View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by Hochschulschriftenserver - Universität Frankfurt am Main Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 42. Jahrgang • 2005 • Heft 2: 33–39 Das Vorkommen des Ruten-Hasenohrs (Bupleurum virgatum CAV.) im Selketal Anmerkungen zu Gefährdungsursachen sowie zu Schutz- und Erhaltungsmöglichkeiten der Art NICK HERRMANN & HANS-ULRICH KISON Zusammenfassung 2 Anmerkungen zu historischen Vorkommen von B. virgatum im Die bedeutendste Gefährdung für das in Deutsch- nördlichen Harzgebiet land vom Aussterben bedrohte Ruten-Hasenohr (Bupleurum virgatum CAV.) geht derzeit vom Men- Die Vorkommen von B. virgatum CAV. (= B. gerardii schen aus. Durch touristische Übernutzung wur- auct.; für eine ausführliche Darstellung der Syno- den am bislang letzten Standort der Art (Selke- nymik siehe SNOGERUP & SNOGERUP 2001) in Mittel- tal: „Alter Falkenstein“) Ruderalisierungs- und europa waren auch in der Vergangenheit aus- Eutrophierungsprozesse initiiert, durch die sich schließlich auf das nördliche Harzgebiet beschränkt. der für B. virgatum verfügbare Lebensraum stän- HAMPE (1873) berichtete erstmals über den Fund von dig verkleinert. Darüberhinaus werden jährlich Bupleurum Scheffleri durch den Stadtsekretär LUD- zahlreiche Individuen der annuellen Art durch WIG SCHEFFLER (1822-1909) bei Blankenburg. Dieser menschliche Tritteinwirkung geschädigt bzw. hatte die Art „an den Kesselköpfen, zwischen Blan- gänzlich zerstört. Die vordringlichste Aufgabe zur kenburg und dem Regenstein“ im Jahr 1866 ent- Erhaltung des Ruten-Hasenohrs in Deutschland deckt (HAMPE 1873: 110). Interessant ist HAMPES Be- besteht deshalb darin, durch wirksame Besucher- merkung zur Abgrenzung der Art von B. gerardi lenkung den Standort der Art am „Alten Falken- JACQ.: „Steht dem B. Gerardi Jacq. am nächsten, un- stein“ zu entlasten und zu sichern. terscheidet sich aber durch die dreistreifigen Thäl- chen der Früchte, die bei B. Gerardi Jacq. nicht ge- 1 Einleitung streift sind.“ (HAMPE 1873, loc. cit.). Dieser Autor hielt die Art daher für neu und benannte sie nach ihrem Das letzte bekannte Vorkommen von Bupleurum Entdecker Bupleurum Scheffleri HAMPE. SPORLEDER virgatum CAV. (Apiaceae, Doldenblütengewächse) (1882: 89) beschrieb denselben Fundort: “... auf Sand- in Mitteleuropa befindet sich im nordöstlichen boden am Galgenberge bei Blankenburg“. Dieser Harzgebiet im Selketal auf dem Plateau der ehe- Fundpunkt liegt im Messtischblatt (MTB) 4131/4 (De- maligen Burganlage „Alter Falkenstein“. Da die renburg) knapp 200 m ü. NN und trägt heute die Frequentierung und damit die Trittbelastung des Bezeichnung Harlippenberg bzw. Sassenberg bei der Standortes durch Wanderer in den vergangenen Siedlung Gehren. WEIN (1911) berichtete aufgrund Jahren stark zugenommen hat, besteht die akute von Material, welches ihm vorlag, dass die Art sehr Gefahr des Erlöschens der Population und damit zahlreich dort vorkam und um 1910 nur noch spär- des Aussterbens der Art in Mitteleuropa. Das Ziel lich beobachtet werden konnte. Dieser Autor hielt der vorliegenden Arbeit besteht darin, Gefähr- das Indigenat am Fundort für wahrscheinlich, da dungsursachen für B. virgatum zu analysieren ihm „eine Einschleppung schwer möglich erscheint“ sowie Schutzmöglichkeiten für die Rote-Liste-1- (WEIN 1911: 68). Wie bereits BERTRAM (1894) führte Art (FRANK et al. 2004) aufzuzeigen. Weiterhin sol- WEIN (1911) die Sippe unter dem Namen Bupleurum len bereits durchgeführte Maßnahmen zur Erhal- filicaule BROT. MERTENS (1961: 61) vermerkte: „an den tung der Art im Selketal dokumentiert werden. Kesselköpfen bei Blankenburg eingegangen“. Die Entdeckungsgeschichte der Art im Selketal wurde ausführlich von KISON & PISTRICK (1996) beschrieben. 33 Abb. 1: Historische bzw. rezen- te Standorte von Bupleurum virgatum im Selketal. 3 B. virgatum im Selketal gen (Flachgründigkeit, Hangneigung) sowie der hohen Mufflon-Besatzdichte weist der „Bunte Das Vorkommen von B. virgatum im Selketal setz- Fleck“ nur eine lückige Vegetationsdecke auf. te sich ursprünglich aus drei Teilpopulationen Der dritte Standort schließlich befindet sich zusammen, die sich nur wenige hundert Meter unmittelbar auf dem Plateau der im Jahr 1115 (WÄ- voneinander entfernt befanden (Abb. 1). Es han- SCHER 1955) zerstörten Burganlage „Alter Falken- delt sich dabei zum einen um die in der Nähe der stein“ (MTB 4333/1). Im ehemaligen Burggraben, ehemaligen Burganlage „Ackeburg“ gelegene wo die Art noch von SCHUSTER (1936) gefunden „Selkesicht“ (MTB 4333/2). Diese Lokalität ist leicht wurde, ist B. virgatum heute nicht mehr anzutref- zugänglich und wird von Wanderern wegen des fen. Obwohl der „Alte Falkenstein“ innerhalb ei- dort möglichen Ausblicks über das Selketal rela- nes Totalreservates liegt, hat sich diese Lokalität tiv häufig aufgesucht. Die Attraktivität der „Sel- in den letzten Jahren zu einem touristischen Aus- kesicht“ für Wanderer wird zusätzlich durch das flugsziel mit stetig wachsender Beliebtheit ent- Vorhandensein eines kleinen Rastplatzes erhöht. wickelt. Die Flora dieses Standortes setzt sich Die zweite Lokalität, der „Bunte Fleck“ (MTB einerseits aus Laubwald- und Xerothermarten, 4333/1), wurde in der Literatur fälschlicherweise sowie andererseits aus Ruderal- und Segetalarten gelegentlich auch mit dem „Langen Fleck“ gleich- zusammen (siehe Anhang). gesetzt (z. B. SCHUSTER 1936, MERTENS 1961). Der Der letzte sichere Nachweis von B. virgatum „Bunte Fleck“ befindet sich abseits offizieller am „Bunten Fleck“ bzw. an der „Selkesicht“ Wege inmitten eines Wald- bzw. Forstgebietes stammt aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und ist nur schwer zugänglich. Er erstreckt sich (SCHUSTER 1936). Zwar zitiert MERTENS (1961) den oberhalb des Soldatengrabes auf dem steil abfal- „Langen Fleck“ bzw. „Bunten Fleck“ nochmals, je- lenden Südhang des Selketals und wird von Grau- doch ohne Angabe einer Bestätigung. Auch KARL wacke-Klippen durchsetzt. Die Flora des „Bunten (1970), der in den 60er Jahren den „Bunten Fleck“ Flecks“ ist hauptsächlich durch das Auftreten von mehrfach floristisch kartierte, konnte die Art xerophilen Arten gekennzeichnet (siehe Anhang). nicht mehr nachweisen. Eine gezielte Nachsuche Aufgrund der edaphischen Standortsbedingun- an beiden Lokalitäten im August 2004 erbrachte 34 ebenfalls keine Ergebnisse, so dass die Teilpopu- lationen „Bunter Fleck“ und „Selkesicht“ mit gro- ßer Wahrscheinlichkeit als erloschen zu betrach- ten sind. Lediglich am „Alten Falkenstein“ ist B. virga- tum rezent noch anzutreffen (Abb. 2). Hier wurde die Art zum ersten Mal von SCHUSTER (1936) nach- gewiesen, der etwa einhundert Individuen vor- fand. RAUSCHERT (1972) berichtete, dass er an die- sem Standort 1965 noch etwa 50 Exemplare ge- funden hat. Danach konnte die Art erst wieder im Jahr 1991 durch HERDAM und KISON nachgewie- sen werden (HERDAM 1995). 4 Gefährdungsursachen Am „Alten Falkenstein“ stellt die angestiegene synanthrope Standortsüberprägung mit ihren 2 negativen Folgeerscheinungen die bedeutendste Abb. : Juvenile Individuen von B. virgatum (siehe Pfeile) am Standort „Alter Falkenstein“ (02.06.2003). Gefährdungsursache für B. virgatum dar. Wäh- Die Jungpflanzen sind äußerst unscheinbar und rend dieser Standort noch in der ersten Hälfte der können in diesem Entwicklungsstadium kaum von 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts nur relativ einem Gras unterschieden werden. selten begangen wurde, nahm die Anzahl der Per- Foto: N. Herrmann. sonen, die jährlich das Felsplateau betraten, in der zweiten Hälfte der 90er Jahre stark zu (Revierförs- den Bestand von B. virgatum gleich zweimal be- ter MARTIN, mdl. Mitteilung). Dieser Trend setzte einträchtigt, weil der zum Aussichtspunkt und sich auch in jüngster Zeit fort. zum Gipfelbuch führende Trampelpfad die mit B. Die Auswertung des Gipfelbuches, das vom virgatum bestandene Fläche direkt durchschnei- „Harzklub Zweigverein Ballenstedt e. V.“ am det und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten Westrand des Plateaus unter einem Feld-Ahorn sowohl zum Auf- als auch zum Abstieg benutzt ausgelegt wurde, gestattet einen gewissen Ein- werden muss. blick in den Wandel des Erholungsdruckes auf Die angestiegene synanthrope Überprägung den „Alten Falkenstein“ in den letzten Jahren. des „Alten Falkensteins“ wirkt sich gefährdend Danach wurde das Plateau im Jahr 2002 für den Bestand von B. virgatum aus. Für eine kon- insgesamt von 159 Personen betreten, im dar- kurrenzschwache Pflanzenart ist generell zwar auffolgenden Jahr dagegen schon von 297 Besu- immer auch anzunehmen, dass eine gewisse „Stö- chern. Im Jahr 2004 hatten bis zum Ende des rung“ der Vegetationsdynamik ihres Habitates Monats August 163 Personen das Plateau aufge- sogar förderlich sein kann (Verhinderung des sucht (weitere Daten konnten für dieses Jahr Zuwachsens der Flächen). In Anbetracht der seit nicht erfasst werden). Im Jahr 2005 hatten bis zur einigen Jahren stark rückläufigen Populations- Mitte des Monats Mai nachweislich bereits 103 entwicklung von B. virgatum (HERRMANN, in Vor- Personen den „Alten Falkeinstein“ betreten; deut- bereitung) muss jedoch konstatiert werden, dass lich mehr, als in all den Jahren zuvor zu diesem das erträgliche und förderliche Ausmaß an „Stö- Zeitpunkt. rung“ derzeit weit überschritten ist. Durch Es muss berücksichtigt werden, dass diese menschlichen Tritt werden jährlich zahlreiche Zahlen Mindestwerte darstellen. Der tatsächliche Individuen der unscheinbaren Art geschädigt Wert liegt um einen unbekannten Betrag bzw. gänzlich zerstört, so dass diese Pflanzen
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