DAS PHÄNOMEN DER PSYCHISCHEN ERKRANKUNG BEI KUNSTHISTORIKERN. Versuch einer Typologie an Hand der bekannten Beispiele Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzen-Universität Graz vorgelegt von Julia RATH am Institut für Kunstgeschichte Begutachter Univ.-Prof. Dr.phil. Johann Konrad Eberlein Graz, 2014 Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Diese Diplomarbeit wurde von Frau Dr. Claudia Caesar Korrektur gelesen, inhaltliche Veränderungen wurden jedoch nicht vorgenommen. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Graz, 2014 INHALT 1. Einleitung ....................................................................................................................................................... 3 2. Aby Moritz Warburg (1866–1929) ...................................................................................................... 7 Skizze seines Lebens .............................................................................................................................. 7 Warburgs psychische Erkrankung ................................................................................................... 12 3. Die Renaissance als Konfliktpotenzial .............................................................................................. 15 Henry Thode (1857–1920): Person und Werk ............................................................................. 15 Henry Thodes Renaissancebegriff ................................................................................................... 19 Eine Neuinterpretation der Renaissance durch Warburg .......................................................... 20 Zusammenfassung: Renaissance und Neurose ............................................................................ 21 4. Die Suche nach dem Genie ..................................................................................................................... 23 Carl Justi (1832–1912): Person und Werk .................................................................................... 24 Justis Geniebegriff ................................................................................................................................ 28 Thodes Faszination für das Genie .................................................................................................... 29 Zusammenfassung: Die Beschäftigung mit dem Genialen als Verarbeitungsstrategie ......................................................................................................................... 32 5. Interdisziplinäre Forschung als Weg in die Einsamkeit ........................................................... 34 Franz Theodor Kugler (1808–1858): Person und Werk ........................................................... 34 Interdisziplinarität bei Kugler ........................................................................................................... 36 Josef Strzygowski (1862–1941): Person und Werk ................................................................... 38 Interdisziplinarität bei Strzygowski ................................................................................................. 43 Interdisziplinarität bei Warburg ........................................................................................................ 45 Max Raphael (1889–1952): Person und Werk ............................................................................. 47 Interdisziplinarität bei Raphael ......................................................................................................... 49 Zusammenfassung: Interdisziplinarität als Sonderweg ............................................................. 53 6. Die Sprache der Wissenschaft .............................................................................................................. 55 Justi als Künstler-Biograf ................................................................................................................... 55 Warburgs kreative Sprache ................................................................................................................ 57 Wilhelm Vöge (1868–1952): Person und Werk .......................................................................... 58 Die Hölderlinsche Sprache bei Vöge .............................................................................................. 61 Zusammenfassung ................................................................................................................................. 63 7. Krieg und Emigration – fünf Skizzen von Kunsthistorikern auf der Flucht ...................... 64 Werner Weisbach (1873–1953) ........................................................................................................ 64 Leo Balet (1878–1965) ........................................................................................................................ 67 Max Raphael im Exil ........................................................................................................................... 68 Robert Freyhan (geb. 1901) ............................................................................................................... 70 Dorothea Klein (1903–1951) ............................................................................................................. 71 Zusammenfassung ................................................................................................................................. 72 8. Der „primitive Mensch“ und der Mythos ......................................................................................... 74 Aby Warburg und der Schlangentanz ............................................................................................. 74 Max Raphael: Steinzeit und Höhlenmalerei ................................................................................. 79 Zusammenfassung: Selbstfindung im Fremden .......................................................................... 81 9. ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................................................................. 82 LITERATURVERZEICHNIS .......................................................................................................................... 86 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ..................................................................................................................... 93 2 1. EINLEITUNG Ich möchte dieses Thema mit einer fiktiven Geschichte über die Begegnung zwischen Hippokrates und Demokrit bei den Abderiten einleiten, die im Rahmen der pseudohippokratischen Epistolae im Corpus hippocraticum überliefert ist.1 Die Bürger von Abdera holen aus Sorge um ihren Mitbürger Demokrit den Arzt Hippokrates von der Insel Kos. Sie vermuten, er sei verrückt geworden, nachdem er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und sich ganz auf seine Forschung konzentriert hatte. Als Hippokrates zu dem vermeintlich Kranken gelangt, findet er ihn mit der Vorbereitung einer Schrift über den Wahnsinn beschäftigt. Hippokrates beginnt ein Gespräch mit Demokrit und erkennt dessen Lachen als Ausdruck der Weltanschauung Demokrits, die er im Laufe des Gesprächs schätzen lernt. Hippokrates ist überzeugt, nicht einen Kranken, sondern einen Weisen vor sich zu haben und bezeichnet im Gegenzug die Abderiten als krank, da sie die Weisheit Demokrits für Wahnsinn hielten. Stuart Hampshire beschäftigte sich in seinem Aufsatz, der in dem von Max Black herausgegebenen Buch The morality of scholarship von 1967 veröffentlicht wurde, mit dem Thema des seelischen Konflikts bei Gelehrten in Bezug auf die Entstehung bedeutender Werke. Laut Hampshire entsteht die Bedeutung eines Werkes aus dem inneren Konflikt des Schriftstellers/Wissenschaftlers bei seiner Schöpfung. Mythenbildung und spekulative Hypothesen erscheinen dabei einem späteren Beobachter oft als eine Art von Wahnsinn bzw. als Hang zur Selbsttäuschung. Es ist zu hinterfragen, warum ein Material, das zunächst oft marginal wirkt, einen Konflikt verursachte und schließlich weitreichende Bedeutung entfaltete.2 Das in dieser Arbeit gewählte Themengebiet ist stark umstritten. Ich möchte hier jedoch weder psychologisierende Schlüsse ziehen, noch zur Bildung von Vorurteilen beitragen oder diese bestätigen. Im Gegenteil, es sollen Fakten zusammengestellt werden. Die wissenschaftlichen Leistungen von Kunsthistorikern, deren Krankheit bzw. Lebenskrise 1 Rütten 1992, 214. 2 Gombrich 1992, 23. 3 belegt ist, werden vorgestellt und in Zusammenhang mit ihren Forschungen auf dem Gebiet der Kunstgeschichte gesetzt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Kunsthistoriker Aby Moritz Warburg. Der Kunst- und Kulturwissenschaftler, bekannt durch Begriffe wie „Ikonographie“ oder „Pathosformel“, kämpfte Zeit seines Lebens mit starken seelischen Konflikten. Neben seiner außerordentlichen Leistung für das kunsthistorische Fach, wird in seinen Biografien auch immer wieder seine persönliche Krise beschrieben. Seine psychische Erkrankung beeinflusste nicht nur sein privates Leben, sondern auch seine kunst- und kulturhistorischen Forschungen. Von
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