Expertenwissen, Habitus Und Kulturelle Codes Im Machtfeld Der EU

Expertenwissen, Habitus Und Kulturelle Codes Im Machtfeld Der EU

Kerstin Poehls Europa backstage 2009-05-28 15-36-16 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cf211418339886|(S. 1 ) T00_01 schmutztitel - 1037.p 211418339894 Kerstin Poehls (Dr. phil.) lehrt am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind Eliten- forschung und ihre Methodologie, Performanztheorien sowie die Inszenierung Europas als sozialer und symbolischer Raum in Alltag und Museum. 2009-05-28 15-36-17 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cf211418339886|(S. 2 ) T00_02 seite 2 - 1037.p 211418339928 Kerstin Poehls Europa backstage Expertenwissen, Habitus und kulturelle Codes im Machtfeld der EU 2009-05-28 15-36-17 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cf211418339886|(S. 3 ) T00_03 titel - 1037.p 211418339958 Die vorliegende Arbeit wurde am 3. Dezember 2007 vom Dekan der Philoso- phischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Michael Borgolte, als Dissertation anerkannt. Gefördert vom Evangelischen Studien- werk e.V. Villigst. GutachterInnen: Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba, Prof. Dr. Beate Binder Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geis- teswissenschaften in Ingelheim am Rhein, der FAZIT-Stiftung und der Dezen- tralen Frauenbeauftragten der Humboldt-Universität zu Berlin. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut- schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 transcript Verlag, Bielefeld This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License. Umschlaggestaltung: gewerk, Berlin Lektorat & Satz: Kerstin Poehls und Matthias Schöbe Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1037-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected] 2009-05-28 15-36-17 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cf211418339886|(S. 4 ) T00_04 impressum - 1037.p 211418339990 Inhalt Im Foyer 9 Im Königreich der Kulturpolitik 13 Theoretische Rahmungen 16 Fragestellung der Arbeit 21 Das Ziel: Making them more like us ... 25 Forschungsstand 27 The Making of (the) fieldwork(er) 40 1 Der Blick zurück nach vorne. Zur Institutionalisierung einer Idee von Europa 53 Mythen, Motive, Männer 58 Französische Grande Ecole vs. englisches College 75 Fazit: Schritt halten oder Tempo machen im europäischen Bildungsmarkt? 77 2 Homo Europaeus in the Making. Zur formellen und informellen Formation einer potentiellen Elite 83 Akteure eines europäisierten Elitenmilieus? 86 »It all starts before ...«: Soziale Herkunft und das Möglichkeitsfeld EU 89 »Elite« als rahmender Begriff. Strategische Aneignungen und rhetorische Abgrenzungen 94 »This is the sort of candidate we want. He must be accepted.« 103 ERASMUS als Biographiebaustein 108 Zuhause im transnationalen Europa 113 Techniker im Netzwerk der Macht. Zu implizitem Politikverständnis und professioneller Sozialisation der Kollegiaten 116 »Respect the deadline!« Vom Umgang mit Zeit und dem Impetus der Dringlichkeit 128 EUropa darstellen: Von Entkörperlichung und studentischer Performanz 136 Embodying EUropeanness 151 Gendering EUrope 152 Fazit: Homo Europaeus in the Making 160 3 Ortseffekte. Das Kolleg, ein europäischer »Mikrokosmos«? 161 Spielerische Ironie und ernsthaftes Spiel 164 Die Probebühne 165 Europäische Orte? Die Ausbildungsstandorte Brügge und Natolin 167 Inseln im Stadtraum: eine eurogénération on the move sitzt fest 177 Rhythmus, Regeln, Rituale: Das Studienjahr 182 Luxus und Selbstbeschränkung 186 Wo man Platz nimmt... 188 Ein soziales »Experiment«? 191 Placemaking – Spacemaking: Selbstverortung und die national parties 193 Deplatzierungen 204 Die College community: Professionelle Navigation im EU-Europa 208 Fazit: Ein symbolischer Ort in einer »flüchtigen Moderne« 212 Lost in Circulation. Überlegungen zum Statusgefälle zwischen Ost- und WestEUropa 216 »Kulturtransfer« als politische und wissenschaftliche Denkfigur 218 »Only here I learned the history of the European Union beyond the facts.« 222 »Wir« und der Osten als das »andere« Europa 229 Fazit: Das Fremde im Eigenen 233 Ausblick: The Making of Homo Europaeus 237 Dank 247 Anhang 249 Namen der promotions und Jahrgangsgröße 249 Literaturverzeichnis 251 Gerade bin ich in Brügge am Europakolleg angekommen. Ich setze mich in die Eingangshalle neben die Tür eines Büroraums. Niemand reagirt, als ich anklopfe. Ich schaue hinein: leer. Setze mich in einen von zwei Stühlen, auf dem Tisch neben mir liegen aufgefächert ein paar Broschüren, die über das Studium am Europakolleg und die Zu- sammensetzung der Studierenden informieren: welches Durch- schnittsalter, Herkunft, Zahlen, Anteil weiblicher und männlicher Stu- dierender, Fremdsprachenkenntnisse. Durchschnittlich drei Fremd- sprachen, manche können sieben! Ich blättere die Broschüre einmal durch, mir wird etwas mulmig. Noch habe ich niemanden gesehen, es ist auch vollkommen leise, vielleicht essen gerade alle? Ich schaue mich noch mal um: Mein Name steht auf einem Umschlag, der zur Hälfte hinter einer Fensterscheibe klemmt. Daneben andere Umschlä- ge mit den Namen von Professoren, die wohl auch heute anreisen. Ich fahre in dem winzigen Fahrstuhl nach oben und beziehe mein Zimmer. Vor einem der großen Fenster weht die Flagge des Europakollegs. Bei jedem Windstoß schlägt sie lärmend an die Fahnenstange. Zwei akku- rat blauweißkariert bezogene Betten, zwei Schränke, zwei Schreibti- sche, ein Sessel. Ich bin da. Bin ich da? Habe meinen Koffer ausgepackt und stehe nun vor dem blassweißen Hauptgebäude des Europakollegs nur ein paar Gehminuten von mei- ner Unterkunft entfernt. Große Fenster, Fahnen an kurzen Stangen, gegenüber einige Bäume auf einem kleinen Platz und eine Gracht, an deren anderem Ufer ein elegantes Stadthaus aus altem Backstein. Da- neben ein Luxushotel, wie es scheint. Der Marktplatz im Zentrum der Altstadt liegt gleich um die Ecke, anstelle von Autogeräuschen höre ich Hufgeklapper aus der engen Straße dorthin. Die erste Tür gleitet aus- einander, ich trete in einen kleinen Vorraum. Auch dort eine Europa- flagge auf einem Ständer. Hinter einer Glaswand das Foyer mit dunk- len Tischen und Ledersesseln. Auch dort ist niemand zu sehen. Am Empfang sitzt niemand, für die zweite Tür braucht man wohl einen Zugangscode ± eine Chipkarte. Kein Zutritt zum »Feld« also für den Moment. Ich gehe wieder nach draußen. Die Glocken des Belforts schlagen minutenlang die ¾Ode an die Freude½. Europa in meinen Oh- ren, bevor ich überhaupt mit jemandem gesprochen habe.1 1 Feldtagebuch (FTB) vom 2. Februar 2004. Im Foyer Europa, Europäische Union, Europäisierung ± drei allgegenwärtige Begriffe, die sich auf ein politisches und kulturelles Projekt und ein Konstrukt ohne Vorbild beziehen. Auch wenn EUropa1 seit Beginn der wirtschaftlichen Integration in den 1950er Jahren immer größeren Raum im Alltag von Europäerinnen und Europäern einnimmt, so be- steht weder bei diesen noch bei den politischen Eliten Einigkeit darü- ber, was EUropa ist und sein soll. Die Meinungen über die anzustre- bende äußere Form und innere Struktur EUropas gehen auseinander; heutige (und zukünftige) Mitgliedsstaaten vertreten unterschiedliche Sichtweisen zur optimalen Größe, dem institutionellen Gefüge oder der politischen »Bestimmung« der EU. Die Referenden über einen EUro- päischen Verfassungsvertrag im Jahr 2005 und die sich nach wie vor als schwierig erweisende innereuropäische Zusammenarbeit werfen ein Licht darauf, dass die nationalen und europäischen politischen Eli- ten und ein Großteil der Bevölkerung keine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft der EU und Europas teilen. In Statistiken, Meinungsumfragen und wissenschaftlichen Arbeiten wird erhoben, wie »europäisiert« die europäische Bevölkerung ist. Eu- ropäisierung meint dabei die alltägliche Bezugnahme auf Europa, die 1 Mit EUropa ist der geographische Teil Europas gemeint, der gegenwärtig Teil der Europäischen Union ist oder in Beitrittsverhandlungen steht bzw. in Kürze beitreten wird. Diese Schreibweise soll auf ein problemati- sches Verhältnis und die je nach Perspektive gegebene Unterscheid- barkeit von »EU« und »Europa« hinweisen. Die oftmals implizit vorge- nommene Gleichsetzung der beiden Kategorien führe ich hier nicht fort, sondern betone vielmehr ihren sozialer und kulturellen Konstruktions- charakter. 9 EUROPA BACKSTAGE Präsenz der EU im Mediendiskurs der nationalen Öffentlichkeiten ± und auch die Entstehung einer gemeinsamen öffentlichen Sphäre, in der über EUropa berichtet und damit zugleich zur Konstruktion Euro- pas beigetragen wird (vgl. Delhey 2004, Hall 2003, Johler 1999). Borneman und Fowler haben die EU als ein zirkulares Phänomen be- zeichnet ± sie manifestiert sich in den vielfältigen Europäisierungsdis- kursen und wird zugleich erst durch diese hervorgebracht: »[T]his circularity ± the EU as both cause and effect of itself ± begs the funda- mental question of what it in fact is.« (Borneman/Fowler 1997: 488, vgl. konträr dazu Bach 2000) Die Akteure in den Europäischen Institu- tionen arbeiten mit daran, »sich die europäische Idee anzueignen, gleichsam als wollten sie eine Deckungsgleichheit mit dem Begriff Eu- ropa und allen damit verbundenen Interpretationen erreichen. Der Begriff Europa

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