Fremdartigkeit in der venezianischen Oper Mitte des 18. Jahrhunderts Mit einer Fallstudie zu Pietro Metastasios Alessandro nell’Indie Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts im interuniversitären Masterstudium Musikologie an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Elisabeth Maria PROBST am Institut für Musikwissenschaft Begutachterin: Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Kordula Knaus Graz, 2013 Vorwort Die Verbindung von Musik und Theater hat mich im Laufe meines Studiums immer mehr fasziniert. So war es naheliegend, sich im Sommersemester 2011 für einen Auslandsaufenthalt im Land der Wiege der Gattung Oper, Italien, zu entscheiden. Dieses Auslandssemester hat einige wertvolle Impulse – sowohl für mein Studium als auch meine persönliche Entwicklung – gegeben. Vor allem wurde auch sprachlich der Boden, Voraussetzung für die Beschäftigung mit dem Thema dieser Arbeit schon während der Studienassistenz bei Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Kordula Knaus am Institut für Musikwissen- schaft der Universität Graz, bereitet. Für diese Zeit, die fachliche Betreuung und Unterstützung der Arbeit möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Ein herzliches Danke möchte ich Mag. Andrea Zedler MA und Ingeborg Zechner MA für die vielen wertvollen Tipps zur Arbeit sowie Frau Mag. Melanie Rieger für ihre Hilfsbereitschaft in der Institutsbibliothek aussprechen. Sehr genossen habe ich die großartige gemeinsame Studienzeit mit Julia Eder BA – vielen lieben Dank! Insbesondere danke ich PD Dr. Sabine Meine sowie dem gesamten Team des Centro Tedesco di Studi Veneziani (Deutsches Studienzentrum in Venedig) für die wirklich schöne und interessante Praktikumszeit im Frühjahr 2013; durch die Gespräche, Diskussionen und Veranstaltungen im Umfeld des Studienzentrums konnte ich viele Anregungen und zusätzliche Motivation für die vorliegende Arbeit gewinnen, und es wurde mir der Zugang zu wichtigen Materialien in den Bibliotheken und Archiven der Stadt ermöglicht. Weiters danke ich Signora Barnabó, Inhaberin des Palazzo Malipiero in Venedig, für die Erlaubnis zu fotografieren und die Veröffentlichung der Abbildung 2, sowie der Reproduktionsabteilung der Albertina Wien und dem Ministero per i Beni e le Attivitá Culturali - Biblioteca Nazionale Marciana für die freundlicherweise erteilte Druckgenehmigung der Abbildungen 4 und 9. Besonderer Dank gebührt meinen Eltern Mag. Gerhard und Mag. Mathilde Probst für ihre großartige Unterstützung allgemein, für die Förderung meiner musikalischen Ausbildungen und die Ermöglichung meines Studiums sowie für das Korrekturlesen der vorliegenden Arbeit. Elisabeth Maria Probst Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung …..………………………………………………………………………..4 2 Oper im Venedig des 18. Jahrhunderts ...........................................................6 3 Ausdrucksformen von Fremdartigkeit in Venedigs Opernproduktionen Mitte des 18. Jahrhunderts ............................................19 4 Fallstudie: Alessandro nell’Indie (Pietro Metastasio) .....................................57 4.1 Historie und Mythos: Alexander der Große und sein Feldzug gegen Poros ....................................................................57 4.2 Metastasios dramma per musica Alessandro nell’Indie ........................69 4.2.1 Ausdruck von Fremdartigkeit bzw. Exotismus im Libretto .................................................................................73 4.2.2 Musikalische Analyse ...............................................................85 5 Zusammenfassung ........................................................................................97 6 Quellenverzeichnis ......................................................................................100 6.1 Bibliografie …………………………………………………………..……..100 6.2 Musikalien………………………………………….……………………….106 6.3 Abbildungsverzeichnis ………………………………………...………….106 Tabellenverzeichnis .........................................................................................107 Anhang .............................................................................................................108 3 1 Einleitung Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema Fremdartigkeit bzw. Exotismus in den Opernproduktionen Venedigs etwa Mitte des 18. Jahrhunderts auseinander. Aus Gründen der Quellenverfügbarkeit ist die Arbeit auf der intentionalen Seite angesiedelt. Sie beschäftigt sich in ihrem Hauptteil ausgehend vom Werk mit der am Anfang stehenden Frage: Tritt Fremdartigkeit bzw. Exotismus in den venezianischen Opernproduktionen der Zeit auf und – wenn ja – wie kommt dies zum Ausdruck? Anhand der verschiedensten Elemente der Opernproduktionen wird versucht, diesbezügliche Ausdrucks- möglichkeiten aufzuzeigen. Fragen, die sich zur Rezeption von Fremdartigkeit bzw. Exotismus innerhalb der Gattung Oper durch das Publikum ergeben, bleiben ausgeklammert. Begründet durch die enorme Produktion in den italienischen Theatern der Zeit, wurde ein Zeitfenster für die Jahre 1740 bis 1750, also etwa Mitte 18. Jahrhundert, gewählt sowie eine geografische Eingrenzung auf die Stadt Venedig getroffen. Einerseits gibt es in der bisherigen Forschung vergleichs- weise wenig Material über Fremdartigkeit bzw. Exotismus in der Musik- produktion des (frühen) 18. Jahrhunderts (im Gegensatz zum Bereich des 19. Jahrhunderts), andererseits ist Venedig eine Stadt, deren Einwohnerinnen und Einwohnern man besondere Offenheit gegenüber dem Fremden attestieren kann, begründet durch die über Jahrhunderte andauernden Handels- beziehungen zum Osmanischen Reich und den Handelsfahrten, die venezianische Kaufleute in den Fernen Osten unternahmen, sowie die Auf- nahme von eben von dort ankommenden Handelnden. 1 Alm beispielsweise schreibt über das 17. Jahrhundert bereits, dass in Venedig aufgrund des kauf- männischen Handels viele Menschen unterschiedlichster Kulturen neben- einander lebten: Als Handelsreisende sozial und politisch geduldet, konnten sich viele ein sicheres Heim schaffen. Hinzu kam natürlich auch der Tourismus, vor allem während des Karnevals, in dem die Venezianerinnen und Venezianer 1 Zur Geschichte Venedigs siehe unter anderem: Arne Karsten, Geschichte Venedigs, München 2012 (C.H. Beck Wissen); sowie Gerhard Rösch, Venedig. Geschichte einer Seerepublik, Stuttgart u.a. 2000. 4 das Fremde, das Exotische zum Vorbild für eigene Kostümierungen nahmen, was eine gewisse Offenheit gegenüber dem Fremden bestätigt.2 Der Gedanke der „Offenheit Venedigs“ unterstützt das Auftreten von Fremdartigkeit gerade in den venezianischen Opern sehr. Ein Überblick über die Möglichkeiten des Auftretens von Fremdartigkeit, die sich bei der Durchsicht der Libretti auf den ersten Blick zeigen, wird anhand einiger kurzer Beispiele in Kapitel 3 gegeben. Rund um diese Beispiele zu Namens- gebung der Charaktere, Szenenbeschreibung, Verhalten und Text wird über den kulturellen, europäischen Kontext der Zeit betreffend der Rezeption von Fremdem in der Gesellschaft informiert, und es werden Anregungen zu einigen Analysemöglichkeiten betreffend Fremdartigkeit in visuellen, verbalen sowie musikalischen Elementen der Oper gegeben. Im Zuge dessen stellt sich auch die Frage: In welchen Gattungen der Oper sind Anzeichen von Fremdartigkeit zu finden? Von Interesse sind auch Fragen wie: Entsteht Fremdartigkeit in den Gattungen der Oper des 18. Jahrhunderts neu oder gab es sie schon vorher? Wird Fremdartigkeit typisch oder ist sie gar schon typisch für das zu dieser Zeit übliche Opernrepertoire? Da aber nun das Libretto alleine nicht die ganze Opernproduktion ausmacht, wird im abschließenden Kapitel anhand einer genaueren Fallstudie – Metastasios Alessandro nell’Indie in der Vertonung von Johann Adolf Hasse (1738) – zusätzlich zu den im Libretto vorhandenen Anzeichen von Fremd- artigkeit eine Charaktergegenüberstellung sowie eine musikalische Analyse durchgeführt und Hintergrundinformation zu der historischen Figur Alexander des Großen und dem der Opernhandlung entsprechenden Ereignis gegeben. Der Ausarbeitung zum Thema Fremdartigkeit vorangestellt ist der politische, soziale und kulturelle Kontext Venedigs und das Umfeld, in dem Opern- produktionen Mitte des 18. Jahrhunderts mit all ihren Rahmenbedingungen und Konventionen stattfanden. 2 Vgl.: Irene Alm, Dances from the “Four Corners of the Earth”: Exoticism in Seventeenth- Century Venetian Opera, in: Studies in Seventeenth-Century Opera, hg. von Beth L. Glixon, Farnham u.a. 2010 (The Ashgate Library of Essays in Opera Studies), S. 235–239. 5 2 Oper im Venedig des 18. Jahrhunderts Venedig war eine Stadt, die seit jeher Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt anzog. 3 Als Handelsstadt und Zentrum der venezianischen Republik (bis zu deren Niedergang 1797), welche ihr Gebiet im Laufe der Jahrhunderte über den Mittelmeerraum hinaus immer wieder zu erweitern versuchte und auch erweiterte, war Venedig vorerst nach Osten orientiert, unterhielt enge Verbindungen zu Konstantinopel, war Handelsmacht und -tor nicht nur zum Byzantinischen Reich und zum Orient, sondern auch Handels- partner unter anderem von Nordafrika. Durch den regen Handelsverkehr verweilten Menschen unterschiedlichster Kulturen in der Stadt: „Die Waren fließen aus dieser edlen Stadt wie das Wasser aus den Quellen. Von überall kommen Waren und Kaufleute, um nach Wunsch einzukaufen und ihre Einkäufe in ihr Heimatland schaffen zu lassen.“4 „Venedig war eine pulsierende Hafenstadt mit all ihren Reizen und all ihren Schattenseiten.“5 Als weltoffener Ort des interkulturellen Aufeinandertreffens – dies spiegelt sich auch
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