2020 Mitglieder Mitteilung Ausgabe 2

2020 Mitglieder Mitteilung Ausgabe 2

MITGLIEDER MITTEILUNG AUSGABE 2/2020 Verehrte Mitglieder, liebe Freunde der Wasserkraft in Baden-Württemberg, zuerst die gute Nachricht: Fokus stehen. Nein, CO₂-Emissionshandel, nationale im September 2020 veröffentlichte Peter Altmaier einen CO₂-Bepreisung und CO₂-Auktionen sind die vorran- Klimaschutzplan. Der deutsche Wirtschafts- und Ener- gigen wirtschaftlichen Maßnahmen der Bundesregie- gieminister sprach von „Klimaschutz als zentraler und rung. Doch gerade der Ausbau der erneuerbaren Ener- vorrangiger Herausforderung unserer Generation“ und gien führte bisher zur Reduktion von Verschmutzung, räumte ein, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu ha- nicht das ETS (Emissions Trading System). Dieser EU- ben. Deshalb brauche es jetzt einen „historischen Kom- Emissionshandel schwächt den Ausbau der erneuerba- promiss zwischen Klimaschutz und Wirtschaft“. Das ist ren Energien. Der Handel mit Verschmutzungsrechten insofern erwähnenswert, weil Altmaier mit seinen un- leuchtet nur in der Theorie des Cap & Trade ein. Den realistischen Fiktionen bisher in noch jedem seiner Re- Emittenten wurden erst zu viele Verschmutzungsrech- gierungsämter einen grundlegenden Kurswechsel für te zugeteilt. Der Zertifikatspreis lag dann jahrelang bei eine neue Energiemarktordnung zu verhindern wusste. fünf Euro, ab 2021 soll er mindestens 25 Euro betragen, Ein wirkungsmächtigerer Gegner der Transformation doch in jedem Fall bei höchstens 60 Euro je Tonne ge- hin zu dezentralen erneuerbaren Energien ist kaum vor- deckelt werden. Die volkswirtschaftlichen Kosten liegen stellbar. jedoch laut Umweltbundesamt (UBA) bei 600 Euro. Das Die schlechte Nachricht: bedeutet, dass selbst im Zielszenario immer noch 90 es war gar nicht so gemeint. Die Eigenschaften der Er- Prozent der CO₂-Kosten nicht vom Emittenten bezahlt, neuerbaren sollen doch nicht im Zentrum stehen und sondern sozialisiert werden. Der Emissionshandel hilft ihr Ausbau zu 100 Prozent soll doch nicht beschleunigt seit 15 Jahren der Kohleindustrie, anstatt diese längst werden. Keiner seiner 20 präsentierten Klimaschutz- nicht mehr marktfähige Industrie ehrenhaft auslaufen plan-Vorschläge entfesselt den Ausbau der erneuer- baren Energien, keiner ist dezentral und alles dauert noch recht lange. Erinnerungen an den September 2019 werden wach, als das letzte groß angekündigte Klima- paket der Bundesregierung eine Vielzahl von Maßnah- men für die Beschleunigung des Ausbaus der Erneu- erbaren bringen sollte. Die Kanzlerin Angela Merkel forderte Schluss mit Pillepalle, Vizekanzler Olaf Scholz versprach schon damals den großen Wurf. Tatsäch- lich wurden die Erneuerbaren weiter drangsaliert, die Fortsetzung der Kohlesubventionen bis zum Jahr 2038 beschlossen und der Tagebau Garzweiler II ging auch noch in Betrieb. So soll nicht der Ausbau der erneuerbaren Energien im Inhalt Editorial S. 1 Aus der Wissenschaft S. 27 Dr. Axel Berg Brigitte Reitter Grußwort des Präsidenten der AWK S. 5 Zur Novellierung des EEG 2021 S. 28 Karl-Wilhelm Röhm Julia Neff Kurzmeldungen S. 6 Die Kleinwasserkraftmythen der S. 30 Umweltverbände - Stimmt das? Treffen mit den Fischereireferenten Kleinwasserkraft Österreich im Umweltministerium S. 8 Julia Neff Offener Brief an S. 33 Minister Untersteller Stellungnahme zum Gesetz zur Weiter- S. 10 Julia Neff entwicklung des Klimaschutzes in BW Julia Neff Antwortschreiben des S. 37 Umweltministriums Wasserkraftwerbeslogan S. 10 Dr. Fritz Kemmler Die AWK unterwegs für Sie S. 38 Beitrag der Kleinen Wasserkraft S. 11 zum zukünftigen flexiblen Energiemarkt in Europa Brigitte Reitter Energiegewinnung aus Wasserkraft- S. 12 kraftvoll seit ein paar tausend Jahren Wolfgang Strasser Vortrag beim Stammtisch im Hotzenwald S. 16 Julia Neff Interesse der EU- und Bundes-Politik S. 20 an der Kleinwasserkraft Brigitte Reitter Zum Manifest der Umweltverbände S. 21 Brigitte Reitter Ära Aicher endet S. 27 Dr. Axel Berg 2 Mitglieder Mitteilung 2/20 als unsolidarisch angesehen, schließlich könne nicht der Letzte das Netz bezahlen. Eine netzdienliche Ent- geltregelung, die auch den geplanten gigantischen Netzausbau obsolet machen würde, wird nicht ange- dacht. Eigenverbraucher sollen zu Randerscheinungen schrumpfen. Eine Eigenverbrauchsoptimierung mit Sektorenkopplung, Wärmepumpen, E-Fahrzeugen etc. ist nicht vorgesehen. Erdgas und grauer Wasserstoff sollen Kohle und Öl ersetzen. Es müsste gerade andersrum sein: Einspeisung muss zur Randerscheinung werden und Selbstversorgung ist zu lassen und konkurrenzfähige Industrien zu entwi- das Ziel. Für die Selbstversorgung eines Hauses oder ckeln. Das ETS lädt zudem zu Missbrauch ein. So wur- eines Quartiers braucht man keine zentrale Steuerung. den Karusellgeschäfte, gehackte Zertifikate und andere So wie das System der Muskelspindeln im Körper kei- Betrügereien aufgedeckt. neswegs der detaillierten Steuerung seitens des Ge- Entscheidend ist jedoch: Selbst wenn eine CO₂- hirns oder des zentralen Nervensystems bedarf, kön- Bepreisung funktionieren sollte, hat die Energiewende nen die dafür irrelevanten lokalen Komponenten und noch lange nichts davon, weil zunehmend Erdgas und Energieflüsse in privaten Prosumernetzen, wie wir sie eben nicht die Erneuerbaren die Kohle ablösen wird. Der von vielen Wasserkraftlern her kennen, völlig aus der Handel mit den Zertifikaten findet innerhalb des Sys- übergeordneten Betrachtung und Steuerung heraus- tems der fossilen Energieversorgung statt, konserviert gehalten werden. Wir brauchen schließlich auch keinen damit deren Strukturen, wirkt innovationshemmend für übergreifenden Terminkalender für alle Bundesbürger, erneuerbare Energien und bremst dadurch den Ener- um für diese das Frühstück aus der Cloud zu planen. giewechsel. Die Rolle der konventionellen Energiekon- Es ist vollkommen überzogen, rein lokale Energieflüsse zerne und deren Einfluss auf das Regierungshandeln über komplexe mathematische Modelle überregional bleiben weitgehend unangetastet. Aus einem Instru- steuern zu wollen. Diese zentrale Steuerung bringt kei- ment des Klimaschutzes wurde so ein Vehikel für die nerlei Mehrwert; gleichzeitig ist die Beeinträchtigung Bestandssicherung der fossilen Energiewirtschaft. individueller Prosumerinteressen dabei höchst wahr- Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt so- scheinlich. Außerdem ist die Resilienz solcher komple- gleich: xer Systeme äußerst fragil. Schließlich dauert es viele Am 1. Januar soll das EEG 2021 in Kraft treten. Der Kabi- Jahre, bis ein konsistentes System von Schnittstellen für nettsentwurf baut auf der Illusion auf, dass der Strom- alle Daten und Steuerungsbefehle sämtlicher Anlagen sektor beim längst überholten Marktdesign einer Kup- etabliert sein wird. Das bedeutet: noch viel Zeit für die ferplatte verbleibt. Also wird alles auf Großversorger schmutzigen Geschäfte der fossilen Energiewirtschaft. zugeschnitten. Das EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz Was wirklich fehlt, ist eine Gesetzgebung, die durch von 2000, weiterentwickelt 2004, 2009, 2012 und 2017) Deregulierung und Streichung unsinniger Abgaben auf wird seit 2012 grob deformiert, es ist zunehmend sei- die Eigenstromversorgung endlich den Durchbruch der ner zentralen Bestandteile beraubt worden. Bisherige längst verfügbaren nachhaltigen Technologien beför- Abschreckungsmethoden für EE-Investoren sind die dert. Anstatt die großen Ankündigungen der Bundes- Besondere Ausgleichsregelung, die Sonnensteuer auf regierung zum Thema Klimaschutz aufrichtig umzuset- Selbstverbrauch, alle Deckel und die Ausschreibungen. zen, verabschiedet sich das EEG 2021 sogar offiziell vom Jetzt soll das EEG vollends niedergebügelt werden, Ziel, 100 Prozent Erneuerbare so schnell wie möglich zu durch noch kompliziertere Administration und vor al- erreichen. Interpretationsfähige Begriffe wie „Klimaneu- lem durch die Smart-Meter-Pflicht. Die Smart-Meter- tralität“ oder „Treibhausgasneutralität“ öffnen stattdes- Pflicht ist das zentrale Instrument gegen den dezentra- sen neue Perspektiven für CCS und auch die Atomkraft. len Ausbau der EE mit zunehmender Selbstversorgung. Das EEG ist aber keine Worthülse, in der man Monopoly Generell sieht die Bundesregierung für alle EE-Anlagen mit Treibhausgas-Luftschlössern spielt. Das EEG hatte im EEG 2021 Volleinspeisung vor. Eigenverbrauch wird ursprünglich das realwirtschaftliche Ziel, durch den tat- 3 sächlichen Ausbau der Erneuerbaren Klimaschutz und Der verpflichtende Einbau von intelligenten Messsys- Energiesicherheit herzustellen. Dafür braucht man kei- temen und Fernsteuerungsanlagen hingegen ist nur ne aufgeblasenen Ankündigungen, sondern viel mehr dann sinnvoll, wenn die Anlage in permanentem Aus- konkrete und sehr viel höhere Ausbauziele für alle Arten tausch mit dem öffentlichen Netz ist. Für Selbstversor- der erneuerbaren Energien und für Speicher. ger ist das ein komplett übertriebener Aufwand. Mit der Wir wissen selbst nur zu gut, wie allein die kleine Was- höchst fragilen, weil viel zu komplexen Alles-mit-allem- serkraft mit ihren vielen Mühlenstandorten einem er- Vernetzung wird ein neuer Irrweg eingeschlagen. Be- heblichem Druck ausgesetzt ist. Zahlreiche Vorgaben sonders fatal ist dabei, dass eine mühsam den großen mit einseitigem Verständnis von der Gewässeröko- Energieversorgern abgerungene Dezentralisierung von logie ohne Berücksichtigung des Klimaschutzes und Energieerzeugung und Speicherung schleichend wie- der Wertschöpfung im ländlichen Raum treiben die der zentralisiert wird. Zentrale Konzerne bekommen Kleinwasserkraft in die Unwirtschaftlichkeit. Das Poten- mit Fernsteuerungsanlagen Zugriff auf

View Full Text

Details

  • File Type
    pdf
  • Upload Time
    -
  • Content Languages
    English
  • Upload User
    Anonymous/Not logged-in
  • File Pages
    40 Page
  • File Size
    -

Download

Channel Download Status
Express Download Enable

Copyright

We respect the copyrights and intellectual property rights of all users. All uploaded documents are either original works of the uploader or authorized works of the rightful owners.

  • Not to be reproduced or distributed without explicit permission.
  • Not used for commercial purposes outside of approved use cases.
  • Not used to infringe on the rights of the original creators.
  • If you believe any content infringes your copyright, please contact us immediately.

Support

For help with questions, suggestions, or problems, please contact us