KULTURWIRTSCHAFTSBERICHT 2006 FÜR HAMBURG Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von künstlerisch-kreativen Leistungen in der Freien und Hansestadt Hamburg Prof. Dr. Karin von Welck Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg VORWORT Der Kulturwirtschaftsbericht für Hamburg, der hiermit vorgelegt wird, ist ein erster Versuch, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von künstle- risch-kreativen Leistungen in unserer Stadt mit Zahlen, Fakten und Vergleichen zu anderen Metropolen zu hinterlegen. Hamburg ist damit nach Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Berlin, das 10. Bundesland, das einen derartigen Bericht vorlegt. Doch wer meint, nach Lektüre all dieser Berichte sei es leicht, weiterführende Erkennt nisse zu gewinnen, irrt: viele Zahlen, die auf den ersten Blick überzeugen, erwei sen sich bei näherem Hinsehen als nicht vergleichbar. Auch das Team des Instituts für Kultur und Medienmanagement, das unter der Leitung von Professor Dr. Friedrich Loock im Auftrag und in Abstimmung mit der Kulturbehörde den ersten Kulturwirtschaftsbericht für Hamburg erarbei - tet hat, hatte mit dieser schwierigen Datenlage zu kämpfen und hat mit sehr viel Energie und schier unendlichen Gesprächen mit Experten außerhalb und inner- halb der Kulturbehörde den nun vorliegenden Bericht zusammengestellt. Für den Leser des Berichts ist es wichtig zu wissen, dass sich das Verfasserteam entschlossen hat, der korrekten Abgrenzung von Kultur- und Medienwirtschaft halber, die medien wirtschaftlichen Beiträge Hamburgs nicht in diesen Bericht zu integrieren. Aus Mangel an quantifi zierbaren Untersuchungen taucht darüber hinaus der Input der Off-Szene für den Wirtschaftsstandort Hamburg nur am Rande auf. In An be tracht der international, aber durchaus auch in Hamburg geführten Diskus sion um die kreativen Städte und Cluster werden in diesem Bereich sicher weiterführende Recherchen notwendig werden. Dennoch lassen sich aus der nun vorliegenden, umfangreichen Untersuchung ein paar zentrale und wichtige Ergebnisse ablesen: Kultur ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor Hamburgs Allein in der Hamburger Kulturwirtschaft im engeren Sinne (ohne Medienwirt- schaft) arbeiten rund 20.700 sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigte, die insgesamt einen Jahresumsatz von 4,37 Mrd. EUR erwirtschaften. Zählt man die gut 9.000 gemeldeten selbständigen Künstler Hamburgs hinzu, sind im kulturwirtschaftlichen Bereich in etwa so viele Menschen wie für die zivile Luftfahrt Hamburgs tätig (30.000 Personen). Rund 20% der 98,3 Mio. Tagesgäste kommen nach Hamburg, um in unserer Stadt Kulturangebote nachzufragen. Sie geben durchschnittlich 43,50 EUR aus. Rechnet man dies hoch, so löst das kulturelle Angebot schon bei den Tages- touristen ein Nachfragevolumen von ca. 870 Mio. EUR aus. VORWORT Hamburg ist eine der führenden Kulturmetropolen Europas Dies ist eine sicher nur schwer wissenschaftlich beweisbare Feststellung. Dennoch belegen neben den täglich 50.000 Besuchern unserer kulturellen Einrichtungen im Wesentlichen zwei Argumente diese These: 1p Die kulturelle Vielfalt und Vielzahl von den sogenannten Leuchtturm- projekten bis hin zu der sehr aktiven Stadtteilkultur ist so umfassend, dass es kein künstlerisches Genre gibt, das in Hamburg nicht vertreten ist. 2p Aus fast allen Genres der Kunst und Kultur sind führende und weg- weisende Vertreter entweder in Hamburg beheimatet oder regelmäßig zu Gast. Hamburg ist traditionell eine Theater- und Musikmetropole Die Hamburger Bühnen werden seit Jahrzehnten regelmäßig ausgezeichnet, sei es als „Theater des Jahres“, „Inszenierung des Jahres“ oder durch Ein- ladungen zu nationalen und internationalen Theatertreffen und Festspielen. Zudem sind sie in Hinblick auf ihre Besucherzahlen und Eigenfi nanzierungs - quote bundesweit führend. Ebenso spielt die Musik traditionell eine besonders wichtige Rolle im kulturellen Leben der Stadt. Von Brahms über die Beatles bis zu den großen Orchestern, Musicals und den zurzeit über 100 Musik-Clubs, immer war und ist die Musik für die Hamburger und ihre Gäste ein wichtiger Anziehungspunkt. Das bürgerschaftliche Engagement in Hamburg ist bundesweit einzigartig Die Identifi kation der Hamburger mit ihrer Stadt und die Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen zu engagieren, ist einzigartig und fußt auf einer langen Tradi- tion. Schon das Deutsche Schauspielhaus, das Thalia Theater, die Kunsthalle und die Laeiszhalle, um nur ein paar Institutionen zu nennen, wurden durch bürger- schaftliches Engagement initiiert und realisiert. Die Freunde der Hamburger Kunsthalle sind mit über 13.500 Mitgliedern die größte Vereinigung eines Kunst- museums in Deutschland und auch der Freundeskreis des Museums für Kunst und Gewerbe, die Justus-Brinkmann-Gesellschaft, zählt über 7.000 Mitglieder und ist damit in ihrem Bereich führend. Hinzu kommt, dass Hamburg sowohl in der absoluten Zahl (991) als auch relativ mit 56 rechtsfähigen Stiftungen pro 100.000 Einwohner Deutschlands Stiftungshauptstadt ist.1 Der jüngste unschlag- bare Beweis für das herausragende bürgerschaftliche Engagement der Ham- burger, aber auch für die Bedeutung der Musik in dieser Stadt, sind schließlich die gut 62 Mio. EUR, die in kürzester Zeit (das heißt von Oktober 2005 bis Juli 2006) allein für das Projekt Elbphilharmonie gespendet wurden. 1 _ Quelle: Justizbehörde Hamburg, Stand: August 2006. Stiftungen öffentlichen Rechts sind hier nicht erfasst. Hamburg ist ein Zentrum für kulturwirtschaftliche Ausbildung An den rund 50 öffentlichen und privaten Hochschulen bzw. Akademien existie- ren etwa 60 kultur- und medienorientierte Studiengänge aller Sparten von der Darstellenden Kunst über Film bis zum Design. Sie alle sind gut besucht und die zum Teil sehr namhaften Lehrer bilden begehrte Absolventen aus. Hier ist ein Potenzial, das wir noch mehr nutzen können und müssen. Hamburg ist eine Hochburg der angewandten Kunst In den Bereichen Architektur und Design ist Hamburg sowohl quantitativ mit der Anzahl der Agenturen und Einrichtungen als auch qualitativ bezogen auf das Renommée der Akteure eine Hochburg Deutschlands. Vom Chilehaus über die Speicherstadt bis zur Elbphilharmonie wird in Hamburg wegweisende Archi- tektur geplant und realisiert. Zudem hat sich Hamburg in den letzten 10 Jahren immer mehr einen Namen in der Umwidmung von denkmalgeschützter oder denkmalwürdiger Baukultur gemacht. Beispielhaft seien hier nur das Gastwerk und das Museum der Arbeit genannt. Mit der Gründung der Hafen City University wird diese Tradition im Ausbildungsbereich positiv verstärkt. Ähnliches gilt für die Leistungen im Bereich Design. International renommierte Designer prägen mit ihrer Arbeit unser tägliches Umfeld und fi nden im Museum für Kunst und Gewer- be eine Ausstellungsfl äche und in Einrichtungen wie dem Stilwerk eine wirt- schaftliche Plattform. Hamburg entwickelt sich zum Vorreiter für Kinder- und Jugendkultur Mittlerweile laufen in der Kulturbehörde die Fäden von weit über 100 Projekten im Bereich Kinder- und Jugendkultur zusammen. Dieser spezielle, spartenüber- greifende Bereich ist sicher noch kein Wirtschaftsfaktor, gesellschaftlich konnte aber durch das Konzept zur Förderung der Kinder- und Jugendkultur ein wichtiger Stein ins Rollen gebracht werden. Das Bewusstsein ist geweckt, neue Initiativen und auch viele nicht öffentliche fi nanzielle und ideelle Unterstützung konnten mobilisiert werden. Darüber hinaus ist Hamburg natürlich mit seinen vielen Verlagen und Agenturen eine Medienhauptstadt. Da dieser Bereich aber, siehe oben, in dem vorliegenden Bericht ausgeklammert wurde, will ich hierauf nicht weiter eingehen. Ich glaube mit Recht sagen zu können, dass wir in den letzten Jahren in ganz Hamburg, aber gerade auch in der Kultur viel erreicht haben. Die Aufbruch- stimmung ist überall nicht nur spürbar, sondern täglich erlebbar. Überall sprießen Ideen, Projekte und Initiativen: im Thalia Zelt in der HafenCity, bei Kindern, die kostenlos ins Museum gehen, mit der Elbphilharmonie und dem musikalischen Gründerzentrum Karostar – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Entscheidend ist aber, dass wir uns darauf nicht ausruhen können. Viele Projekte wollen und müssen wir in absehbarer Zeit noch realisieren. Der nun vorliegende erste Kulturwirtschaftsbericht für Hamburg ist eine wertvolle Arbeits- und Gesprächsgrundlage, um im Sinne der Künstler, der Kultureinrich- tungen, aber vor allem auch der Bürger dieser schönen Stadt die bestmöglichen kulturpolitischen Weichen für die Zukunft zu stellen. VORWORT Ich bin sicher: Diesem ersten Kulturwirtschaftsbericht für Hamburg werden im Laufe der Jahre weitere folgen, nicht zuletzt, weil Investitionen in die Kultur erhebliche Wirkungen auf nahezu alle Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche haben, eine Tatsache, der man sich – nicht nur in Hamburg – viel zu lange nicht wirklich bewusst war. Meine große Anerkennung und mein Dank gelten Professor Dr. Friedrich Loock und seinem Team, die sich der schwierigen Aufgabe, diesen ersten Kulturwirt- schaftsbericht für Hamburg zu verfassen, mit unermüdlichem Engagement gestellt haben. Der Dank gebührt aber auch allen Mitarbeitern der Kulturbehörde, die in den vergangenen Wochen und Monaten als Zulieferer von Daten und als Diskussionspartner für die Verfasser des Berichts einmal mehr bewiesen haben, mit wie viel Sachverstand und kämpferischer Energie sie sich für die Kultur in Hamburg einsetzen. Besonders danke ich Dr. Pit Hosak, dem Leiter des Präsidial- referats, und Nina Dreier,
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