Nachtschicht – Reise in den Tod Der Fernsehfilm der Woche Montag, 16. Januar 2012, 20.15 Uhr Inhalt 2 Afrika um die Ecke Vorwort von Daniel Blum 5 Stab und Besetzung 6 Inhalt 7 Über die "Nachtschicht"-Erfolgsgeschichte Statement von Lars Becker 9 Zehn Fragen an… 13 Biografien 34 Bildhinweis, Impressum 8. Dezember 2011 Afrika um die Ecke Vorwort von Daniel Blum "Die 'Nachtschicht' des ZDF ist ein fabelhafter Krimi, vielleicht der beste im ganzen deutschen Fernsehen. Sie ist Film und Serie zugleich. Man kann den Ermittlern (…) auf den Fersen bleiben oder zum ersten Mal zuschalten - die Geschichte stimmt, sie packt. Wenn Zuschauer um die Vorgeschichte dieser Truppe wissen, ist es gut, es geht aber auch ohne. 'Nachtschicht' schlägt einen großen Bogen und immer wieder einen kleinen, schildert Milieus und Figuren haargenau, besitzt eine eigene Bildsprache und einen Spiritus Rector, der alles zusammenhält: Lars Becker, der die Bücher schreibt und Regie führt. In all dem unterscheidet sich die 'Nachtschicht' von fast allen anderen Krimis im deutschen Fernsehen (….)" Michael Hanfeld, FAZ, November 2010 Manche Titel sind ihrer Zeit weit voraus: "Afrika um die Ecke“ hieß der Dokumentarfilm, den Lars Becker schon 1990 über Afrikaner und schwarze Deutsche in Hamburg gedreht hat. Die Konsequenz und Ge- radlinigkeit der Filmographie Lars Beckers in Bezug auf Genrevorlie- ben und die immer wiederkehrenden Themen bringt es mit sich, dass man in diesem Titel etwas erkennen kann, was auch diese besondere, weil thematisch stärker fokussierte "Nachtschicht" prägt. Lars Becker erzählt in dieser "Nachtschicht" von illegal hier lebenden Flüchtlingen, die es von Afrika bis Europa geschafft haben, um dort dann als Hausangestellte oder Küchenhilfen rechtlos und quasi ver- sklavt in der Unsichtbarkeit des grauen und schwarzen Arbeitskräfte- Marktes zu verschwinden. Die Vorgeschichte und Schicksale derer, die es geschafft haben, ähneln sich: Sie waren unterwegs auf den be- rüchtigtsten Transitrouten von Afrika nach Europa. Von Dakar ziehen sie mit dem Flüchtlingsstrom bis in die Sahara; auf klapprigen Lastwa- gen durchqueren sie zu Hunderten die Wüste, unter unvorstellbaren Entbehrungen. Immer wieder werden sie überfallen. Schlepper und korrupte Polizisten wechseln sich darin ab, den Flüchtlingen ihre letzte Habe zu nehmen. Der moderne Menschenhandel entlang der neuen großen Trecks ist auch ein brutales, hochprofitables Geschäft. Viele stranden, manche Spur verliert sich für immer. Die es schaffen, die mit letzten Mitteln die Grenzen passieren, die gefährliche Überfahrt in viel zu vollen Booten übers Meer überleben, erwarten Auffanglager, die Menschenkäfigen ähneln. 2 8. Dezember 2011 Doch auch wenn sie abgeschoben werden, sie werden wiederkommen, solange sich das Elend in ihrer Heimat nicht ändert. Die moderne Odyssee der neuen Arbeitssklaven hat gerade erst begonnen. Und hier begegnet die "Nachtschicht" des Kriminaldauerdienstes dem Schicksal eines Schwesterpaares, das bis zur Abschiebung in Deutschland gelebt hat und getrennt zurück nach Hamburg geflüchtet ist und versucht, hier zu überleben. Doch die Geschichte des alten Schleusers Markowitz, der kurz bevor er sich zur Ruhe setzen will, einen letzten hochgefährlichen Kampf beginnt, zeigt sehr anschaulich, wie fast unvermeidlich man als Flüchtling in den Sumpf der Kriminalität gerät. Schon beim Versuch die "Festung Europa" auf der Suche nach Zukunft, Hoffnung und Glück zu stürmen, verwandeln sich Menschen in eine Ware. Eine Ware, an der es viel, sehr viel zu verdienen gibt. Und wo Menschen gehandelt werden, gehört Mord zur Geschäftspoli- tik. "Der Krimi ist ein Genre ohne Grenzen“, auch davon ist Lars Becker überzeugt. Während die üblichen Krimi-Formate leider oftmals auf den kleinsten Nenner runterzurechnen sind (Ermittler-Duos, garniert mit Privatmacken, plus Mordfall), hat Lars Becker mit der ZDF-Reihe "Nachtschicht“ dem deutschen Fernsehkrimi einen kräftigen Innovati- onsschub verpasst. Was sich in den etwa zwölf Stunden einer Nachtschicht abspielt, ist nicht bloß ein Fall, sondern die Welt, fokus- siert in einem Ausschnitt: Liebesgeschichten, Action, Sozialdrama, Groteske, politische oder kriminelle Korruption, Milieustudie. Das alles hat - neben dem klassischen Krimiplot - Platz in diesem Polizeifilm der besonderen Art. Dazu bemerkt Lars Becker: "Die "Nachtschicht" sollte sich von den üblichen Krimis unterscheiden, indem weniger die Geschichte im Vordergrund steht, sondern vielmehr das Milieu, in dem die Arbeit von diesen Polizisten stattfindet, innerhalb dieser zwölf Stunden der "Nachtschicht" und mit ganz verschiedenen spannenden Aufgaben und Notrufen.“ Wie schon in seinen spannenden Romanen, die er früher schrieb, pflegt Lars Becker auch in der Filmarbeit bevorzugt den Umgang mit klaren Genres. Besonders liebt er bekanntermaßen den Stil des Neo- Noir-Thrillers, der seine Herkunft vom amerikanischen und französi- schen "Straßen-Western" nicht verleugnen kann. Leider steht er damit hierzulande bis heute relativ allein auf weiter Flur. Aber dies macht seinen State of Art des filmischen Erzählens recht kostbar, weil ein- zigartig. Dabei beherzt er immer die drei Grundregeln einer erfolgrei- chen Arbeit mit Filmgenres: 1. die Meister des jeweiligen Genres wirk- lich gut zu kennen; 2. die Regeln des Genres sehr ernst zu nehmen und seine Konventionen zu respektieren; 3. die Regeln und Konventi- 3 8. Dezember 2011 onen des Genres trotzdem immer wieder auszuloten und zu erweitern. Frei nach dem Motto: Nur wer das Genre ändert, bleibt ihm treu. "Afrika um die Ecke“ könnte also auch der geheime Untertitel dieser "Nachtschicht" sein. Die Grenzen, Schutzwälle und Zäune, mit denen Europa sich abschottet, sorgen zwar dafür, dass Afrika längst nicht mehr um die Ecke scheint, sondern immer ferner rückt. Aus afrikani- scher Perspektive wird Europa so immer mehr zum Trugbild einer vermeintlichen Verheißung – je näher die Flüchtlinge dieser Chimäre kommen, desto größer ist die Gefahr dabei zu ertrinken oder als ille- gale, rechtlose Menschenware im Markt unterzugehen. Aber "Afrika um die Ecke“ trägt noch einen anderen Sound in sich – und der erzählt von einer machbaren Utopie, in der die vermeintlich fremden Lebens- geschichten in einer Stadt wie Hamburg einen Ankerplatz aus Würde und Gerechtigkeit vorfänden. Ein "Tor zur Welt", das der Welt auch offenstünde und einen Ort böte, wo man sich für die Kraft und die Ge- schichten dieser Menschen interessiert. Lars Becker hört diesen Ge- schichten schon lange zu und verwebt sie ohne moralischen Zeigefin- ger, aber mit schonungsloser Ehrlichkeit und gnadenlosem Witz zu Geschichten von nebenan. Die lässige, kleine Szene, in der Kommis- sarin Hu ("Frau Hu ist so was von deutsch, deutscher geht’s gar nicht!“, sagt Kommissar Erichsen) in den Afrika-Callshop im Schanzen-Viertel kommt, erzählt 'en passant’ davon, wie lustig es sein kann, wenn Afrika um die Ecke liegt. Daniel Blum, Redaktion Fernsehfilm II 4 8. Dezember 2011 Montag, 16. Januar 2012, 20.15 Uhr Nachtschicht – Reise in den Tod Der Fernsehfilm der Woche Buch und Regie Lars Becker Kamera Andreas Zickgraf Szenenbild Iris Trescher-Lorenz Kostüm Fana Becker Musik Stefan Wulff, Hinrich Dageför Schnitt Sanjeev Hathiramani Produktion Network Movie, Film- und Fernseh- produktion GmbH & Co. KG, Köln Produzenten Wolfgang Cimera, Bettina Wente Producerin Annett Neukirchen Herstellungsleitung Annette Oswald Produktionsleitung Tim Körbelin Redaktion Daniel Blum Länge 89'32 Minuten Die Rollen und ihre Darsteller: Erich Bo Erichsen Armin Rohde Lisa Brenner Barbara Auer Mimi Hu Minh-Khai Phan-Thi Polizeichef Theo Lomax Peter Kremer Bruno Markowitz Götz George Lola Obasi Hadnet Tesfai Marie France Amadou Dominique Siassia Gloria Adewunmi Liz Baffoe Julius de Graaf Filip Peeters Daniela de Graaf Jeanette Hain Charles Starek Jan-Gregor Kremp Franz Pirroni Clemens Schick Clemente Christian Redl Dexter Herold Tristan Seith Lorenzo Müller Alexander Wipprecht Meyerhoff Stephan Schad und andere 5 8. Dezember 2011 Inhalt: Markowitz (Götz George) bringt für ein Menschenhändler-Kartell afrikanische Flüchtlinge nach Hamburg. Die Illegalen kommen aus Somalia, Eritrea, Kongo, Nigeria oder dem Senegal und sind auf überfüllten, abgetakelten Trawlern über das Mittelmeer nach Italien geschifft worden. Die, die es bis dahin geschafft haben, werden mit fensterlosen Kleintransportern über Europa verteilt. Irgendwo in Süd- tirol übernimmt der wortkarge Markowitz seine Passagiere. Doch bei einer Verkehrskontrolle der Polizei flüchtet diesmal die Hälfte seiner Ladung. Während Markowitz die Flüchtlinge sucht, geht das Nachtschicht- Dezernat in Hamburg einer Anzeige von häuslicher Gewalt nach. Eine illegale Haushaltsangestellte aus dem afrikanischen Benin, Marie- France (Dominique Siassia), wurde von ihrem Chef misshandelt, wagt aber nicht, gegen ihn auszusagen. Bisher hat Markowitz das Schicksal seiner Passagiere wenig interes- siert: Er ist schließlich 65 und will sich bald zur Ruhe setzen. Doch die junge Lola Obasi (Hadnet Tesfai) ist anders als die anderen. Das spürt Markowitz. Lola, auf der Suche nach ihrer Schwester, die ebenfalls nach Deutschland geschleust wurde, bittet Markowitz, sie frei zu las- sen. Sie weiß, dass Hamburg nicht das "Tor zur Welt“ ist, sondern dass sie über Jahre ihre Schulden bei den Schleppern als unsichtba- res Dienstmädchen abarbeiten wird. Davor will sie sich und ihre Schwester bewahren. Während Markowitz den ritterlichen Impuls Lola zu helfen zunächst mit einigem Alkohol erfolgreich herunter spült, stoßen Lisa Brenner,
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