Valčuha & Sokolov Freitag, 24.03.17 — 20 Uhr Elbphilharmonie Hamburg, Großer Saal JURAJ VAL Č UHA VITO ŽURAJ (*1979) Dirigent Stand up VALeRIY SOKOLOV für großes Orchester Violine (Urauff ührung, Auft ragswerk des NDR) Entstehung: 2016 – 17 | Dauer: ca. 12 Min. bÉLA bARTÓK (1881 – 1945) Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 Sz 112 Entstehung: 1937 – 38 | Urauff ührung: Amsterdam, 24. April 1939 | Dauer: ca. 38 Min. I. Allegro non troppo II. Andante tranquillo III. Allegro molto P a u s e nDR eLbpHILHARmOnIe SeRGeJ pROKOfJeW (1891 – 1953) ORCHeSTeR Sinfonie Nr. 3 c­Moll op. 44 Entstehung: 1928 | Urauff ührung: Paris, 17. Mai 1929 | Dauer: ca. 35 Min. I. Moderato II. Andante III. Allegro agitato IV. Andante mosso – Allegro agitato Ende des Konzerts gegen 22.15 Uhr Einführungsveranstaltung mit Julius Heile um 19 Uhr im Großen Saal der Elbphilharmonie Eine Aufzeichnung des Konzerts wird am 08.05.2017 um 20 Uhr auf NDR Kultur gesendet. VITO ŽURAJ VITO ŽURAJ Stand up Stand up Als politischer Komponist möchte Žuraj aber nicht verstanden werden. Der Punkt ist ihm wichtig. „Ich Sapere aude – glaube nicht an politische Werke“, betont er im Ge­ spräch. Dafür glaubt Žuraj an musikalische Struktu­ ren und Assoziationen. Zu den düsteren Akkorden der tiefen Blechbläser am Anfang des Stückes habe Habe Mut ihn die Film musik zu „Citizen Kane“ inspiriert, und auch der trotzige Anfang von Beethovens „Coriolan“­ Žuraj übe R SICH S eLbST Der Name Vito Žuraj ist in der zeitgenössischen Musik­ Ouvertüre habe für manche Gesten in „Stand up“ szene längst ein Begriff. Žuraj ist Preisträger renom­ Pate gestanden. Am deutlichsten ist vielleicht das DeR K OmpOnist z Um We rk Als Kind versuchte ich, nach mierter Kompositionspreise, zuletzt erhielt er den Vorbild des Scherzos aus Prokofjews Dritter Sinfonie. Gehör die Musik am Klavier Claudio­Abbado­Preis der Berliner Philharmoniker, Die erregte Streicherfigur, mit der Prokofjew sein Zuerst spottend, danach wütend nachzuspielen, die ich im Radio Spitzenensembles geben bei ihm Stücke in Auftrag Scherzo eröffnet, hat Žuraj für sein Stück adaptiert. und schließlich übertönend – hörte. Dies war meine erste und spielen seine Musik. Und sein besonderer Spleen Im Grundton, so sagt der Kompo nist, sei „Stand up“ so reagiert das Orchester symbo­ Be gegnung mit Musik. Als nächs­ lisch auf jedes der drei Pauken­ tes Instrument empfahl mir mein hat sich auch schon herumgesprochen: „Top­spin“, eindeutig ein „dramatisches Werk“. soli in der Mitte des Werks. Diese Vater, Violon cello zu lernen. „Changeover“ oder „Deuce“ heißen einige seiner Wer­ Soli erklingen nicht in einem Meine Spielfreude an diesem ke. Der slowenische Komponist ist Tennisfan und hat Die Protagonisten des Dramas sind schnell identifi­ edlen Ton, sondern in einem eher Instrument war begrenzt und schwätzerischen. Die Bezeich­ entsprechend wack lig war meine sich von dieser Leidenschaft zu vielen seiner Stücke ziert. Am Anfang des Stückes steht eine in bis zu 50 nung Pauke ist vom mittelhoch­ Intonation. Nach dem Kompo­ inspirieren lassen. So schien denn alles klar und vor­ Einzelstimmen hoch komplex aufgefächerte Streicher­ deutschen Begriff „pûke“ sitionsstudium in Ljubljana und aussehbar, als im Vorfeld zu lesen war, auch sein neues gruppe. Sie bietet das Bild einer wild bewegten Masse. (= brüllen) abgeleitet. Auf Eng­ einem Aufbaustudium in Dresden lisch hat dieses Wort einen völlig absolvierte ich an der Hoch­ Stück für das NDR Elbphilharmonie Orchester solle Dem steht zunächst ein geschlossener Block aus Blä­ anderen Beiklang (= sich über­ schule für Musik Karlsruhe das einen Titel aus der Welt des Tennis tragen. Doch es sern gegenüber. Aus diesen Elementen entfaltet Žuraj geben). Tatsächlich verdreht es Solistenexamen Komposition kam anders. „Stand up“ heißt Žurajs jüngstes Werk, sein Hördrama. Die auffälligste Rolle nimmt im Laufe einem den Magen, wenn man bei Prof. Rihm und einen Master sich Äußerungen von den Rache­ of Arts in Musikinformatik. Ich und im Gespräch mit dem Komponisten erfährt man des Stückes die Pauke ein. Als Partner im sprichwört­ und Machtbesessenen auf brauch te jetzt noch 268 Zeichen, sehr bald, dass ihn noch ganz andere Dinge umtreiben li chen Duo von „Pauken und Trompeten“ kündigte Spitzenpositionen anhört, seien um meine Preise und Stipendien als die Leidenschaft für den weißen Sport. Vor allem sie seit jeher Bedeutsames an. Žuraj sieht für den Pau­ dies echte Personen oder fiktive zu nennen, weitere 203 für die wie Coriolan und Charles An gabe der wichtigsten Festival­ die aktuelle Nachrichtenlage habe ihn während der kisten drei große Soli vor, die er mit „demagogischen Fosters Kane. „Stand up“ steht uraufführungen etc. Aber wertes Komposition beeinflusst, erzählt Žuraj. Sich häufende Reden“ vergleicht. Drei Möglichkeiten der Antwort für Widerstand. Publikum, wie anders würden Sie meine Musik hören und be ­ Meldungen über „populistische Parolen“, die „Vorah­ gebe es auf solche Reden, meint der Komponist, man werten, je nachdem, ob hier ein nung unangenehmer Zeiten“ und ein „Gefühl, dass könne sie mit Lachen, mit Zorn oder mit Widerstand glänzender Biografietext steht unsere Werte ins Wanken geraten“, hätten ihn wäh­ beantwor ten. Das Orchester antwortet drei Mal auf oder ich einfach schrei be, dass ich aus Rače komme, einem rend der Komposition bewegt. Die ursprüngliche die Tiraden des Paukisten – und um dessen Töne kleinen ostslowenischen Dorf, Tennis­Idee war bald überholt. Nun ist „Stand up“ klanglich abzudecken, vereint sich bei der letzten mein Vater Imker ist, ich gern also ein musikalisches Plädoyer für poli tisches Rück­ Antwort fast der gesamte Streicherapparat in einer Tennis spiele? grat geworden. Mit „sich einsetzen für etwas“ ließe homogenen Klangfläche. sich der Titel, der mit Sport rein gar nichts mehr zu tun hat, sinngemäß übersetzen. Ilja Stephan 4 5 bÉLA bARTÓK bÉLA bARTÓK Violinkonzert Nr. 2 Violinkonzert Nr. 2 Vierteltöne zu hören, die für die Ohren eines jeden, der mit Musik von Monteverdi bis Mahler aufgewach­ Ein avantgardistischer sen ist, schmerzlich verstimmt klingen müssen. Rein äußerlich betrachtet ist Bartóks Zweites Violin­ Klassiker konzert ein mustergültig klassisches Konzert mit drei Sätzen in der Abfolge schnell­langsam­schnell. So machte man das seit Vivaldis Zeiten. Doch inner­ halb dieses klassischen Rahmens zog Bartók alle Béla Bartók (vorne) mit dem Gefällige Musik? Es beginnt so hübsch: In den ersten Takten von Béla Register; die Musik spannt den Bogen von simplem Geiger Zoltán Székely Bartóks Zweitem Violinkonzert zupft die Harfe im Folklorismus bis zu kühner Avantgarde, ohne dass Die ganze Sache strebt danach, gleichmäßigen Viertelrhythmus reine H­Dur­Dreiklän­ man je einen Bruch empfinden würde. Alles davon ist Béla Bartók zu gefallen, scharfe Rhythmen ge. Nach sechs Takten Vorlauf tritt die Violine mit dem echter Bartók. Und schaut man näher hin, so ist auch und Dissonanzen waren wenig ersten Thema hinzu. Gebaut ist es aus Quarten und der formale Aufbau des Stückes weitaus origineller verstörend und hinterließen Béla Bartók wurde am 25. März häufig einen guten Eindruck. Sekunden, vertraute Intervalle, die harmonische Welt als es auf den ersten Blick erscheint. Den Auftrag zu 1881 in Nagyszentmiklós, Un­ „Selbst mir hat das gefallen“, ist noch heil. Doch der Satz wird dichter, irritierende seinem Violinkonzert erhielt der Komponist von dem garn (heute Sinnicolau Mare, Rumänien) geboren. Seine konnte man in der Konzertpause Nebennoten schleichen sich ein, die Violine zieht das befreundeten Geiger Zoltán Székely. Seit Anfang der hören. In neun von zehn Fällen musikalische Grundausbildung ist Zustimmung dieser Art ein Tempo an. Nach 42 Takten, auf dem ersten Fortissimo­ 1920er­Jahre waren Székely und der Pianist Bartók erhielt er von seiner Mutter. Zeichen für die Schwäche des Höhepunkt, sind wir bereits mittendrin in der total Duopartner. Bartók hatte für sein Violinkonzert ei­ Nach dem Abitur 1899 besuchte Komponisten. er die Meisterklassen für Kla­ chromatischen Tonwelt des Béla Bartók. Einmal kurz gentlich einen einzigen Satz in Form von Variationen vier und Komposition an der Rezensent in „De Telegraaf“ meldet sich die heile Welt des Anfangs noch zurück, schreiben wollen, Székely aber bestand auf einem Budapester Musikhochschule. nach der Premiere von Bartóks „tranquillo“ (ruhig) schreibt der Komponist hier vor, „richtigen“, dreisätzigen Konzert. Und der Komponist Seit 1905 widmete sich Bartók gemeinsam mit dem Freund Zweitem Violinkonzert mit dann geht es „risoluto“ weiter. Das zweite Thema die­ fand einen Weg, es beiden recht zu machen. Das Zen­ Zoltán Székely und dem Con­ Zoltán Kodály der Volkslied­ certgebouworkest Amsterdam ses rhapsodischen, von starken Tempowechseln ge­ trum des Werkes bildet das „Andante tranquillo“ mit forschung. Er unternahm For­ unter Willem Mengelberg prägten Satzes wagt schon einen Flirt mit der neusten einer Reihe von Variationen über ein Thema, das in schungsreisen durch Ungarn, Rumänien, Transsilvanien, kompositorischen Errungenschaft der Zeit: Es ist ein unschuldigstem G­Dur beginnt. Die beiden Außen­ die Slowakei, die Türkei und Zwölftonthema, das zuerst von der Violine vorgestellt sätze, so verschieden ihr Charakter ist, erweisen sich Nordafrika. Die Ergebnisse wird. Darauf lässt Bartók die zwölf Töne im Orchester bei näherem Hinsehen als Varianten voneinander. dieser Forschungen prägten Bartóks Stil und Denken als unisono ausbuchstabieren, die Violine wiederholt ihr Bartók nutzte dasselbe Material, um eine völlig neue Komponist.
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