pT04covers 12.07.2006 17:39 Uhr Seite 1 DAS ÖSTERREICHISCHE PARLAMENT UND DIE EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT 2006 DOKUMENTATION Das österreichische Parlament und die EU-Ratspräsidentschaft 2006 Dokumentation Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Parlamentsdirektion Redaktionsteam: Susanne Bachmann, Barbara Blümel, Christian Hütterer, David Liebich, Gerhard Koller, Christina Morauf, Lukas Mussi, Josef Wirnsperger und das gesamte Team der Parlamentskorrespondenz Für den Inhalt verantwortlich: Alexis Wintoniak Graphische Gestaltung Titelblatt: Bernhard Kollmann Bildnachweis - Cover: Niederösterreichisches Landhaus, Copyright: NLK Reinberger. Öster- reichisches Parlament, Foto Hikade. Europäisches Parlament, Photo: Europäisches Parlament Gestaltung des Textes: Christian Högn Druck: Hausdruckerei Parlamentsdirektion Wien, im Juli 2006 2 DAS ÖSTERREICHISCHE PARLAMENT UND DIE EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT 2006 Mit der fortschreitenden europäischen Integration wird auch die Arbeit der natio- nalen Parlamente immer stärker von europaweiten Themen geprägt. Den Heraus- forderungen in Wirtschaft, Umwelt, Sicherheit usw. kann nur noch teilweise auf nationaler Ebene begegnet werden. Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Euro- päische Union dann tätig, wenn politische Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher besser auf Gemeinschafts- ebene verfolgt werden. In vielen Bereichen, wo die Europäische Union tätig wird, muss die Umsetzung dennoch auf nationaler Ebene erfolgen. Aber nicht nur in rechtlicher, sondern auch in politischer Hinsicht stellen die nationalen Parlamente ein Bindeglied zwischen den europäischen Bürgern und den EU-Institutionen dar. Die vielen tausenden nationalen Parlamentarier trachten danach, alle politischen Interessen ihrer Wähler entsprechend zu vertreten – und dazu zählen genauso Themenbereiche, die eine EU-Dimension haben. So liegt es in der Natur des über Jahrzehnte erfolgreichen europäischen Integrationsprozesses, dass die nationalen Parlamente immer stärker in EU-Angelegenheiten mitwirken. Das österreichische Parlament hat dieser Entwicklung während der österreichischen Ratspräsident- schaft Rechnung getragen und vor allem einen Schwerpunkt auf die Diskussion über die Zukunft Europas und die zukünftige Ausgestaltung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips gelegt. Bereits im Herbst 2005 wurde gemeinsam mit dem finnischen Parlament ein anspruchsvolles Arbeitsprogramm für das Jahr 2006 vorgelegt. Gerade die Zukunft Europas war im Mittelpunkt vieler Überlegungen: Nach dem Vertrag von Nizza bestand das Europäische Parlament auf einen Konvent, der eine neue, verständlichere, übersichtlichere und kürzere „Verfassung“ vorlegen sollte. Der Konvent wurde vom Europäischen Rat eingerichtet. Er bestand aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Parlamentariern der Mitgliedstaaten und Vertretern der Regierungschefs. Er war ein Organ sui generis. Sein Ergebnis wurde von der Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten in 88 Details verändert, von bisher 15 staatlichen Parlamenten ratifiziert und in zwei Volksabstimmungen gutgeheißen, in zwei verworfen - er steckt. In die Nachdenkzeit für die weitere Vorgangsweise fiel der österreichische Ratsvorsitz. Manche im Europäischen Par- lament wollten einen zweiten Konvent, unter Einbindung des Verfassungsaus- schusses, als eine vom Europäischen Parlament geleitete Arbeitsgruppe, an der auch Vertreter staatlicher Parlamente teilnehmen sollten. Dieses Konzept lehnten wir im Einklang mit den finnischen und deutschen Parlamentspräsidenten ab; die staatlichen Parlamente sind die „Herren der Verträge“ – gemeinsame Entschei- dungen durch eine Gruppe des Europäischen Parlaments kennen unsere Ge- schäftsordnungen und Verfassungen nicht. In einem gemeinsamen Schreiben der Präsidenten des österreichischen Nationalrates, des finnischen Parlaments und 3 des Deutschen Bundestages an den Präsidenten des Europäischen Parlaments wurde dies auch zu Beginn der österreichischen Präsidentschaft klargestellt: Die nationalen Parlamente bekennen sich zu einer Zusammenarbeit mit dem Europäi- schen Parlament als gleichberechtigte Partner, wobei es vor allem um den Infor- mations- und Meinungsaustausch geht. Gemeinsame Beschlussfassungsmecha- nismen kann es aufgrund der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen nicht geben und der Umfang der Kooperation muss auf die den nationalen Parlamenten zur Verfü- gung stehenden Ressourcen Rücksicht nehmen. Der Präsident des Europäischen Parlaments Josep Borrell Fontelles schloss sich dieser Position an, und mit seiner großen Unterstützung folgte ein halbes Jahr hervorragender Zusammenarbeit. In enger Kooperation haben das österreichische Parlament und das Europäische Parlament die großen interparlamentarischen Konferenzen zu den Themen Wachstum und Beschäftigung (31. Jänner und 1. Februar 2006) und zur Zukunft Europas (8. und 9. Mai 2006) vorbereitet und durchgeführt, an denen hunderte nationale Parlamentarier und Mitglieder des Europäischen Parlaments teilnahmen. Gerade die interparlamentarische Konferenz zur Zukunft Europas, in deren Rah- men am „Europatag“ (9. Mai) die Präsidenten des Europäischen Rates, der Euro- päischen Kommission und des Europäischen Parlaments Grundsatzerklärungen zur Weiterentwicklung der Union abgaben, zeugte von der Vitalität dieses Zu- kunftsprojektes Europa. Es ist bereits in Aussicht genommen, weitere interparla- mentarische Konferenzen in diesem Format durchzuführen. Die Anwendung und Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips stand im Mittelpunkt der Konferenz „Europa fängt zu Hause an“, die das österreichische Parlament am 18. und 19. April 2006 in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bundeskanz- leramt und der Niederösterreichischen Landesregierung in St. Pölten durchführte. Themenschwerpunkte dieser Konferenz waren die Rolle der Länder und Gemein- den in Europa, die Mitwirkung der nationalen Parlamente in EU-Angelegenheiten und die Verbesserung der Rechtsetzung auf EU-Ebene („Better Regulation“). Die Vertreter der nationalen Parlamente, aber auch die anderen Teilnehmer, waren sich weitgehend einig, dass die nationalen Parlamente verstärkt in die Subsidiari- tätsprüfung einbezogen werden sollten. So heißt es in der Schlusserklärung der Vorsitzenden: „Auf der Grundlage des geltenden EU-Rechts wird auch die Euro- päische Kommission ersucht, ihre Rechtsetzungsvorschläge nicht nur den europäi- schen Institutionen, sondern zeitgleich auch den nationalen Parlamenten zuzulei- ten, und sie einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen, falls eine repräsenta- tive Anzahl von nationalen Parlamenten begründete Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip vorbringt.“ Dieses Thema der Subsidiaritätsprüfung durch die nationalen Parlamente wurde dann umgehend vom Präsidenten der Europäischen Kommission José Manuel Durão Barroso aufgenommen. Bei der Konferenz zur Zukunft Europas am 8. und 9. Mai 2006 sicherte er den nationalen Parlamentariern zu, dass die Kommission in Zukunft alle neuen Vorschläge und Konsultationsdokumente den nationalen Parla- 4 menten übermitteln werde, um sie zur Stellungnahme im Sinne eines verbesserten politischen Prozesses einzuladen. Dieser Vorschlag wurde dann in einer Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat festgehalten. Das Thema von Sub- sidiarität und Verhältnismäßigkeit stand auch im Mittelpunkt der Diskussion im Rahmen der Konferenz der Europaausschüsse (COSAC) am 22. und 23. Mai 2006 im österreichischen Parlament. So begrüßte die COSAC diese Zusage von EK- Präsident Barroso und ersuchte die Kommission darüber hinaus, die Stellung- nahmen der nationalen Parlamente – vor allem hinsichtlich des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips – zu berücksichtigen und diese entsprechend zu be- antworten. Der Europäische Rat hat bei seiner Tagung am 15. und 16. Juni 2006 in Brüssel diesen Anregungen der nationalen Parlamente Rechnung getragen. In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates heißt es wörtlich: „In Anbetracht der Bedeutung, die den Grundsätzen der Subsidiarität und der Ver- hältnismäßigkeit zukommt, begrüßt der Europäische Rat die Initiative des österrei- chischen Vorsitzes, der am 18. und 19. April 2006 in St. Pölten eine Konferenz zum Thema Subsidiarität veranstaltet hat, die an der Konferenz vom vergangenen Jahr in Den Haag anknüpfte. Die auf diesen Konferenzen entwickelten Ideen soll- ten geprüft werden, und künftigen Vorsitzen wird nahe gelegt, diese Arbeit fort- zuführen. Der Europäische Rat weist auf die Zusammenhänge zwischen europäischer und einzelstaatlicher Rechtssetzung hin. Er begrüßt daher besonders die Zusage der Kommission, den nationalen Parlamenten alle neuen Vorschläge und Konsulta- tionspapiere direkt zur Verfügung zu stellen und sie um Stellungnahme zu bitten, um so den Prozess der Politikgestaltung zu verbessern. Die Kommission wird ersucht, die Stellungnahmen der nationalen Parlamente – insbesondere in Bezug auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit – gebührend zu berücksichtigen. Die nationalen Parlamente werden aufgefordert, bei der Überwa- chung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips verstärkt im Rahmen der Konfe- renz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten (COSAC) zusammenzuarbeiten. Der Europäische Rat bekräftigt ferner, dass das Vertrauen der Bürger in das euro- päische Projekt gestärkt wird, wenn der zusätzliche Nutzen des Handelns der EU in den europäischen Rechtsvorschriften besser zum Ausdruck kommt. Er ruft da- her den Rat, das Europäische Parlament und
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