• BLICKE AUF SCHUMANN • Ulrich Tadday Zum Wandel des Schumann Bildes ls Robert Schumann mit Gründung der Antichromatiker, auf der Linken die Jünglinge, A»Neuen Zeitschrift für Musik« die musik- die phrygischen Mützen, die Formenverächter, publizistische Bühne betritt, sorgt er durch einen die Genialitätsfrechen, unter denen die Beetho- forschen, energischen Auftritt für öffentliches vener als Classe hervorstechen. Im Juste-Milieu Aufsehen. Er schlägt kritische Töne an, indem schwankt Jung und Alt vermischt. In ihm sind er den Lesern seiner Zeitschrift »Zur Eröffnung die meisten Erzeugnisse des Tages begriffen, die des Jahrganges 1835« unmissverständlich erklärt: Geschöpfe des Augenblicks, von ihm erzeugt »Das Zeitalter der unnützen Complimente geht und wieder vernichtet«.2 Unterstellen zu wollen, nach und nach zu Grabe; wir gestehen, daß wir Schumann habe als Musikkritiker insgeheim po- zu seiner Neubelebung nichts beitragen wollten… litische Absichten verfolgt, wäre verquer, verfehlt Wir kennen die Sprache wohl. Mit der man über wäre es aber auch in den politischen Vokabeln, unsere heilige Kunst reden müßte – es ist die des mit denen er seine musikästhetischen An- und SCHUMANNBLICKE AUF Wohlwollens; aber beim besten Willen, Talente Absichten von Mal zu Mal verkleidet und ver- wie Nichttalente zu fördern oder zurückzuhalten, k auf t , nu r ei ne st i l ist ische At t it üde zu sehen. Den n g e ht e s k au m – woh l wol l e n d . I n d e r k u r z e n Z e it u n - Schumanns »Neue Zeitschrift für Musik« erhebt seres Wirkens haben wir mancherlei Erfahrungen einen programmatischen Anspruch, der sich ro- gemacht. Unsere Gesinnung war vorweg festge- mantisch revolutionär zu verstehen gibt und das stellt. Sie ist einfach, und diese: die alte Zeit und radikale Ziel verfolgt, den Zopf der alten Kritik, ihre Werke anzuerkennen, darauf aufmerksam zu deren Organ die »Allgemeine Musikalische Zei- machen, wie nur an so reinem Quelle neue Kunst- tung« ist, abschneiden zu wollen, nicht zuletzt um schönheiten gekräftigt werden können, – sodann auch Schumanns eigenen Klavierkompositionen die letzte Vergangenheit als eine unkünstlerische öffentliche Geltung zu verschaffen. zu bekämpfen, für die nur das Hochgesteigerte 1834/35, zu der Zeit als die Kritik über Kal- des Mechanischen einigen Ersatz gewährt habe liwodas »Ouvertüren« erscheint, ist Schumann – endlich eine neue, dichterische Zukunft vorzu- mehr als Herausgeber der »Neuen Zeitschrift für bereiten, beschleunigen zu helfen.«1 Musik«, weniger – wenn überhaupt – als Kom- Schumann spricht hier zu seinen Lesern wie ponist öffentlich bekannt. An gezählten Werken ein Dichter des Jungen Deutschland und er lässt sind bis dato: die »Abegg-Variationen« op. 1, die die »Neue Zeitschrift für Musik« auf musikästhe- »Papillons« op. 2, die »Studien nach Capricen von tischem Gebiet so engagiert erscheinen wie ein Paganini« op. 3, die »Intermezzi« op. 4, die »Im- Organ des Vormärz, wenn er beispielsweise Jo- promptus über eine Romanze von Clara Wieck« hann Wenzel Kalliwodas (1801–1866) »Ouvertü- op. 5, die »Toccata« op. 7, das »Allegro« op. 8 ren« in die politische Parteienlandschaft der Zeit und die »Sechs Konzert-Etuden« op. 10 erschie- einordnet: »Die Gegenwart wird durch ihre Par- nen. Noch nicht erschienen sind beispielsweise teien charakterisirt. Wie die politische kann man die »Davidsbündlertänze« op. 6, der »Carneval« die musikalische in Liberale, Mittelmänner und op. 9, die »Fantasiestücke« op. 12, die »Kreisleria- Legitime oderLESEPROBE in Romantiker, Moderne und Clas- na« op. 16 oder die »Fantasie« op. 17. Am Ende der siker theilen. Auf der Rechten sitzen die Alten, die 1830er Jahre wird sich die musikalisch interessier- Contrapunktler, die Alter- und Volksthümler, die 2 Robert Schumann, Kalliwoda, 1. Ouverture à grand Orchestre. Oe. 38. 2. Ouvert. Oe 44. á 2 Rthlr. – Dieselben zu vier Händen 1 Robert Schumann, Zur Eröffnung des Jahrganges 1835, in: à 16 gr. – Leipz., Peters.« in: Neue Zeitschrift für Musik 1 (1834) Neue Zeitschrift für Musik 2 (1835) 1, S. 3. 10, S. 38. © DIE TONKUNST, Juli 2010, Nr. 3, Jg. 4 (2010), ISSN: 1863-3536 323 • THEMA • Peter Ward Jones Mendelssohns Blick auf Schumann obert Schumann left for posterity a result of the disruptions of World War II. One Rconsiderable legacy of information on Felix major lacuna was made good in 2009 with the Mendelssohn, principally through his ten-year publication within the Schumann »Briefedition« of period of act ivit y as editor of the »Neue Zeitschrift the complete »Briefwechsel« of Robert and Clara für Musik« (1834–44), his correspondence, diaries, Schumann with members of the Mendelssohn and not least the set of notes headed »Erinnerungen family. The comprehensively annotated edition an F. Mendelssohn vom Jahre 1835 bis zu s. Tode«, includes an excellent introduction exploring written down within about a year of Mendelssohn’s many aspects of the relationship of Mendelssohn early death in 1847, notes which Schumann with the Schumanns’2. Although many letters are intended to turn into a book1. Taken together, published for the first time in this edition, it has to they provide a view of one nineteenth-century be admitted that they do not greatly increase our composer on another which was quite exceptional knowledge of Mendelssohn’s view. Nevertheless, for the period. Having a wealth of information on consideration of the various bits of evidence of all one side of the relationship, it is perhaps natural types does enable some reflexions to be offered, to seek for the equivalent on Mendelssohn’s part, which will be explored here. especially considering that he was an assiduous Although biographies have tended to point up correspondent. But such expectations meet with the contrasts between the lives of Mendelssohn disappointment, for in truth we know far less and Schumann, they had much in common of what Mendelssohn thought about Schumann in their background and early years, even if and his music. This should not really surprise Schumann in 1838 wrote to Clara in reference to us, for the two composers were very different Mendelssohn that »In ähnlichen Verhältnissen in character, no more so than when it came to wie er aufgewachsen, von Kindheit zur Musik expressing themselves in writing. Schumann, bestimmt, würde ich Euch sammt und sonders notably taciturn in company, stands in contrast to überflügeln – das fühle ich an der Energie meiner the normally sociable Mendelssohn, but whereas Erfindungen«3. Although the Zwickau book Schumann wrote freely and copiously on musical business of Schumann’s father, August, could matters, Mendelssohn distrusted such writing, and not compare with the Mendelssohn family’s even his letters rarely touch on fellow composers. banking establishment, it was sufficiently In this respect Mendelssohn was the more typical prosperous to ensure that Robert was brought up of the two, for composers before the twentieth in a comfortably off household. Both composers century have rarely had much to say about their received the standard German classical education contemporaries. (even if Mendelssohn’s was mostly in the hands A true assessment of the evidence, or the of private tutors) and as a teenager Schumann lack of it, has been hindered until recent times like Mendelssohn was to produce German verse by the inaccessibility of key sources for both translations from Greek and Latin purely for MendelssohnLESEPROBE and Schumann studies, partly as a pleasure. Both were encouraged in their early 1 Robert Schumann: Erinnerungen an Felix Mendelssohn Bart- 2 Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit der Familie Men- holdy, Faksimile-Ausg. mit Transkription, hg. von Georg delssohn, hgg. von Kristin R. M. Krahe, Katrin Reyersbach Eismann, Zwickau 1947; rev. Transkription als Aufzeich- und Thomas Synofzik, Köln 2009 (= Schumann Briefe- nungen über Mendelssohn, hgg. von Heinz-Klaus Metzger dition, Serie II Bd. 1). und Rainer Riehn, in: Felix Mendelssohn Bartholdy (= Mu- 3 Brief vom 13. April 1838, gedruckt in: Robert Schumann. Ju- sik-Konzepte 14/15), München 1980, S. 97–122. gendbriefe, hg. von Clara Schumann, Leipzig 1885, S. 285. © DIE TONKUNST, Juli 2010, Nr. 3, Jg. 4 (2010), ISSN: 1863-3536 328 • THEMA • Knud Breyer Von komponierten Briefen und bösen Menschen. Das Verhältnis Theodor Kirchners zu Robert Schumann heodor Kirchner lernte Robert Schumann In sein Tagebuch notiert er aber von dem Besuch Tim Oktober 1837 in Leipzig kennen. In Be- am 17. Oktober 1837, dass Kirchner »noch nicht gleitung seines Vaters war der damals Dreizehn- viel kann«2. Im Laufe des Oktobers und Novem- jährige bei Schumann vorstellig geworden, um bers 1837 kommt es, wie Schumanns Tagebuch sein musikalisches Talent begutachten zu lassen. ausweist, noch zu weiteren Treffen. Da aber Jo- Früh war dem Vater, einem Dorf- und Kirch- hann Gottfried Kirchner im darauf folgenden schullehrer, die musikalische Neigung seines am Frühjahr bei der erneuten Vorstellung seines 10. Dezember 1823 in Neukirchen bei Chemnitz Sohnes nicht Schumann, sondern Felix Mendels- Erstgeborenen aufgefallen und nach Kräften un- sohn und den Thomaskantor Christian Theodor terstützt worden. Zu Kirchners frühester musika- Weinlig als Gutachter wählt, könnte auf gewisse lischer Prägung dürfte das Orgelspiel des Vaters Vorbehalte gegen Schumann geschlossen werden. gezählt haben, der ab 1826 in Wittgensdorf bei Allerdings empfehlen nun nicht nur Mendelssohn Chemnitz eine Kirchschullehrerstelle innehatte, und Weinlig die Musikerkarriere für den jungen die auch das sonntägliche
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