Nationalsozialistische Konsumrealität und der Umgang mit selbiger in der NS-Presse am Beispiel des Landes Oldenburg Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. phil.) des Fachbereichs Kultur- und Geowissenschaften der Universität Osnabrück Vorgelegt von: Goran Miladinovic Osnabrück, 2014 Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 1. Die deutsche Krise unter der Reichsregierung Brüning 1930-1932 23 1.1. Politische Rahmenbedingungen für den Übergang zum Nationalsozialismus im Land Oldenburg 34 1.2. Wirtschaftliche Struktur des Landes Oldenburg und die Wirtschaftsmaßnahmen der NS-Landesregierung ab Juni 1932 40 2. „Butter und Kanonen“? Die „Realität“ von Konsum im „Dritten Reich“ 52 2.1. Allgemeine Preisentwicklung 63 2.2. Entwicklung der Löhne am Beispiel des Landes Oldenburg 72 3. Konsumgüterproduktion in Oldenburg am Beispiel der Landwirtschaft 79 3.1. Agrarpolitische Propaganda und die tatsächliche Entwicklung 82 3.2. Staatliche Interventionen auf dem Nahrungsmittelsektor 95 3.3. Methoden der Verbrauchslenkung 99 4. Konzentration auf die außerökonomische Ebene: Zugewinne in der Sozialpolitik und der Rückgewinn der „nationalen Ehre“ als „Ersatzkonsum“ 108 4.1. Sozialpolitik als Ersatz für Konsum 115 4.2. Aufbau des Reiches als nationale Pflicht 125 4.3. Entbehrungen als Übergangsphase auf dem Weg zum Wohlstand durch mehr „Lebensraum“ 131 5. Konsum während des Zweiten Weltkrieges 137 5.1. Schleichhandel kompensiert Mangelerscheinungen 144 5.2. Ausbeutung der besetzten Gebiete zum Wohl der „Volksgemeinschaft“ 147 6. Fazit 152 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 157 7.1. Ungedruckte Quellen 157 7.2. Gedruckte Quellen 157 7.3. Publizistische Quellen 159 7.4. Literatur 160 7.5. Abkürzungsverzeichnis der verwendeten Zeitschriften 181 Einleitung Ohne eine kontinuierliche Nachfrage nach verschiedenen Konsumgütern, kann keine Volkswirtschaft dauerhaft prosperieren. So formulierte bereits Adam Smith, dass Konsum in einer Volkswirtschaft Ziel und Zweck jeder Produktion sei. 1 Ohne Konsum, argumentieren vor allem Vertreter des Wirtschaftsliberalismus, gebe es keinen wirtschaftlichen Fortschritt und keine soziale und politische Stabilität. 2 Betrachtet man die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, bleibt zu konstatieren, dass politische Loyalität ohne materiellen Wohlstand nur schwer vorstellbar ist. 3 Bei den ersten freien Abstimmungen nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen Wohlstandsversprechen einen elementaren Bestandteil in den Wahlprogrammen politischer Parteien ein.4 So zog die CDU 1957 unter der Parole „Wohlstand für alle“ in die Bundestagswahl. Auf die aufkommende Konsumgesellschaft musste auch die SPD reagieren. Die von Teilen der SPD vertretende Forderung nach einer anderen Wirtschaftsordnung erwies sich, angesichts der wieder etablierten und mit dem beginnenden „Wirtschaftswunder“ 5 bestätigten Wirtschaftsordnung, als nicht mehrheitsfähig. In Reaktion auf die bescheidenen Wahlergebnisse kam es zur Verabschiedung des Godesberger Programms 1959, hier bekannte sich die SPD eindeutig zum Modell der sozialen Marktwirtschaft. Die Forderung nach genereller Sozialisierung der Produktionsmittel wurde fallengelassen. Die Deutschen wurden in den fünfziger Jahren in eine durch Konsum legitimierte Demokratie geführt.6 Konsumieren wurde zu einem Grundrecht erklärt und sollte demokratische Grundwerte wie Freiheit und Gleichheit vermitteln. In seiner Bundestagsrede, am 14. März 1951, bezeichnete Ludwig 7 Erhard die freie Konsumwahl als eines der „wesentlichen demokratischen Grundrechte“ . 1 Smith, Adam, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776). Deutsche Übersetzung: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und Ursachen, 8. Aufl., München 1999, S. 558. 2 Prinz, Michael, „Konsum“ und „Konsumgesellschaft“- Vorschläge zu Definition und Verwendung, in: ders. (Hg.), Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne, Paderborn 2003, S. 11-34, hier: S. 20. 3 Schneider, Norbert, Konsum und Gesellschaft, in: ders. u. Rosenkranz, Doris (Hgg.), Konsum. Soziologische, ökonomische und psychologische Perspektiven, Opladen 2000, S. 9-22, hier: S. 21. 4 Heßler, Martina, Visionen des Überflusses. Entwürfe künftiger Massenkonsumgesellschaften im 20. Jahrhundert, in: Berghoff, Hartmut u. Vogel, Jakob (Hgg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivenwechsels, Frankfurt/Main 2004, S. 455-480, hier: S. 468. 5 Das Wachstum, das wir unter dem Begriff „Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenfassen, erstreckte sich vom Koreakrieg 1950/51 bis zur ersten Ölkrise 1973. In dieser Zeitspanne erzielte die BRD Jahr für Jahr ein Wirtschaftswachstum von ca. 9 Prozent. 6 Göbel, Eva, Bayern in der modernen Konsumgesellschaft. Regionalisierung der Konsumkultur im 20. Jahrhundert, Berlin 2005, S. 23; Gries, Rainer, Die Rationengesellschaft. Versorgungskampf und Vergleichsmentalität. Leipzig, München und Köln nach dem Kriege, Münster 1991, S. 193. 7 Zitiert nach: Andersen, Arne, Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt/Main 1997, S. 15. 1 Die heutige Konsumgesellschaft wurde entscheidend in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts geformt. In dieser Periode wandelten sich viele Luxusgüter zu weitverbreiteten Gebrauchsgütern für viele. Der Erfolg der sozialen Marktwirtschaft wurde in erster Linie an den wachsenden Konsummöglichkeiten gemessen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr die hedonistische Konsumethik durch. 8 Diese moderne Konsumgesellschaft wird in der Fachliteratur durch folgende sechs Kriterien und Merkmale charakterisiert: „Die Bereitstellung eines reichhaltigen Warensortiments für Verbraucher aus den meisten sozialen Kategorien. Die Entwicklung von hochkomplizierten, die Waren mit Bedeutung versehenden und das Bedürfnis nach ihnen weckenden Kommunikationssystemen. Die Bildung von Objektbereichen als Sphären des Geschmacks, der Mode und des Stils. Die Betonung der Freizeit gegenüber der Arbeit sowie die des Konsums gegenüber der Produktion. Die Entstehung der Kategorie Konsument. Eine tiefe Ambivalenz, manchmal sogar offene Feindschaft gegenüber dem Phänomen des Konsums.“ 9 Der Soziologe Helmut Schelsky hat besonders den sozialen Aspekt von Konsum hervorgehoben: „Der universale Konsum der industriellen und publizistischen Massenproduktionen sorgt auf allen Lebensgebieten dafür, dass fast jedermann seinen Fähigkeiten angemessen das Gefühl entwickeln kann, nicht mehr „ganz unten zu sein“, sondern an der Fülle und dem Luxus des Daseins teilhaben zu können.“ 10 Ob eine Gesellschaft als Konsumgesellschaft charakterisieren werden kann hängt davon ab, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist der über ein disponibles Einkommen verfügt. Also Einkommen, das nach den Ausgaben für die Deckung der Grundbedürfnisse (Ernährung, Kleidung und Wohnung), für die Erfüllung weiterer Konsumwünsche zur Verfügung steht. 11 Die Ausweitung einer Konsumgesellschaft, fordert ein wirtschaftspolitisches Handeln nach zwei einander bedingten Prinzipien: Steigende Produktivität und steigende Löhne. 8 Der Begriff Hedonismus geht auf eine Lehre des griechischen Philosophen Aristippos zurück, der das Streben nach Lust und Genuss als zentrales Motiv menschlichen Verhaltens darstellt. Hedonismus findet als Oberbegriff auf allen Lehren Anwendung, die den Lebenszweck in der Befriedigung von Empfindungen sieht. Siehe: Stihler, Ariane, Die Entstehung des modernen Konsums. Darstellung und Erklärungsansätze, Berlin 1998, S. 106. 9 Brewer, John, Was können wir aus der Geschichte der frühen Neuzeit für die moderne Konsumgeschichte lernen? , in: Siegrist, Hannes, Kaelble, Hartmut u. Kocka, Jürgen (Hgg.), Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18.-20. Jahrhundert), Frankfurt/Main 1997, S. 51-74, hier: S. 52f. 10 Zitiert nach: Haupt, Heinz-Gerhard, Der Konsument, in: ders. u. Frevert, Ute (Hgg.), Der Mensch des 20. Jahrhunderts, Frankfurt/Main 1999, S. 301-323, hier: S. 309. 11 König, Wolfgang, Produktion und Konsumtion als Gegenstände der Geschichtsforschung, in: Bayerl, Günter u. Weber, Wolfhard (Hgg.), Sozialgeschichte der Technik. Ulrich Troitzsch zum 60. Geburtstag, Münster 1998, S. 35-44, hier: S. 42. 2 Die Wirtschaft benötigt wachsende Massenkaufkraft, um, ihrer steigenden Produktivität entsprechend, Nachfrage zu schaffen. Dazu müssen die Löhne mit der Produktivität wachsen, um einer starken Arbeiterklasse zu ermöglichen am Produktionsfortschritt zu partizipieren. Ohne den Faktor Lohn gibt es keinen automatischen Übergang zu einer Konsumgesellschaft, nur weil der Produktionsfortschritt ein gesellschaftliches Mehrprodukt ermöglicht. Dieses kann von der Staatsführung, wie im Fall des „Dritten Reiches“ angeeignet werden, um es für einen militärisch starken Staat auszugeben. 12 Dementsprechend verfügte nach heutiger Definition das „Dritte Reich“ über keine Massenkonsumgesellschaft. Der nationalsozialistische Führerstaat sollte allerdings langfristig die Gestalt eines technologisch fortgeschrittenen Staates mit einer Wohlstandsgesellschaft annehmen.13 Die von Adolf Hitler angestrebte nationalsozialistische Konsumgesellschaft sollte sich an zwei Grundprinzipien orientieren: „Volk“ und „nationale Identität“. Dadurch sollte die „NS-Konsumgesellschaft“ zu einer hermetisch abgedichteten, homogenen, durch gemeinsame Herkunft, Rasse und Kultur stilisierten Gemeinschaft werden. Aus dieser Gemeinschaft sollten diejenigen,
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