Feuerbrand in Norddeutschland: Rückblick Und Überblick

Feuerbrand in Norddeutschland: Rückblick Und Überblick

Pfl anzenschutz 85 Feuerbrand in Norddeutschland: Rückblick und Überblick Dr. Alexandra Wichura1, Stephan Monien2, Andreas Hahn3, 4,* Prof. Dr. Roland W. S. Weber Alexandra Wichura Roland Weber 1 Pfl anzenschutzamt, Landwirtschaftskammer Niedersachsen; 2 Pfl anzenschutzdienst, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein; 3 Obstbauversuchsring des Alten Landes; 4 Obstbauversuchsanstalt Jork, Landwirtschaftskammer Niedersachsen Zusammenfassung Feuerbrand, verursacht durch Erwi- reren Regionen zeitgleich auffl am- Im Frühsommer 2013 trat in Obstanlagen bei- nia amylovora, ist die wichtigste bak- menden Befalls. Wir berichten hier derseits der Unterelbe sowie im südlichen Nie- terielle Krankheit des Kernobstes. Seit über diesen Feuerbrand-Ausbruch, dersachsen erstmals seit 2001 wieder ein mindestens 1780 aus Nordamerika beginnen aber mit einer Zusammen- stärkerer Befall durch Feuerbrand (Erwinia amy- überliefert, ist Feuerbrand 1957 erst- fassung der Biologie des Erregers lovora) auf. Betroff en waren junge, im Frühjahr mals in Europa (England) aufgetaucht und einem Überblick über die bis- 2013 gepfl anzte Apfelbäume sowie ältere Bir- (STAPP, 1960). Es folgten weitere Erst- herige Entwicklung der Krankheit in nenanlagen. Auch an Weißdorn (Crataegus sp.) nachweise 1966 in den Niederlan- Norddeutschland. wurde vereinzelt Feuerbrand festgestellt. Die den und Polen sowie 1968 in Däne- Krankheit wurde im Sommer 2013 durch kon- mark (BÖMEKE & GRAF, 1969; BURMEISTER Feuerbrand: Symptome und sequente Rodungs- und Schnittmaßnahmen & FISCHER, 1969). Aus Dänemark kom- bekämpft. Im Folgejahr 2014 war die Zahl der mend hat sich der Feuerbrand 1971 Infektionsbiologie Feuerbrandfälle in Erwerbsobstanlagen trotz in Norddeutschland etabliert (FISCHER Das Bakterium E. amylovora infi ziert günstiger Infektionsbedingungen rückläufi g. Im & MEYER, 1972) und konnte von dort Pfl anzen aus der Familie der Rosenge- südlichen Niedersachsen wurde ein etwas stär- aus in den darauff olgenden 10 Jah- wächse (Rosaceae). Innerhalb dieses keres Auftreten an Weißdorn in der freien Land- ren nach Süden vordringen (ZELLER, Wirtspfl anzenkreises ist die Anfällig- schaft verzeichnet. Der Befall dieser beiden Jahre 1987). Seit 1989 tritt Feuerbrand auch keit gegenüber Feuerbrand unter- wird in den historischen Kontext gestellt. Symp- in der Schweiz auf (MANI et al., 1996), schiedlich ausgeprägt. Von wirtschaft- tome und Bekämpfungsmaßnahmen werden seit 1999 ist er in Südtirol ein Thema licher Bedeutung für den Obstanbau beschrieben. (WALDNER & MAIR, 2008). ist der Befall am Kernobst, wobei die Schlagwörter: Apfel, Birne, Crataegus, Erwinia amy- In den letzten 20 Jahren ist der Be- Empfi ndlichkeit von Birnen (Pyrus lovora, Feuerbrand, Weißdorn fall durch Feuerbrand in vielen euro- communis, P. nashi) und Quitten (Cy- päischen Obstanbaugebieten wie den donia oblonga) höher ist als die von Fireblight in Northern Germany: Regionen Bodensee, Südtirol, Ober- Äpfeln (Malus domestica). Hinsichtlich rhein und Steiermark deutlich ange- der Anfälligkeit bestehen innerhalb past and present stiegen. Dieser Anstieg vollzog sich der Arten zusätzlich noch große Sor- unter extremen jährlichen Schwan- tenunterschiede. Möglicher Befall an Summary kungen, in denen nach einigen Jahren Him- und Brombeeren, verschiedenen In 2013 an enhanced occurrence of fi reblight Er-( relativer Befallsfreiheit wieder starke Prunus-Arten (RIES, 1991; MOHAN & BIJ- winia amylovora) was observed in pome fruit or- Befallsschübe bis hin zur wirtschaft- MAN, 1999), sowie Aronien (Aronia me- chards on both sides of the Lower Elbe river as lichen Katastrophe aufgetreten sind lanocarpa) oder Erdbeeren (ATANASOVA well as in southern regions of Lower Saxony for (WALDNER & MAIR, 2008). Bedeutsame et al., 2005) wird in der Literatur zwar the fi rst time since 2001. Apple trees planted in Feuerbrandjahre waren beispielsweise beschrieben, spielt in der Anbaupra- spring 2013 as well as more mature pear orchards 1993 in Süddeutschland (BRANDT & HAR- xis jedoch keine Rolle. Im Baumschul- were aff ected. Fireblight was also occasionally ZER, 1994), 1994/1995 in der Schweiz bereich und in Hausgärten ist in Nie- found on whitethorn (Crataegus sp.). In summer (MANI et al., 1996) sowie 2003, 2007 dersachsen und Schleswig-Holstein 2013, thorough pruning and eradication measures und 2011 in Südtirol (WALDNER & MAIR, neben dem gelegentlichen Befall were conducted against this disease. Despite con- 2008; WALDNER et al., 2011). In Deutsch- von Feuerdorn (Pyracantha spp.) und ducive infection conditions, there was a decline of land ist Feuerbrand eine meldepfl ich- Glanzmispeln (Stranvaesia spp., syn. fi reblight cases in commercial orchards in 2014. In tige Krankheit, deren Bekämpfung Photinia spp.) besonders der Befall an southern Lower Saxony a slight increase of fi re- durch die seit 1985 geltende Feuer- Zwergmispeln (Cotoneaster spp.) und blight on whitethorn bushes was noted. The inci- brandverordnung geregelt ist. Weißdorn von Bedeutung. dence of fi reblight in these two years is placed in Abgesehen von wenigen, lokal eng Um zur Infektion zu kommen, benö- a historic context, and symptoms as well as con- begrenzten jährlichen Befallsfällen ist tigt E. amylovora natürliche Öff nungen trol measures are described. der norddeutsche Raum über viele oder Verletzungen, wobei Blüten die Keywords: Apple, Crataegus, Erwinia amylovora, Jahre weitgehend von Feuerbrand wichtigste Eintrittspforte darstellen. fi reblight, pear, whitethorn verschont geblieben. Umso wichtiger In den ersten drei Tagen nach der Blü- war uns die genaue Erfassung und Be- tenöff nung ist eine Infektion mög- * [email protected] kämpfung eines im Jahr 2013 in meh- lich. Auf den zuckerhaltigen Oberfl ä- Mitt. OVR 70 ·03/2015 86 Pfl anzenschutz chen der Blütenorgane, insbesondere Auch Früchte können einzeln oder Wie den in dieser Zeit erstellten der Narbe, kommt es zunächst zu ei- über den befallenen Trieb hinweg offi ziellen Feuerbrandberichten der ner Vermehrung der Bakterienzellen Symptome zeigen. Dabei kommt Pfl anzenschutzämter Hannover und ohne Symptome (THOMSON, 1986). Be- es bei Birnen zur Bildung auff älliger Weser-Ems zu entnehmen ist, wur- reits zu diesem frühen Zeitpunkt kön- schwarzer, schrumpeliger Frucht- den im August 1972 im Stadtgebiet nen bestäubende Insekten für eine mumien (Abb. 5). Im Verlauf der Sai- von Cuxhaven bis ins südlicher ge- eff ektive Verbreitung des Erregers son werden aufgrund des geringer legene Dorum die ersten mit Feuer- sorgen. Wüchsige Triebspitzen und werdenden Triebwachstums und der brand befallenen Weißdornbüsche junge Blätter können ebenfalls durch kühleren Temperaturen die Infektions- Niedersachsens entdeckt. Bis 1974 E. amylovora befallen werden, insbe- bedingungen für den Erreger ungüns- blieb der Befall auf einen maximal 10 sondere nach mechanischer Schädi- tiger. Es folgt die Überwinterung in km breiten Küstenstreifen von Cux- gung z.B. durch Wind. Bei günstigen mehr oder weniger klar abgegrenzten haven bis Bremerhaven beschränkt Bedingungen, d.h. Temperaturen über Befallsstellen an der Rinde von Zwei- und war hauptsächlich an Weißdorn 18°C gepaart mit hoher Luftfeuchte gen und Baumstämmen, aus denen zu fi nden, vereinzelt auch an Birnen. oder Blattnässe, beginnt die Invasion sich dann im Frühjahr neuer Bakte- Rodungsaktionen, die über die da- der Blütenorgane oder der Triebspitze, rienschleim bilden kann (Abb. 6). Bei mals noch zuständigen Gemeinden gefolgt vom Wachstum durch den jun- einem Unterlagenbefall an Apfelbäu- Ende 1974 eingeleitet wurden, konn- gen Trieb in das verholzte Gewebe hi- men zeigt sich am ganzen Baum eine ten die weitere Ausbreitung nicht ver- nein. Innerhalb von wenigen Tagen bis verfrühte rote Laubverfärbung ohne hindern. Dies lag vor allem daran, dass zu 2 Wochen wird das Absterben be- das charakteristische Triebsterben nur ca. 50% der Anordnungen tatsäch- fallener Triebe (Abb. 1) mit dem bloßen (MEYER, 2002). Diese Symptomatik er- lich umgesetzt wurden. 1975 erfolgte Auge sichtbar (BANTLEON, 2012). An vie- innert an Schäden durch Kragenfäule eine weitere Ausbreitung nach Süden len Wirtspfl anzen ist das typische Be- oder Wühlmausbefall. in den Raum Osterholz und nach Os- fallsbild eines absterbenden Triebes Feuerbrand kann bei Apfel und ten bis in den Raum Freiburg-Wischha- mit der krückstockartig gekrümmten Birne leicht mit anderen Schaderre- fen, wo in der Nähe einer Obstanlage Spitze gut zu erkennen (Abb. 2). An Bir- gern verwechselt werden, beispiels- ebenfalls befallene Weißdornbüsche nen ist der „Krückstock“ weniger deut- weise mit Obstbaumkrebs (Abb. 7), mit gefunden wurden. Während 1976 der lich ausgeprägt (GRAF, 1977). Triebinfektionen durch Monilia (Abb. 8) Befall an Weißdorn allgemein eher als Der scheinbar explosionsartige sowie mit Pseudomonas syringae, einer rückläufi g wahrgenommen wurde, Ausbruch eines Feuerbrand-Befalls in anderen bakteriellen Krankheit (Abb. 9). mussten in diesem Jahr die ersten In- einem Bestand oder auch an einzel- Die verschiedenen Ursachen dieser fektionen in Birnenertragsanlagen nen Bäumen ist auf die zeitliche Ver- Schadbilder können nur durch Dia- (Conference und Köstliche) im Raum zögerung zwischen der großfl ächigen gnostiklabore sicher zugeordnet wer- Freiburg-Wischhafen registriert wer- Ausbreitung und dem Auftreten der den. Diese Diagnose erfolgt im Zuge den. Ab 1977 wurden im Freiburger ersten Symptome zurückzuführen. der Bearbeitung von gemeldeten Außendeichbereich stark befallene Entscheidend hierfür ist die Fähigkeit Feuerbrand-Verdachtsfällen.

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