Aufbruch in Die Blockade?

Aufbruch in Die Blockade?

Deutschland Wahlverlierer Schröder (am vergangenen Montag): Eine offizielle Große Koalition will im Moment niemand KOALITION Aufbruch in die Blockade? Nach den fulminanten Wahlsiegen der CDU hält die Verunsicherung an: Welche Reformen bringt Gerhard Schröder in seinem eigenen Lager durch, wie weit hilft ihm die Union? Stürzt die Wirtschaft nach einem Irak-Krieg weiter ab, soll ein Notprogramm anlaufen. er Kanzler hat einen Plan – sein Es ist höchste Zeit. In der vorigen Wo- ten ökonomischen Krisen der Nachkriegs- Name ist „Plan B“. Seit Monaten che kamen gleich zwei dramatische Ereig- zeit. Allenfalls ein Prozent Wachstum wird Dwird er in aller Stille vorbereitet, in nisse zusammen. Die SPD musste eine der in diesem Jahr erwartet, viel zu wenig enger Abstimmung mit den anderen schlimmsten Wahlniederlagen ihrer Ge- für neue Beschäftigung. Ein langer Krieg großen Industrienationen der G7. Kom- schichte verdauen. In Niedersachsen ver- im Irak könnte die Weltwirtschaft kip- mende Woche wollen die Finanzminister lor die Partei 14,5 Prozentpunkte, es war pen und in Deutschland die Zahl der Ar- auf ihrem Treffen in Paris noch einmal da- das Ende der Regierung von Ministerprä- beitslosen auf fünf Millionen hochschnellen rüber beraten. sident Sigmar Gabriel. In Hessen holte der lassen. Stürzt ein Krieg im Irak die Welt in eine Christdemokrat Roland Koch die absolute Ausgerechnet in dieser Phase steht die Wirtschaftskrise, werden die G7 ihre auf Mehrheit, während die Genossen 10,3 Pro- Republik vor einer politischen Blockade. Sparsamkeit ausgerichtete Finanzpolitik zentpunkte einbüßten. Seit den Schlägen von Hessen und Nie- beenden. Der Staat will kräftig investie- Drei Tage später meldete die Bundesan- dersachsen kann Schröder nicht mehr ohne ren, damit sich die Konjunktur belebt. stalt für Arbeit, dass im Januar 4,6 Millio- die Union regieren. Die Union hat im Bun- Auch der oberste Haushälter der Bundes- nen Menschen ohne Job dastanden – ein desrat nach dem Sieg von Christian Wulff republik, Hans Eichel, soll die Schleusen Anstieg um 400000 gegenüber dem Vor- in Hannover eine sichere Mehrheit, zu öffnen. monat. groß, um ein Land herauszukaufen. Der Mit Plan B will Schröder zeigen: Wir Spätestens jetzt müsste allen klar sein, Berliner Regierungschef muss nun den sind handlungsfähig, wir lassen das Land wie prekär die Lage ist. Wenn nichts pas- Schulterschluss mit dem politischen Geg- nicht in den Abgrund taumeln. siert, gleitet das Land in eine der schwers- ner suchen. 22 der spiegel 7/2003 Bundestag Bundesrat Knappe Mehrheit für die Regierung Satte Mehrheit für die Opposition REGIERUNG OPPOSITION SPD- UNIONS- GEFÜHRTE GEFÜHRTE 306 297 Vermittlungsausschuss LÄNDER 21 41 LÄNDER 603 Pattsituation 69 * Mandate REGIERUNG OPPOSITION 7 Stimmen **jeweils 16 *Große Koalitionen mit SPD-Ministerpräsidenten Vertreter aus 16 16 Hat er noch die Kraft dazu? Ist die Uni- Bundesrat und – für den Kanzler fast eine Frage des poli- Bundestag on willens, sich vom Kanzler umarmen zu 32 tischen Überlebens. lassen? Das sind die großen Fragen, die Mitglieder** Und nun steht er vor einer harten Wo- sich nun stellen – existenzielle Fragen für che. Richtungsstreit? Lagerkampf? Welches Deutschland. Tempo ist das angemessene? Schon haben In der vorigen Woche fieberte das Re- Wichtige Gesetzesvorhaben, sich Linke und Rechte, Reformer und Tra- gierungsviertel, Gerüchte, Sondierungen, denen der Bundesrat zustimmen ditionsgenossen in ihren Stellungen fest Gespräche. Gibt es eine Große Koalition? muss. Kann dieser sich nicht eingegraben. Gibt Schröder auf? Und das alles vor dem einigen, wird der Vermittlungsaus- Für eine „gerechte Lastenverteilung“ Hintergrund einer drohenden militärischen schuss angerufen. und gegen den Glauben, Sozialstaatsrefor- Intervention am Golf. So viel Politik war Gesundheitsreform men führten das Land aus der wirtschaft- selten. Zuwanderungsgesetz lichen Rezession, wirbt ein neues Strate- Schröder braucht jetzt Angela Merkel, Reform der Bundesanstalt für Arbeit giepapier der Linken. „Bei einem noch aber Angela Merkel braucht Schröder schnelleren Prozess kommen unsere An- nicht, im Moment jedenfalls nicht. Das ist Steuervergünstigungsabbaugesetz hänger nicht mehr mit“, mahnt auch die die Konstellation, in der in den nächsten Zusammenlegung von Arbeitslosen- stellvertretende Parteivorsitzende Heide- Wochen Entscheidungen gefällt werden. und Sozialhilfe marie Wieczorek-Zeul. Der Kanzler will die Vorsitzende der Andere sind mutiger, energischer. „Har- Union zu einem Spitzengespräch treffen, te Schnitte“ fordert etwa die schleswig-hol- aber sie sieht dafür keine Notwendigkeit. rung ja, aber zu viel dann doch nicht. Er steinische Ministerpräsidentin Heide Si- Er will mit ihr die Reformgesetze vorab hat womöglich weniger ein Reformprojekt monis. Der Thüringer SPD-Landesvorsit- MARC-STEFFEN UNGER MARC-STEFFEN besprechen – sie wartet auf die Entwürfe im Blick als seine eigene Reputation. zende Christoph Matschie glaubt an eine der Bundesregierung, um sie dann im par- Was er jetzt tut, muss sowohl die Linken „klare Mehrheit für Reformen“. lamentarischen Prozess zu verändern. Es in der SPD-Fraktion an den Rand des Er- Aufs Tempo drängt desgleichen der sieht nicht so aus, als käme es bald zum träglichen führen als auch die Neoliberalen nordrhein-westfälische Landesvorsitzende großen Aufbruch. in der Union und die Ökoliberalen bei den Harald Schartau; die Eichel-Kommission Denn trotz der neuen Lage bleibt Schrö- Grünen. Er muss versuchen, den Punkt zu zur Gemeindefinanzierung müsse schnel- der der Alte. Auch jetzt hat er keine allzu finden, an dem alle drei Seiten unter ler vorankommen. Für Kleinbetriebe und klare Linie für seine Politik: Modernisie- großem Gemurre gerade noch zustimmen Existenzgründer will der ehemalige Ge- werkschafter das Arbeitsrecht und die Ar- beitsschutz-Vorschriften gründlich ent- rümpeln: „Wir müssen Risikobereitschaft belohnen und ernsthaft fragen, was für die- se Betriebe hinderlich und was relevant ist – ohne die Arbeitnehmer gleich in Angst und Schrecken zu versetzen.“ Und Schröder? Sein Programm, sowohl die Linken als auch die Rechten bei der Stange zu halten, steht in den Grundzügen fest. Mitarbeiter des Kanzlers schreiben derzeit einen „Masterplan“. Größere Um- wälzungen bleiben dabei allerdings aus. Eine grundsätzliche Reform des Ge- sundheitswesens wird es nicht geben – der Kanzler setzt auf Einsparungen, die das System um 25 Milliarden Euro entlasten sollen (siehe Seite 24). Neue Jobs sollen durch eine weitere Li- beralisierung des Arbeitsmarkts entstehen. Die Bürokratie wird reduziert, damit Fir- mengründer leichter und schneller zum Zuge kommen. Plan B wird umgesetzt, sobald die G7 die Weltwirtschaftskrise ausrufen. Die Bun- desregierung, in deren Etatplanung jetzt UTA RADEMACHER UTA schon Löcher in Milliardenhöhe klaffen, Wahlsieger Koch, Merkel, Wulff: Wer regiert die CDU? will sich in der Not nicht verweigern. Im der spiegel 7/2003 23 Reformerin Schmidt, Regierungsberater Rürup: Steilvorlage von der Opposition kenkassen um bis zu sieben Milliarden Euro entlasten. Schon lange liebäugelt Schmidt im Ein- „Koalition der Vernunft“ klang mit den meisten Experten mit der Idee, die maroden Kassenfinanzen auf Kos- Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ten des Fiskus zu entlasten, war damit aber sucht nach Gemeinsamkeiten mit der Union. stets an Finanzminister Hans Eichel ge- scheitert. Nun darf sie hoffen, den Wider- inter den verschlossenen Türen des nach offizieller Regierungsversion in drei stand des Kassenwarts mit Hilfe der Union Bonner Abgeordnetenhauses ging Monaten zeigen. Bis dahin soll die von ihr brechen zu können. Die hatte vergangene Hes zu wie bei einer Gartenparty. eingesetzte Expertenkommission unter Woche gefordert, zahlreiche Kassenleis- Der Minister schleppte Salat und Kartof- Leitung des Darmstädter Ökonomen Bert tungen mit einer höheren Tabak- und Al- feln heran. Sein Gegenspieler von der Op- Rürup ihre Ergebnisse vorlegen. koholsteuer zu finanzieren. position ignorierte die Brandschutzbe- Doch was immer die Experten raten – Zudem arbeiten Schmidts Beamte an Plä- stimmungen, warf einen Grill an und wen- intern zeichnet sich längst ab, worüber nen, nach denen sich die Bürger gegen et- dete Holzfällersteaks. Schmidt mit der Opposition verhandeln liche Gesundheitsrisiken künftig privat ver- Es gab etwas zu feiern. Nach tagelangen wird, um sich die Zustimmung der unions- sichern sollen. Eine Steilvorlage lieferte ver- Verhandlungen hatten sich der damalige Ge- regierten Länder im Bundesrat zu sichern. gangene Woche die Union. Sie schlug vor, sundheitsminister Horst Seehofer von der Es geht um die Frage, was die gesetzli- die Bürger sollten für ihre Zahnarzt-Rech- CSU und SPD-Sozialexperte Rudolf Dreß- che Krankenversicherung künftig noch be- nungen künftig komplett selbst aufkommen. ler auf ein Spargesetz für das Gesundheits- zahlt und was nicht. Schmidt wäre bereit, Auch wenn Schmidt diese Idee zu weit wesen geeinigt – in einer „großen Koalition ein ganzes Bündel von Leistungen aus dem geht: Ihr Ministerium rechnet bereits durch, der Vernunft“, wie Seehofer jubelte. Katalog der Krankenkassen zu streichen – was es die Bürger kosten würde, eine Das war im Herbst 1992, und geht es wenn diese künftig von Steuerzahlern und private Pflichtversicherung für Brücken, nach dem Willen von Bundeskanzler Ger- Patienten übernommen werden. Jacketkronen und Zahnspangen abzu- hard Schröder, ist ein solches Bündnis bald Von versicherungsfremden Aufgaben schließen. wieder gefragt. Nach dem Wahldebakel der blieben AOK, Barmer

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