
Almuth Bruder-Bezzel Alfred Adlers Wiener Kreise in Politik, Literatur und Psychoanalyse Beiträge zur Geschichte der Individualpsychologie Titel Autor © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 Almuth Bruder-Bezzel Alfred Adlers Wiener Kreise in Politik, Literatur und Psychoanalyse Beiträge zur Geschichte der Individualpsychologie Mit 15 Abbildungen Vandenhoeck & Ruprecht © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Café Central, Wien/INTERFOTO/JTB PHOTO Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-647-40635-0 © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 Inhalt Einleitung .......................................... 7 Alfred Adler, Albert Ehrenstein und der Wiener literarische Expressionismus ..................... 11 Psychischer Hermaphroditismus, Adlers Aufstand auf dem Nürnberger Kongress 1910 und die Gründung des Zentralblatts ..................................... 41 Macht und narzisstische Charakterstruktur. Alfred Bergers »Hofrat Eysenhardt« und Adlers Streben nach Macht ........ 65 Alfred Adler und der Erste Weltkrieg ..................... 85 Otto Kaus: Ein Grenzgänger zwischen Individualpsychologie und Literatur und Politik ............................... 101 Alfred Adler und Otto Gross: Verbindungslinien zwischen zwei ungleichen Dissidenten ............................ 169 Ist Individualpsychologie eine Wissenschaft? Wissenschafts- und erkenntnistheoretische Debatte in den 1920er und 1930er Jahren .............................. 191 Manès Sperbers marxistische Individualpsychologie ......... 213 Wille zur Macht, schöpferische Kraft und Lebenskunst bei Alfred Adler und Friedrich Nietzsche .................. 241 © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 6 Inhalt Quellenverzeichnis ................................... 261 Bildnachweis ........................................ 263 Personenregister ..................................... 265 © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 Einleitung Seit dem Beginn meiner Beschäftigung mit der Individualpsycho- logie Alfred Adlers in den frühen 1980er Jahren stellte sich mir die Frage, wie die Adler’sche Persönlichkeitstheorie in seinem soziokul- turellen Milieu in Wien verankert, woher er als Person biographisch und intellektuell gekommen war und wohin er ging, mit wem er und gegen wen er dachte und schrieb. Um dies nachzeichnen zu können, muss man die Person und die Theorie im Kontext der historischen Zusammenhänge und Ereignisse sehen und die Kreise kennen, in denen er sich bewegte. Die Adler’sche Theorie wäre damit als Teil eines umfassenderen kulturellen Diskurses zu verstehen, als Schnitt- stelle gesellschaftlich allgemeiner und individuell besonderer Ent- wicklungslinien, somit als geronnene Form eines geschichtlichen und intellektuellen Prozesses. Seit den späteren 1980er Jahren wurde die Kenntnis der harten biographischen Fakten immer mehr erweitert, ist das Wissen um die Entstehung und Weiterentwicklung der Adler’schen Theorie und sei- ner Schule sehr stark angewachsen. Zudem sind Adlers Texte seit einigen Jahren in einer siebenbändigen, historisch-kritischen Stu- dienausgabe auch neu zu lesen (2007–2010), und schließlich wurden erstmals Briefe aus der ganzen Welt gesammelt und herausgegeben (2014). So hat sich allmählich ein neues und differenzierteres Bild von Adler herausgeschält. Die Aufsätze dieses Buches sind dazu ein weiterer Beitrag. Adler, Mitbegründer des Freud-Kreises der ersten Stunde (1902), wurde ein sehr wichtiges Mitglied in diesem Kreis und mit seinem Aus- tritt (1911) der erste, und auch ernstzunehmende, Dissident. Er war zwar auch Schüler von Freud geworden – was er selbst später bestreitet, aber hatte doch viel Eigenständigkeit mitgebracht und diese weiterentwickelt. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 8 Einleitung Dazu gehörten seine Orientierung an der Sozialmedizin, sein an Nietz- sche und am Marxismus geschultes Denken, seine positive Haltung zur Gleichberechtigung der Frau und zur Frauenbewegung und seine Beziehungen zu den Sozialisten und Austromarxisten. Als diese dann mit der Gründung der Republik Regierungsfunktion übernahmen und eine Reihe von Reformvorhaben durchführten, engagierte sich Adler stark, besonders bei den pädagogischen Reformen. Adler war also von vornherein und bis in die späteren 1920er Jahre offen für viele gesellschaftspolitische, künstlerische, literarische, allge- mein kulturelle Fragen und für moderne, avantgardistische Strömungen in Kultur und Wissenschaft. Dazu gehört sein ganzheitliches Denken, die Überwindung des streng kausal-naturwissenschaftlichen Denkens hin zum teleologischen und soziologischen Denken, in dem das Sub- jekt als handelndes gesehen und in ein soziokulturelles Ganzes ein- gebettet wird. Adlers theoretische und persönliche Distanzierung von Freud hat sehr viel mit dieser gesellschafts- und wissenschaftskritischen und modernen intellektuellen Orientierung zu tun. Auch wenn Adler als Person sicher eher solide bis bieder wirkte, hat er neue Strömungen der jüngeren Generation aufgegriffen und zumindest interessiert ver- folgt, die in bürgerlichen Kreisen keineswegs selbstverständlich akzep- tiert waren. So war Adler z. B. noch vor dem Ersten Weltkrieg und umso mehr danach von Künstlern und Literaten umgeben, die laut und aufgeregt, auch provokant agierten. Die meisten seiner relevan- ten Verbindungspersonen waren deutlich jünger als er, meist zehn bis zwanzig Jahre, wie auch viele seiner Anhänger. Diese – vor allem die Künstler und Schriftsteller – verstanden sich vorwiegend als opposi- tionell-politische Individuen, waren Teil der sozialistischen, revolu- tionären, pazifistischen Bewegungen, besonders in und nach der Zeit des Weltkrieges. Auch Adler verstand sich in diesen früheren Jahren als Sozialist und Marxist, später dann als Pazifist. Er engagierte sich in diesen Bewegungen, unterstützte darin auch einzelne Personen, nahm Stellung zu Zeitfragen. Dabei haben sich Adlers Kreise bis in die Zeit, in der er noch vorwiegend in Wien lebte, verändert und erweitert, wie dies auch sichtbar ist an den Diagrammen, die Edwards Timms für die Wiener Kreise um 1910 und in den späten 1920er Jahren verdeutlicht hat (Timms, 1993, S. 130, 140). © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525406359 — ISBN E-Book: 9783647406350 Einleitung 9 Die Kreise von Wissenschaftlern, Politikern und Künstlern waren in Wien überschaubar, man lernte sich in politischen und intellektuel- len Zirkeln, auch über Publikationen, kennen. Und vor allem gab es ja einen Ort, sich unverbindlich einzeln und in Gruppen zu sehen, zu verabreden und diskutieren zu können: das Wiener Kaffeehaus, »Sam- melpunkt von Intellektuellen aus verschiedensten Berufen […], von debattierfreudigen Persönlichkeiten des literarischen, wissenschaftli- chen und künstlerischen Establishment«, wie Milan Dubrovic als Zeit- zeuge darstellt (Dubrovic, 2001, S. 28 f.). Es wurde über alles diskutiert, »über Kunst, Literatur, Philosophie, über Einsteins Relativitätstheorie, die Psychoanalyse, die Individualpsychologie […] und selbstverständ- lich auch über Politik« (S. 30). Es gibt Namen, die im Zusammenhang mit den berühmten Kaffee- häusern, dem »Herrenhof« oder »Central« oder »Café Museum«, immer wieder genannt werden und die direkt oder indirekt zum Kreis von Adler gehörten oder diesen berührten. Adler war selbst ein Kaffeehausbesu- cher und hat dort seine Kontakte gepflegt und vertieft. Er war Mitglied bei verschiedenen Stammtischen, im »Herrenhof«, »Café Central« und »Café Siller«. Nach der Gründung der Individualpsychologie gab es im »Herrenhof« eine eigene Adler-Loge für tägliche Treffen. Allerdings »residierte« dort vor allem Raissa Adler, seine Frau, während Adler selbst zumindest zeitweise das Café Siller (am Schwedenplatz) bevor- zugte. Manès Sperber soll an beiden Tischen gewesen sein (Dubrovic, 2001,3 S. 3 f.). Das vorliegende Buch versammelt Aufsätze, die sich mit Adlers sozialem und persönlichem Umfeld, seinen Kreisen, seinen Bezugs- personen oder Anhängern beschäftigen. In diesem Umfeld ist die Ent- wicklung seiner Theorien (oben-unten, männlich-weiblich, schöpfe- rische Kraft, Machtstreben) zu begreifen, die selbstverständlich auch hier immer wieder Gegenstand der Darstellung und Auseinanderset- zung ist. Es geht um seine letzten direkten Kontakte mit der Psycho- analyse (Kongress 1910) und das psychoanalytische Umfeld (Wilhelm Stekel und das Zentralblatt, Otto Gross), um Literaturinterpretation
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