Nr 107 2014 EDITORIAL Alles so schön bunt hier „Luxemburg ist ein Zeitungsland. Für eine halbe Million in Hülle und Fülle aus dem „Wort“ und dem „Tageblatt“, Einwohner erscheint augenblicklich ein halbes Dutzend die Rotationsmaschinen liefen auf Hochtouren, es kamen Tageszeitungen. Für die zweieinhalb Millionen Lothringer neue und noch buntere Presseprodukte hinzu, und die oder die eine Million Saarländer gibt es dagegen jeweils Chefredakteure und Werbeagenturen frohlockten. nur noch eine Tageszeitung. Als das Internet dann seine Netze über den Erdball Diese Vielfalt der Luxemburger Presse erklärt sich mit spannte, dämmerte es einigen freien Geistern, dass die ihrer doppelten und dreifachen Funktion, die bisher eine neue Zeit wohl doch mittel­ und langfristig Bäume schützen wirtschaftliche Konzentration wie in den Nachbar­ würde, weil man vielleicht in Bälde kaum mehr Papier regionen verhinderte: Durch die geringen Dimensionen benötigen würde in der flimmernden digitalen Welt. des Landes sind die Tageszeitungen zugleich nationale Heute machen wir uns schon ganz laut Gedanken über Zeitungen, Lokalblätter und Parteiorgane. Nach den „nivellement vers le bas“, Zeitungssterben, Verflachung Kriterien des wirtschaftlichen Gewinns würde wohl auch der Medien, Vermischung von Lobbyismus und Journalismus hierzulande ein einziges Monopolblatt, wie der Républicain und über ähnlich beunruhigende Phänomene. Lorrain oder die Saarbrücker Zeitung, genügen. Was Sie, liebe Leserin, lieber Leser, hier in Händen halten, Den Pressepluralismus gewährleistet der politische ist eine Zeitschrift, deren Herstellung viel Arbeit gekostet Gewinn, welchen, neben anderen Funktionen, hat. Die Redaktion hat gute Mitarbeiter ausgewählt, insbesondere die Tageszeitungen den ihnen nahe die Texte und Reportagen wurden sorgfältig redigiert stehenden Parteien erbringen sollen.“ und illustriert, und der Grafiker gab sein Bestes, um das So beschreibt Romain Hilgert, der Chefredakteur Layout so übersichtlich und ästhetisch wie möglich zu von D’Lëtzebuerger Land, in dieser ons stad­Nummer gestalten. Und last but not least wurde sehr viel Korrektur die Situation der geschriebenen Presse in Luxemburg. gelesen, damit keine unschönen Fehler stehen blieben. In den achtziger und neunziger Jahren schien es, als habe ons stad ist übrigens keine Gratiszeitung, die von der Einzug der Computertechnologie nach den grauen Werbung finanziert wird, sondern eine Publikation, Zeiten des Bleisatzes eine qualitative und quantitative die über ein eigenes Budget der Stadt Luxemburg verfügt Revolution eingeläutet. Der hiesige Blätterwald wurde und sich als journalistische, historische und kulturelle immer bunter und schöner, die Reklame­ und TV­Beilagen Dienstleistung für alle Bürger begreift. purzelten allmorgendlich zur Freude der Abonnenten Sie erscheint seit 1979 und hat bisher dem Zeitgeist die Stirn geboten. Titelbild: © Saint-Paul r.cl. SOMMAIRE 4 38 52 60 Von der Clef du cabinet Ceci est un journal Zeitungsredakteurin mit SIP, Presserat, zum Internet Le Lëtzebuerger Land, Migrationshintergrund Journalistenverbände In drei Jahrhunderten hebdomadaire indépendant Allein der journalistische Luc Caregari über die Funda- erschienen hierzulande et critique, vient de fêter Blick zählt mente eines Berufsstandes über 400 Zeitungen ses soixante ans. Et résiste dans un contexte de crise Uli Botzler über deutsch- Luxemburg ist ein Zeitungsland. luxemburgische Beziehungen 66 Für eine halbe Million Einwohner Par Josée Hansen Ohne Drucker keine Zeitung erscheint augenblicklich ein halbes Die turbulente Geschichte Dutzend Tageszeitungen. Für die 40 54 Luxemburger zweieinhalb Millionen Lothringer „...Ihr habt ja schon Protestations, intimidations, Zeitungsdrucker oder die eine Million Saarländer procès et censure wieder Feierabend!“ Ein Beitrag von Stadtarchivarin gibt es dagegen jeweils nur noch L’Allemagne nazie face à la presse eine Tageszeitung. Der Journalistenberuf aus der Evamarie Bange Sicht eines Anfängers - in drei luxembourgeoiseau cours des années Ein historischer Exkurs Sequenzen. 1930 von Romain Hilgert Persönliches von David Angel Par Paul Lesch 8 Le journal d’un siècle Du «Escher Tageblatt» au «Tageblatt» Le premier numéro du «Escher Tageblatt » parut le 30 juin 1913 à Esch/Alzette avec le sous-titre «organe démocratique pour les intérêts du canton d’Esch » («Demo- kratisches Organ für die Interessen des Kantons Esch »). Si la référence géographique a été rayée dans le titre du journal en 1947, celui-ci reste jusqu’aujourd’hui solidement implanté dans ce canton. 68 Par Ben Fayot La collection luxembourgeoise 42 57 du Musée National 16 Une rétrospective Fast so alt wie Les dernières nouvelles d’Histoire et d’Art sur le magazine Revue, du papier Wil Lofy der Luxemburger Staat à la veille de son Das „Luxemburger Wort“ erlebte 70e anniversaire Par Anne Schmitt Par Nathalie Becker und reflektierte die guten und die Par Christian Mosar schlechten Zeiten unseres Landes. 58 71 Von Léon Zeches „Eng Lëtzebuerger Was bedeuten 44 Journalistekarriär“ die Straßennamen „Lëtzebuerger Journal“ der Stadt? 24 Freigeist und Pluralismus Eng Short-Story Heft, Illustrierte, Magazin, seit 1948 vum Nico Helminger Eine Serie von Simone Beck Revue, Klatschblatt, Postille, Journal, Fachblatt, Von Nic. Dicken 72 Jahreschrift, Monatsschrift, Théâtres de la Ville Vierteljahresschrift… 46 Comment vous raconter Zeitgeist in Zeitschriften „Die ‚Zeitung‘ versteht sich la saison? als Interessenvertretung Ein Rückblick Par Simone Beck von Jean-Marie Reding der arbeitenden Menschen“ Von Henri Fischbach 75 30 Aktuelles aus der Web statt Papier 48 Cité-Bibliothek Das Zeitungswesen Version .lu de Feierkrop So alt wird keine Kuh Eine Reportage von Christiane Grün Jacques Drescher über Luxemburgs 78 dienstältestes Satireblatt Cercle-Cité 34 Calendrier culturel Chefredakteur Zirfeld 50 und Korrektor Frick Die „woxx“: Journalismus gestern Ein Projekt, das es und heute eigentlich nicht geben sollte René Clesse über alte Richard Graf über Durchhaltever- und neue Trends und Tendenzen mögen im einheimischen Pressewald ons stad N° 107 Décembre 2014 Recherche internet: onsstad.vdl.lu Supervision: Patricia Rix Périodique édité par Rédaction et coordination: René Clesse l’administration communale Layout: Stéphane Cognioul, de la Ville de Luxembourg Maison Moderne, Luxembourg paraissant trois fois par an Photos: Vic Fischbach, Guy Hoffmann, Fondé en 1979 par Henri Beck † Photothèque de la Ville de Luxembourg Tirage: 54 000 exemplaires Dessins: Pit Weyer Distribution à tous les ménages Imprimé sur les presses de de la Ville de Luxembourg I’lmprimerie St­Paul S.A., Luxembourg Von der Clef du cabinet zum Internet In drei Jahrhunderten erschienen hierzulande über 400 Zeitungen Luxemburg ist ein Zeitungsland. iese Vielfalt der Luxemburger Presse erklärt sich mit ihrer doppelten und Für eine halbe Million Einwohner Ddreifachen Funktion, die bisher eine wirtschaftliche Konzentration wie in erscheint augenblicklich ein halbes den Nachbarregionen verhinderte: Durch die geringen Dimensionen des Lan- Dutzend Tageszeitungen. Für die des sind die Tageszeitungen zugleich nationale Zeitungen, Lokalblätter und Parteiorgane. Nach den Kriterien des wirtschaftlichen Gewinns würde wohl zweieinhalb Millionen Lothringer auch hierzulande ein einziges Monopolblatt, wie der Républicain Lorrain oder die eine Million Saarländer oder die Saarbrücker Zeitung, genügen. Den Pressepluralismus gewährleistet gibt es dagegen jeweils nur noch der politische Gewinn, welchen, neben anderen Funktionen, insbesondere eine Tageszeitung. die Tageszeitungen den ihnen nahe stehenden Parteien erbringen sollen. 4 Im Juli 1704 erschien – Die große Pressevielfalt in einem klei- noch anonym - die ersten nen Land ist nicht neu. Zeidonken, Zeitung in Luxemburg Zeddéngen, Gazetten, Handelsblieder, Witzblieder und Petit-beurren gibt es seit mehr als 300 Jahren in Luxemburg, und im Laufe der Zeit erschienen weit mehr als 400 Titel. Hinzu kommen noch Hunderte von Vereins-, Fach- und Kulturzeitschrif- ten. Die genau Zahl lässt sich nicht mehr ermitteln, weil von manchen Zeitungen keine Exemplare mehr überliefert sind: Nachdem sie im Haushalt oder dem Gast- haus durch viele Hände gegangen waren, endeten die meisten Zeitungen als Verpa- ckungsmaterial oder Klopapier. Nach der Erfindung der Zeitung um 1600 dauerte es ein Jahrhundert, bis die erste Zeitung im Juli 1704 in Luxemburg erschien, La Clef du cabinets des princes de l’Europe ou recuëil historique & politique sur les matieres du tems – im 18. Jahrhun- dert waren eher ausführliche Zeitungstitel beliebt. Ihr Geschäftsmodell nahm dasjenige von RTL zwei Jahrhunderte später vorweg: Im Format eines modernen Taschenbuchs bediente sie 90 Jahre lang zuerst jeden Monat, dann alle 14 Tage aus einer Souve- ränitätsnische heraus eine Leserschaft fran- zösischer Adeliger und Bürger, die sich nicht mit der staatlich kontrollierten Presse in ihrem Land zufrieden geben wollte. Trotz- dem blieb es im Jahrhundert der Aufklärung ein antiaufklärerisches Blatt. Die erste lokale Oppositionszeitung war 1799 das Echo des Forêts et des départements circonvoisins, das die fran- zösische Verwaltung des Départements des Forêts von einem linken, neojakobinis- tischen Standpunkt aus kritisierte. Das Ein Verbindungsblatt ging nur wenige Monate lang gut. von 1821 für die Offiziere und Spießbürger in der In dem neu geschaffenen Großherzog- engen Festung tum war dann 1821 das biedermeierlich beschränkte Luxemburger Wochenblatt die erste deutschsprachige Zeitung hierzu-
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