Reinold Ein Ritter für Europa Beschützer der. Stadt Dortmund Funktion und Aktualität eines mittelalterlichen Symbols für Frieden und Freiheit 1. Internationale Reinoldustage Dortmund 8. bis 12. Januar 2003 herausgegeben von Beate Weifenbach Logos Verlag Berlin xoyoS ýý ýýýýý Rechtssymbol? Roland - Heiliger oder Roland, Symbol für die Karlslegende Dieter Pötschke (Historische-Brandenburgische Kommission Potsdam) 1. Rolandlegende und die rechtliche Bedeutung der Rolande Fälschungen von Urkunden gehörten im Mittelalter zum Alltag. Historiker ha- ben sehr diffizile Methoden der Urkundenkritik entwickelt, um nicht nur Urkun- denfälschungen, sondern auch ganze Fälscherschulen nachzuweisen. Die Fälschung von Stellen einer Chronik ist schon schwerer nachweisbar: Chroniken unterlie- gen keinen Formkriterien wie Urkunden, stammen selten aus Kanzleien - deren Schreibstil bekannt ist und die vergleichbare Schriftstücke liefern - und schließ- lich musste ihre Echtheit nicht bestätigt werden. Gefälschte Aussagen in Urkun- den und erzählenden Chroniken fanden dennoch durch Erzählungen, Abschriften, überlieferte Sagen und Lieder oft weite Verbreitung. Dass falsche Aussagen im mittelalterlichen Denken oft Glauben fanden, ist nicht verwunderlich, da es eine kritische Geschichtswissenschaft noch nicht gab. ' Hinzu kommen noch sagenhafte Ausschmückungen selbst von wahren Aussagen. Ein schönes Beispiel für eine Le- gendenbildung bietet das Rolandslied. Zunächst muss festgestellt werden, dass die einzige quellenmäßig gesicherte, zeitgenössische Erwähnung des historischen Ro- land in der Biographie Kaiser Karls zu finden ist, die von Einhard2 verfasst wurde. Einhard, der im Kloster Fulda seine Ausbildung genoss und in jungen Jahren an Karls Hof kam, berichtete: In quo proelio Eggihardus regiae mensae praepositus, Anshelmus comes palatii et Hroudlandus Brittannici limitis praefectus cum alliis conplu- ribus interficiuntur. (In diesem Kampfe fielen Eggihard, des Königs Truchseß, Anselm der Pfalzgraf und Hroudland, der Befehlshaber im bretonischen Grenzbezirk, mit vielen anderen. )3 Nach einer Grabinschrift war dies am 15. August 778.4 Weitere schriftliche Erwähnungen dieses Rolands gibt es nicht s 1Im Gegensatz zur Mathematik, in der schon im klassischen Altertum eine Aussage (Satz, Theorem) nur dann als wahr angesehen werden durfte, wenn auch ein Beweis dazu geliefert werden konnte. ZEINHAnn, Das Leben Kaiser Karls. 3. Aufl. bearbeitet von W. WATTENBACH. Leipzig 1893. S. 18 fügt Wattenbach, der vorzügliche Kenner der Quellen mittelalterlicher Geschichte, als Anm. 1 hinzu: berühmte Roland, hier " Der welcher geschichtlich nur erwähnt wird. 3Einhard, Das Leben Kaiser Karls des Großen, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschich- te. 1. Teil. Bearb. v. R. RAU. Berlin 1955, S. 157-211, hier S. 178-179. 4Ebd. Bemerkenswert ist, dass die Worte Hroudlandus Brittannici limitis praefectus in der Klasse B der Handschriften, in denen Einhards Bericht überliefert ist, fehlen. Einhards Biogra- phie des Kaisers ist Bestandteil der Reichsannalen, deren überlieferte Handschriften 1895 durch Friedrich Kurze, dem damaligen Herausgeber der Reichsannalen, in fünf Gruppen A-E eingeteilt wurden. Die Gruppe A wird durch eine (heute verlorene) Handschrift vertreten, die als die älte- ste gilt und in der Roland auch genannt wird. Die Gruppe B ist durch mehrere Handschriften vertreten, die aber sämtlich den Text im Jahre 813 abbrechen. ,'Die Identität dieses Präfekten Karls des Großen mit einem Grafen Rotholandus als Zeugen einer Urkunde Karls aus dem Jahre 772 und dem auf einem Denar, der vor dem Jahre 790 175 176 I)i(ýrýýr l'ýýýt:(like Die Rolandlegende wurde dann durch das französische und das deutsche Ro- Bearbeitungen der Rolandsage (z. landslied, aber auch durch die zahlreichen B. in der Sächsischen Weltchronik, der Braunschweiger Reimchronik usw. ) auch östlich Jahre! des Rheins verbreitet. Und zwar offensichtlich mündlich über 300 Das erst Rolandslieds, die 'Chanson de Roland', kurz vor 1100 entstandene altfranzösische Buch: Zeilen Tausende macht aus der Legende ein ganzes aus zwei wurden von Zeilen.? Roland kommt als Sagengestalt in der 'Chanson de Roland', in dem 'Rou- lantes Liet', im 'Orlando furioso' oder 'Orlando innamorato' vor, aber auch in französischen, deutschen, vielen anderen und späteren epischen italienischen, spa- Texten. nischen, skandinavischen, flämischen, englischen und portugiesischen Noch Brasilien 8 heute rühmen ihn volkstümliche Erzähler sowohl in als auch in Sizilien. 0, Abb. 1: Bremer Roland von 1404. Nach- dem die Erwähnung eines Rolands in Bremen der Chronik zu 1366 in von Rynesberch und wf rhene wohl eine Fälschung ist, handelt es ýý Sich hier wohl um den ältesten Bremer Roland und zugleich den ältesten erhaltenen Roland. im fränkischen Königsreich mit dem Namen RODLAN umlief, ist unsicher, vgl. Rita LEJEUNE/ Jacques STIENNON. Die Rolandsage in der mittelalterlichen Kunst. 2 Bde. Brüssel 1966, hier Bd. 1, S. 9. Bd. 1, Leipzig 1900 (französischer 6E. STENGEL, Das altfranzösische Rolandslied. Text); Ru- Übersetzung dolf BESTH01tN (Hg. ), Das Rolandslied. Bremen 1981 (deutsche des französischen Textes). 7Bei BESTHORN (wie Anm. 6) 304 Verse mit je ca. 13 Zeilen, bei STENGEL (wie Anm. 6) 4002 Zeilen. 8BESTHORN (wie Anm. 6), S. 10. Roland - Heiliger oder Rechtssymbol? 177 In der Folgezeit entstand eine Reihe von Rolanddarstellungen an und in Kirchen. Diese Verbreitung des Rolandbildes seit deni 12. /13. Jahrhundert wurde umfassend von Rita Lejeune und Jacques Stiennon im Jahre 1966 in ganz Westeu- ropa nachgewiesen. Es ist Winfried Trusen zu folgen, wenn er darin die Verehrung Rolands als Heiligen sieht. Abb. 2: Ausschnitt 1larckt 13iemmeii-, der Topographia Gerinaniae des Matthaeus vom ... in aus Merian der Mitte des 17. Jahrhunderts: hat Markt, in dessen Mitte aus ,,... einen großen weiten eines Kaisers und eines Königs Bildnis, das bloße Schwert der Gerechtigkeit in der Hand hal- tend, zu sehen ist. " (Text aus den Zeiller-Merianschen Topographien). Auch damals schaute der Roland auf den Dom. Einer der ganz seltenen Stiche des 17. Jahrhunderts, auf denen überhaupt (B) ein Roland und ein Pranger (C) zu sehen ist - hier sogar ein zweistöckiger Pranger. Davon zu unterscheiden sind die bisher 52 nachgewiesenen Rolandstandbil- der, die sich zumeist auf dem Marktplatz der Rolandorte befanden bzw. sich noch heute befinden. Rolande sind oft überlebensgroß, aus Stein (so in Bremen, Bran- denburg, Halberstadt. Quedlinburg. Prag, Dubrovnik, Riga usw. ) oder Holz (so in Nordhausen, Questenberg hei Sondershausen, Potzlow bei Prenzlau usw. ). Sie tragen meist ein offenes Schwert über der Schulter und eine Ritterrüstung der jeweiligen Errichtungszeit. Noch heute sind 32 Rolandstandbilder zwischen Bederkesa und Riga, zwischen Prenzlau und Dubrovnik. der ehemaligen Republik Ragusa, erhalten. Der älteste Roland ist zum Jahre 1342 in Hamburg nachweisbar. Der jüngste Roland wurde am 16.4.2002 in Gardelegen errichtet. Häufig wurde nun versucht, die Verbreitung und die rechtliche Bedeutung der Rolandstandbilder mit dem Rolandslied in Verbindung zu bringen. Zwar deuten bisher der Name jedenfalls bei den nur und - ältesten erhaltenen Rolanden - die ritterartige Kleidung einen Zusammenhang an. Wir können aber davon ausgehen, dass hei unseren Rolandstandbildern der historische Roland und der Held der Lieder gemeint ist. In der bisherigen Rolandforschung nahm man an. sich auf die frühen Roland- erwähnungen verlassen zu können und suchte vergeblich nach tatsächlich vorhan- denen Privilegien für die Rolandsorte, rechtlichen die der jeweilige Roland sym- Kritik kam bolisieren sollte. in letzter Zeit höchstens dann auf, wenn es um die 178 I )i(, t (ýr l'()t ý,chkc t mie-lý. Abb. 3: Rolands Tod. Die Miniatur stammt aus einer ehemals umfangreichen bebilder- ten Texthandschrift, die u. a. Strickers Epos Karl der Große" Stricker" ist .. enthielt. Der in Kunstname eines um 1220-1250 wahr- Österreich , cheinlich in wirkenden Dichters fränkischer Herkunft. In seinem Frühwerk über Karl den Großen behandelt er die ins Legendäre erhobenen historischen Ereignisse um den spanischen Feldzug gegen die Sara- zenen im Jahre 778. Der Stoff war seit dem 12. Jh. im französischen `Chanson de Roland' und in dem deutschen Rolandslied des Pfaf- fen Konrad literarisch vorgeformt. Der ster- bende Roland erschlägt einen Sarazenen mit seinem Horn Olifant. (Quelle: Der Stricker. Berlin Staatsbibliothek Preußischer Kulturbe- sitz, Ms. Germ. Fol. 623. fol. 22v. ) Frage ging, ob alle Rolande das gleiche Recht symbolisieren (monistische Theorien) oder ob Rolande an verschiedenen Orten auch verschiedene Bedeutungen symbo- lisiert haben könnten. Die letzte große Monographie zur Thematik von Antonius David Gathen konnte feststellen, dass der Roland Recht" nur das symbolisiert. Auffassungen, dass Rolande das :Marktrecht. die hohe Gerichtsbarkeit oder gar die Reichsunmittelbarkeit symbolisieren, sind als unbeweisbar abzulehnen. Inso- fern hat die Rolandforschung nicht nur inhaltliche Probleme, sondern vor allem 9 ein methodologisches Problem. Der Würzburger Kirchenrechtshistoriker Winfried Trusen brachte wieder Be- wegung in die Rolandforschung und entwickelte in den 80er Jahren des vorigen Auffassung, dass Rolandstandbilder Jahrhunderts die unsere das Kaiserrecht sym- ` bolisieren würden. Aber Trusens These erklärt nicht " ob die Rolandstandbilder einen Bedeutungswandel über die Jahrhunderte erfahren haben . wieso die Rolandstandbilder mit dem Kaiserrecht in Verbindung gebracht wurden 9Zu den Einzelheiten
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