Persistenz, größere Wassergängigkeit und geringere Sorptionsneigung besitzen, zu- dem für mindestens eine Spezies dieser Substanzgruppe eine gentoxische Wirkung sowie für drei weitere entsprechende Verdachtsmomente ermittelt wurden, dann ist eine völlig neue Gefähr- dungsbewertung erforderlich. Durch enge Verzahnung und schnelle Informationskette zwischen Forschungseinrichtung, Pro- jektbegleiter und Behörden im KORA-Projekt, auch auf Grund der guten und direkten Informati- onsübermittlung durch den Projektkoordinator, konnte behördlicherseits unmittelbar auf die Er- gebnisse reagiert werden und mit Beauftragung eines umfangreichen, nahezu Flächen decken- den, ergänzenden Monitorings auf polare STV im Abstrombereich der Schadstofffahne die Grundlage für eine Neubewertung geschaffen werden. Dabei wurde auch das im KORA- Themenverbund entwickelte analytische know how optimal eingebunden. Die Ergebnisse werden nach eingehender Auswertung zusammen mit weiteren Vorschlägen und Hinweisen des vorliegenden Forschungsberichtes in eine Optimierung des Monitorings einflie- ßen, bei dem durch gezielte Parameterauswahl höchstmöglicher Informationsgehalt, auch hin- sichtlich der Transformations- und Abbauprodukte erreicht werden kann. Ein wesentliches, praktisch verwertbares Ergebnis dieses Teilprojektes war auch nicht zuletzt der Nachweis des Hexogenabbaus unter bestimmten Bedingungen, mit der Empfehlung, das Ab- bauprodukt MNX als Indikatorsubstanz im Monitoring zu berücksichtigen. Auch auf die immer wieder im Raum stehenden Frage, inwieweit die natürlichen Selbstreini- gungskräfte des STV-kontaminierten Grundwasserleiters eine ausreichende Schadensbegrenzung bewirken könnten, wurde im Forschungsprojekt auf Basis der standortspezifisch ermittelten Er- gebnisse eine klare Antwort in Form der Aussage getroffen, dass auch bei stationärer Verteilung der Stoffe im Untersuchungsgebiet dennoch eine weitere Ausbreitung der vorhandenen per- sistenten Substanzen über diesen Raum hinaus stattfindet. Wünschenswert wäre hier eine Aktualisierung der früheren numerischen Stofftransportmo- dellierung

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