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HELMUT LACHENMANN (*1935) 1 Mouvement (– vor der Erstarrung) (1982/84) 22:27 für Ensemble 2 „...zwei Gefühle...“, Musik mit Leonardo (1992) 22:48 für 2 Sprecher und Ensemble 3 Consolation I (1967/90) 8:33 für 12 Stimmen und 4 Schlagzeuger 4 Consolation II (1968) 5:39 für 16 Stimmen TT: 59:56 Klangforum Wien Hans Zender SCHOLA HEIDELBERG ensemble aisthesis Walter Nußbaum Coverphoto: © Philippe Gontier 2 Klangforum Wien Helmut Lachenmann Sprecher 1 + 2 2 Eva Furrer Flöte 1 (mit piccolo) 1 , Bass-Flöte 2 Katrina Emtage Flöte 2 (Alt mit piccolo) 1 Sylvie Lacroix Alt-Flöte 2 Markus Deuter Klingelspiel 1 1 , EH 2 Donna Wagner Molinari Klarinette 1 1 Bernhard Zachhuber Klarinette 2 (Bass) 1 , Bass-Klarinette 2 Ernesto Molinari Klarinette 3 (Bass) 1 , Kontrabass-Klarinette 2 Lorelei Dowling Kontra-Fagott 2 Sasa Dragovic Trompete 1 1 Michael Gross Trompete 1 2 Marco Blaauw Trompete 2 1 Kurt Körner Trompete 2 2 Andreas Eberle Posaune 2 Wilfried Brandstätter Tuba 2 Ulrike Mattanowich Harfe 2 Christian Horvath Gitarre 2 Marino Formenti Klavier 2 Annette Bik Violine 1 2 Gunde Jäch-Micko Violine 2 2 Dimitrios Polisoidis Viola 1 1 , 2 Andrew Jezek Viola 2 1 Ilse Wincor Viola 2 2 Melissa Coleman Violoncello 1 2 , Violoncello 2 2 Andreas Lindenbaum Violoncello 1 2 Benedikt Leitner Violoncello 2 1 Uli Fussenegger Kontrabass 1 Florian Müller Klingelspiel 2 1 Mathilde Hoursiangou Klingelspiel 3 1 Adam Weisman Percussion 1 1 Lukas Schiske Percussion 2 1 , Percussion 1 2 Björn Wilker Percussion 2 2 Karl Fischer Percussion 3 1 3 Schola Heidelberg Corinne Allmendinger Sopran 4 Petra Hoffmann Sopran 4 Carola Keil Sopran 3 , 4 Lisa Rave Sopran 3 Anja Tilch Sopran 3 Iris Wagner-Göttelmann Sopran 4 Ute Hauswaldt Alt 4 Dorle Merkel Alt 4 Barbara Ostertag Alt 3 Truike van der Poel Alt 3 , 4 Marion Steingötter Alt 3 , 4 Joachim Buhrmann Tenor 3 Ashley Catling Tenor 4 Jörg Deutschewitz Tenor 3 , 4 Dennis Götte Tenor 3 , 4 Martin Ohm Tenor 4 Martin Backhaus Baß 3 , 4 Jörg Gottschick Baß 4 Matthias Horn Baß 3 , 4 Christoph Obert Baß 3 , 4 ensemble aisthesis Martin Homann 3 Dirk Rothbrust 3 Adam Weisman 3 Boris Müller 3 4 Photo: © Philippe Gontier © Philippe Photo: 5 Selbstportrait 1975 Komposition Scenario. Ab 1966 Lehrer für Tonsatz Woher – Wo – Wohin an der Musikhochschule Stuttgart. Streichtrio (für die Società Cameristica Italiana), Trio fluido, Geboren 1935 in Stuttgart. Pfarrhaus, viele Intérieur I für Schlagzeug 1967. Geschwister, viele Anregungen, viel Musik. Krieg. Aufsatz Klangtypen der Neuen Musik: abstrak- Nachkriegszeit. Klavierstunden, Knabenchor, ter Strukturalismus der fünfziger und empirisches Komponieren. Gymnasium, Bücher, Partituren. Klangdenken der sechziger Jahre integriert in der Abitur und Beginn des Musikstudiums in Stuttgart: wechselseitigen Umdeutung von „Klangstruktur“ Theorie und Kontrapunkt bei Johann Nepomuk und „Strukturklang“. Erstes Chorstück für Clytus David, Klavier bei Jürgen Uhde. Erste öffentlich Gottwalds Schola Cantorum Stuttgart: Consola- gespielte Stücke: Klaviervariationen über einen tion I (nach einem Text von Ernst Toller aus „Masse Schubert-Ländler, Rondo für zwei Klaviere. Mensch“), 1968 Consolation II („Wessobrunner 1957 zum erstenmal bei den Darmstädter Ferien- Gebet“). Consolation III und IV sind in Arbeit. kursen: Scherchen, Stockhausen, Pousseur, Seit 1970 Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Maderna, Nono, Adorno. Ab Herbst 1958 Studium Hochschule Ludwigsburg. Praktische und the- in Venedig bei Nono: Analysen alter und neuer oretische Erfahrungen und Konzepte finden Musik, serielle und freie Entwürfe, Kompositionen: um diese Zeit zusammen: die Verfestigung des Souvenir für 41 Instrumente, Due Giri für Orchester, Musikdenkens im tonal bestimmten Medium; die Tripelsextett. Mitwirkung an den Darmstädter Bedeutung dieser Verfestigung als ästhetischer Auseinandersetzungen von 1959 und 1960 Niederschlag von ideologischer Gebundenheit („Übersetzer“ zweier Vortragstexte von Nono). an überlebte, jedoch überlebende Normen; die 1960 Rückkehr aus Venedig, Wohnort München. Regression des Avantgarde-Betriebs im Sog des Unterstützung durch Künstler der älteren Genera- bürgerlichen Musikdenkens, das selbst in der tion: Herbert Post, Günter Bialas, Fritz Büchtger. vorläufigen Negation des Tonalen sich dessen Arbeiten auf der Suche nach dem eigenen Standort, kommunikativ bewährte Reize zunutze macht; die Vorträge, Auftreten als Pianist, kompositorische Fragwürdigkeit des politischen Anspruchs von Experimente mit offenen Formen, Introversionen. Musik, solange sich diese um das Problem herum- 1962 Uraufführung der Fünf Strophen auf der drückt, ästhetische Vorprogrammierungen unserer Biennale Venedig und von Echo Andante für Klavier Gesellschaft zu durchbrechen, ohne sie durch die in Darmstadt. Hintertür wieder zu bestätigen; die Suche nach dem 1963 und 1964 Kölner Kurse für Neue Musik: Ausweg über ein dem Alltagsdenken entlehntes pragmatische Handhabung des Klanglichen in realistisches Klangverständnis unter Vermeidung Stockhausens Plus-Minus; Studium von Fragen der des „exotischen“ Effekts: Klang als Nachricht sei- Aufführungspraxis bei Caskel Rzewski, Kontarsky. ner Entstehungsbedingungen, die Einbeziehung 1965 Arbeit im IPEM-Studio Gent, elektronische und strukturelle Abwandlung dieser Erfahrung als 6 unvermeidliche, notorische Tabuverletzung und che Normen, die – wenn auch ständig darauf gesellschaftliche Provokation. Die Bezeichnung bezogen – mit dem Wort „Tonalität“ längst nicht „instrumentale Musique concrète“ mag irreführend mehr erschöpft sind.) Das ästhetische Angebot, gewählt worden sein, die Werke selbst wurden ver- die Intensität, wenn man so will: die Schönheit standen; an temA Air, Pression und Kontrakadenz von Musik ist für mich untrennbar an das Niveau schieden sich die Geister. (Der Senator bei der der Anstrengung gebunden, mit welcher sich der Verleihung des Bach-Preises in Hamburg, als ich Komponist derartigen Vorwegbestimmungen im ihm für die Aufnahme im Gästehaus des Senats Material widersetzt: In solcher Auseinandersetzung, dankte: „Wenn ich Ihre Musik gekannt hätte, hätte als Auseinandersetzung mit der darin gebundenen ich Ihnen einen Zeltplatz vor der Stadt angeboten“) gesellschaftlichen Wirklichkeit, bildet er diese ab Jüngere Werke wie Gran Torso für Streichquartett, und drückt er sich aus. Mag schon sein, daß er Klangschatten – mein Saitenspiel und Fassade für dabei gelegentlich von der Wirklichkeitsferne des Orchester sind dem oberflächlichen Hörer eher ein eigenen Vokabulars gelähmt wird bis zur Paranoia Kahlschlag als eine natürliche neue Landschaft. angesichts der aktuellen Vorgänge, auf die unmit- Seit temA und Air geht es in meiner Musik um telbar einzuwirken ihm als Musiker verwehrt ist. streng auskonstruierte Verweigerung, Aussperrung Dies ist das Problem seiner politischen Wachheit dessen, worin sich mir Hör-Erwartungen als gesell- und deren Rückwirkungen auf seine Ziele als schaftlich vorgeformt darstellen. Dies bedeutet nicht Komponist. Glaubwürdig ist er mir nur in der konse- bloße Antithese, denn so eindeutig sind die Dinge quenten Auseinandersetzung mit den ästhetischen nicht. Vielmehr ergeben sich dialektische Arbeits- Kategorien der von ihm erschlossenen komposito- und Erfindungsprozesse im Zusammenhang mit rischen Mittel. den verschiedenen Eigenschaften von klingendem Ich hasse – nicht nur in der Kunst – den Messias Material, das bekanntlich nirgends frei, sondern und den Hanswurst. Der eine ist mir Zerrbild überall schon expressiv geladen und belastet ist. des anderen. Dafür liebe ich den Don Quichotte, (Der Begriff „Tonalität“ ist in diesem Zusammenhang und ich glaube an das kleine Mädchen mit den nichts als ein charakteristisches Kürzel für sol- Schwefelhölzern. 7 Mouvement (– vor der Erstarrung) Austrocknung wieder mit „unberührten“ Klängen zu für Ensemble (1982/84) komponieren, nicht bei solcher Flucht in die Exotik des Verfremdeten bleiben: Erst am erneut einbezo- Eine Musik aus toten Bewegungen, quasi letzten genen unverfremdeten Klang muß sich erweisen, Zuckungen, deren Pseudo-Aktivität: Trümmer aus daß es nicht um bloße Brechung des Klingenden entleerten – punktierten, triolischen, motorischen außerhalb, sondern um Aufbrechen und Aufbruch – Rhythmen selbst schon jene innere Erstarrung der Wahrnehmungspraxis in uns selbst geht. anzeigt, die der äußeren vorangeht. (Die Phantasie, die vor empfundener Bedrohung alle expressiven 1984 Utopien aufgibt und wie ein Käfer, auf dem Rücken zappelnd, erworbene Mechanismen im Leerlauf weiter bestätigt, deren Anatomie und zugleich deren Vergeblichkeit erkennend und in solchem Erkennen Neuanfänge suchend.) Die inszenierten Stadien des Werks, von der „Arco-Maschine“ über „flatternde Orgelpunkte“, O Du lieber Augustin „Zitterfelder“ und „gestoppte Rasereien“ bis zum geklopften „Lieben Augustin“ und anderen daraus sich verselbständigenden Situations-Varianten: Sie O Du lieber Augustin, orientieren sich durchweg an den daran gebunde- ‘s Geld is hin, ‘s Mensch is hin, nen äußeren mechanischen Vorgängen und machen O Du lieber Augustin, die leere Stofflichkeit der beschworenen Mittel Alles is hin! (auch der abstrakten, zum Beispiel intervallischen) Wollt’ noch vom Geld nix sag’n, bewußt als Kontrapunkt zu deren gewohnter, in- Hätt’ i nur ‘s Mensch beim Krag’n, haltslos gewordener Expressivität. O Du lieber Augustin, Leben enthält diese Musik als Vorgang der Alles is hin! Setzung und der Zersetzung. Solche Zersetzung wird nicht als Naturereignis prozeßhaft inszeniert oder gar zelebriert, sondern durch strukturelle Wien, 1679 Brechung der Klangmittel

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