Tierhorrorfilm

Tierhorrorfilm

Repositorium für die Medienwissenschaft Hans Jürgen Wulff; Caroline Amann Tierhorrorfilm: Ein Dossier 2013 https://doi.org/10.25969/mediarep/12783 Veröffentlichungsversion / published version Buch / book Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Wulff, Hans Jürgen; Amann, Caroline: Tierhorrorfilm: Ein Dossier. Hamburg: Universität Hamburg, Institut für Germanistik 2013 (Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 150). DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/12783. Erstmalig hier erschienen / Initial publication here: http://berichte.derwulff.de/0150_13.pdf Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0/ Attribution - Non Commercial - No Derivatives 4.0/ License. For Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu dieser Lizenz more information see: finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Medienwissenschaft / Hamburg: Berichte und Papiere 150, 2013: Tierhorrorfilm. Redaktion und Copyright dieser Ausgabe: Hans J. Wulff, Caroline Amann. ISSN 1613-7477. URL: http://www.rrz.uni-hamburg.de/Medien/berichte/arbeiten/0150_13.pdf Letzte Änderung: 18.3.2013. Tierhorrorfilm: Ein Dossier Inhalt: tent gegen allzu schnelle Variation. Sie spielen mit Hans J. Wulff: Tierhorror. Einleitende Bemerkungen. dem Wiedererkennen (auf einer realistischen wie auf Caroline Amann (Komp.): Tierhorror-Filme, 1930-2012. einer imaginären Ebene, weil Alligatoren tatsächlich gefährlich sind und weil es Schneemenschenwesen nicht gibt, die Begegnung mit ihnen in der Welt der Tierhorror: Fiktion aber trotzdem tödlich sein kann). Einleitende Bemerkungen Das gilt für der Realität entnommene Tiere ebenso Hans J. Wulff wie für phantastische Wesen wie Werwölfe, Drachen oder Urzeitmonster. Die Gesamtfilmographie zeigt, dass sich das Genre im Verlauf der Zeit und beson- Tierhorror – Genre oder Motivkreis? Kennt der Tier- ders nach 1990 immer mehr um synthetische Tiere horror genretypische Erzählmuster? Gemeinsam ist anreichert, die auf den Rechnern der SFX-Leute ent- allen Filmen der überaus langen Liste von Beispie- stehen, die das designing of creatures mit offensicht- lem, die man dem Motivkomplex zuordnen würde, lichem Vergnügen betreiben (und dabei die – an dass sie Tiere als Hauptfiguren inszenieren, immer Realität und Legenden orientierte – Biologie der in der Position der Bösewichte, in immer tödlicher Horrortiere in eine modulare Biologie phantastischer Bedrohung der Menschen, die sich zur Wehr setzen Tiere umwandeln). Es gibt aber nicht eine einzige und retten müssen, sich und manchmal die ganze kanonische Erzählung und auch keine einheitliche Welt. Tierhorror als filmisches Sujet wird erst in der Beschreibung der Figuren, auf die alle Filme der Tonfilmzeit entfaltet, auch wenn es bereits Drachen- Liste zurückgeführt werden könnten. Beide entfalten wesen (man denke an Siegfrieds Kampf in Fritz sich nicht nur historisch, sondern auch synchron als Langs Die Nibelungen, Deutschland 1924) und Di- Ensembles von Formen und Elementen. Beide tra- nosaurier gegeben hat (The Lost World, USA 1925, gen aber Spuren der Typifizierung an sich, und im Harry O. Hoyt, Willis O’Brien, nach dem Roman historischen Verlauf entstehen immer wieder Refe- Conan Doyles) und Stoffe wie Arthur Conan Doyles renzfilme, die Modell und Beispiel für weitere Pro- The Hound of the Baskervilles (1901-02) bereits in duktionen werden. Die Welt des animalischen Hor- den 1910ern mehrfach verfilmt wurden. Eigenstän- rors nach King Kong (USA 1933, Merian C. Cooper, digkeit bekam der Tierhorror erst in den 1950ern, Ernest B. Schoedsack), Jaws (1975) oder Jurassic erst seitdem hat er sich in die Vielfalt der Erschei- Park (USA 1993, Steven Spielberg) ist nicht mehr nungen entfaltet, wie wir ihn heute kennen. Im die gleiche, sie hat einen neuen Impuls aufgenom- gleichzeitigen Wirken der Strategien von Wiederho- men, weil die genannten Filme als impuls- und lung, Variation und Veränderung entsteht ein dem formgebende Referenzfilme in die Entwicklung des Genre und dem Motivkomplex eigenes Gedächtnis Genres selbst eingegangen sind. der Formen und der Inhalte, ein konventioneller, his- torisch gewachsener Bestand an Figuren, dramati- Tiere sind im Tierhorrorfilm Täter, nicht Helfer oder schen Konstellationen, Erzähltechniken, auf den Mittel der Handelnden. Sie gehören der Sphäre des über Jahrzehnte hinweg zurückgegriffen werden Bösen und Gefährlichen an, sind Ant- und nicht kann. Selbst die Substantialia der Erzählung – die Protagonisten. Je realistischer ein Film ist und je na- Handlungsorte, Requisiten oder die gesamte natürli- turgetreuer er ein Tier zeichnet, desto typischer trifft che und kultürliche Umwelt der Figuren – sind resis- Tierhorrorfilm // Medienwissenschaft/Hamburg, 150, 2013 /// 2 er das Zentrum der Bestimmungselemente des ani- durch die Toiletten entsorgen, wenn sie zu groß wer- malischen Horrors. Tieren kommt in der Realität Ge- den, und dass die Tiere sich in den Abwasserkanälen fährlichkeit zu, abhängig von Größe, Verhalten, Do- bestens zurechtfinden und zu ausgewachsenen Ex- mestizierung etc. Manche Tiere werden auch in der emplaren heranwachsen, hält sich seit vielen Jahren, Realität dazu eingesetzt, Menschen zu attackieren, ob sie stimmt oder nicht, ist unwichtig. vielleicht sogar zu töten. Insbesondere die Blut- und Wachhunde werden darauf dressiert, anzugreifen Viele Tiere der Alltagswelt (und nicht nur dieser) und zu verletzen, bleiben darum auch Träger eines sind mit affektiven Bedeutungen belegt, die nach verhaltenssteuernden Wissens. Das „Cave canem“ Meinung mancher Theoretiker in tiefe Zonen des kann ernstgemeint sein, und man tut besser daran, Unterbewusstseins zurückweisen und auf Urängsten den Wachhund zu meiden. Der erworbene Wissens- gründen. Insbesondere Schlangen und Spinnen gera- zusammenhang enthält eine Fülle von einzelnen Tie- ten in den Sinn, doch auch die Welt des insektoiden ren und ihren Eigenschaften, vor allem von Anekdo- Ungeziefers (wie die der Schaben und Kakerlaken). ten, in denen sie narrativ erschlossen und beschrie- Ob man es mit realer Gefährlichkeit, mit phylogene- ben werden. Tiger sind gefährlich, weil sie Men- tisch alten, symbolischen Belegungen oder mit kul- schen fressen, wir wissen es aus den Geschichten, in turgeschichtlich hervorgebrachten Ängsten und Ur- denen von den maneaters die Rede ist. So schließt teilen (wie etwa die These, dass Wölfe Menschen sich auch der Kreis – Tierhorrorfilme sitzen dem anfallen) zu tun hat, ist für den Tierhorror nicht Wissen über die Tiere auf und stellen erneut unter wichtig. Hier geht es primär um die Kompatibilität Beweis, dass die Annahmen, die wir (also: die Zu- der Geschichte mit dem voraussetzbaren Wissen, das schauer) über die Tiere haben, stimmen. Zuschauer mitbringen. Wird die Differenz zu groß, entsteht ein grotesker Effekt, die Geschichte tendiert Es sind die wilden Tiere, die den engeren Kern der zur Komödie (wenn etwa Feldhasen zu Horrortieren „Gefahrentiere“ bilden. Es fallen die Raubtiere auf, erklärt werden sollen wie im Kurzfilm Angriff der die die Filmographie bevölkern – Löwen und Tiger, Killerhasen, BRD 1982, Joachim Stolze); vielleicht Panther und Bären, Wölfe. Einige Fische wie die aus diesem Grunde enthält die Filmographie keine Haie und die Piranhas (und nicht die Forellen oder Werke mit Horror-Hamstern oder mörderischen Wel- die Heringe). Ganze Gattungen wie die Schlangen lensittichen. Und schon die Beispiele mit Killer- oder die Spinnen. Zahlreiche Insekten. Ungeziefer Schafen und -Kühen oder mit Lamas wirken eher aller Art, vor allem die Ratten (aber gelegentlich belustigend als bedrohlich. auch Schaben oder Kakerlaken). Und manches, was eher mit dem Urteil des Ekelerregenden belegt ist als Die Harmlosigkeit der Tiere in der Zivilisation ist mit dem der Gefährlichkeit (Schnecken, Mollusken, immer brüchig und ambivalent, weil insbesondere Würmer aller Art, Oktopusse und dergleichen mehr). Krankheiten das Verhaltensprogramm massiv verän- Manchmal bedarf es der Vergrößerung zum Riesen- dern können, so dass die Tiere in einen „vorzivilisa- wuchs, um das Gefährliche in den Vordergrund zu torischen Zustand“ zurückkehren. Wenn die Titelfi- stellen. Manche Tiere sind mit anderen Geschichten gur aus Cujo (1983) von der Tollwut befallen wird, belegt, die sie gegen unser intuitives Verständnis ab- wendet der Hund sich von seiner (erlernten) Rolle schirmen; wenn etwa die Gottesanbeterin dafür be- als Haustier und Kinderfreund ab und zeigt seine ur- kannt ist, dass sie ihren Geschlechtspartner nach sprüngliche Gefährlichkeit. Die Skepsis, dass die zi- dem sexuellen Akt frisst, sperrt sich das anekdoti- vilisatorische Rolle, die viele Tiere einnehmen, brü- sche Wissen gegen eine einfache Einvernahme, lädt chig ist und dass unter der Folie des Erlernten eine allerdings zur Metaphorisierung ein. Manches ent- ursprünglichere, dem Menschen feindlich gesinnte stammt den Schlagzeilen (wie die Angriffe der Kil- Gefährlichkeit lauert, ist allenthalben spürbar. Nun lerbienen), manches einer ganz unklaren Mythologie ist das Auftreten der Tiere in Horror- und Katastro- (wie die Schneemenschen). Urbane Legenden liefern phenszenarien aber natürlich nicht nur ein Einbruch gerade dann wissensrelevante und gedächtnisstabile des Vor- oder Außerzivilisatorischen, sondern stellt Informationen, wenn ihr Inhalt obskur ist; die Ge- auch die Menschen vor eine Bewährungsprobe. Sie schichte,

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