ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Philippia. Abhandlungen und Berichte aus dem Naturkundemuseum im Ottoneum zu Kassel Jahr/Year: 2001-2003 Band/Volume: 10 Autor(en)/Author(s): Morkel Carsten Artikel/Article: Zur Wanzenfauna (Insecta: Heteroptera) des Kellerwaldes am Edersee (Hessen) 65-78 PHILIPPIA 10/1 S. 65-78 5 Abb. Kassel 2001 Carsten Morkel Zur Wanzenfauna (Insecta: Heteroptera) des Kellerwaldes am Edersee (Hessen) Zusammenfassung Endangered species are Taphropeltus andrei In den Jahren 1996 bis 1998 konnten an and Psallus punctulatus with their northern- ausgewählten Waldstandorten rund um den most records, and the also rare Loricula Edersee in Nordhessen 66 Wanzenarten in ruficeps, all of them recorded for the second 365 Individuen durch Lufteklektor- und Boden- time for the fauna of Hesse. fallenfänge nachgewiesen werden. Es handelt sich hierbei um ein charakteristisches Spek- trum von Arten, die in Wäldern, auf Waldlich- 1. Einleitung tungen oder an Waldrändern auf Bäumen, Beiträge zur hessischen Wanzenfauna be- Sträuchern und am Boden vorkommen. Auf- schränken sich bisher weitgehend auf die Mit- grund der eingesetzten Nachweismethoden te und den Süden des Landes (vgl. FRÖHLICH bilden die gefundenen Taxa nur einen Aus- 1994). Nördliche Landesteile werden dagegen schnitt der tatsächlich an den Standorten nur in wenigen Publikationen (BERNHARDT vorkommenden Wanzenassoziationen. Fau- 1990; MORKEL 1999, 2001b und TAMM 1985) nistisch besonders bemerkenswert und vom berührt. An dieser Stelle kann aufgrund der Aussterben oder stark bedroht sind folgende Beifänge einer umfangreichen Erhebung zur Arten, die jeweils einen Zweitnachweis für Käferfauna des Edersees durch SCHAFFRATH Hessen darstellen: Der xerothermophile Ta- (1999) ein weiterer Beitrag zur Kenntnis des phropeltus andrei, der ebenso wie der seltene Vorkommens von Heteropteren in Nordhes- Psallus punctulatus hier die Nordgrenze sei- sen vorgelegt werden. ner Verbreitung in Europa erreicht, und die ebenfalls selten dokumentierte Loricula ru- Bei den im Rahmen der Arbeit erfaßten Le- ficeps. bensräumen handelt es sich um durch Eichen und Rotbuchen geprägte Laubmischwälder der unmittelbaren Umgebung des Edersees. Abstract Der größte Teil der Flächen schließt im Süden Between the years 1996 and 1998 the investi- an die nördlichen Grenzen des ursprünglich gation of selected woodland localities around geplanten Nationalparks Kellerwald an und Lake Eder in North Hesse (Germany) resulted hat den Status von Naturschutz- (NSG) oder in a total record of 66 species of true bugs Landschaftsschutzgebieten (LSG), ein Teil (Insecta: Heteroptera). Most of the taxa were der Flächen liegt innerhalb der ursprünglich silvicolous species. Due to the fact that only als Nationalpark angedachten Zone. pitfall traps and air-eclectors were used for sampling, the results show only a partial aspect of the local heteropterous fauna. 66 Carsten Morkel 2. Untersuchungsgebiet und Klima Kahle Haardt: NSG (25 ha); 260 mNN; Die untersuchten Standorte sind nach Tonschiefer; süd- bis südwestexponierter KLAUSING (1988) innerhalb des Naturraums Steilhang über dem Edersee mit bis zu 60 % Kellerwald den Untereinheiten Herzhausen- Inklination; in der Kernzone lückiger Trauben- Hemfurther Edertal und Große Hardt zuge- eichen-Bestand mit eingestreuten Rotbuchen, ordnet. Der Naturraum Kellerwald stellt einen Kiefern, Wacholder, Mehlbeere, Birke, in den östlichen Ausläufer und Vorsprung des Ber- flacheren Randbereichen Hainbuche und gisch Sauerländischen Gebirges dar und andere Laubbäume; weiträumig fehlende weist aufgrund seiner Geologie und natur- Krautschicht; LE, BF. räumlichen Ausstattung (hoher Waldanteil) Waldeck-Kanzel / Michelskopf: NSG in Aus- eine besondere Eigenständigkeit gegenüber weisung im LSG Kellerwald; 300 mNN; den benachbarten Haupteinheiten des West- Tonschiefer; westexponierter Steilhang; Alt- hessischen Berg- und Senkenlandes auf buchen und Alteichenbestände, eingestreut (KLAUSING 1988). andere Laubbaumarten (u.a. Linde, Hain- buche); LE, BF. Klimatisch ist das Untersuchungsgebiet durch Mühlecke: NSG in Ausweisung im LSG Kel- ein langjähriges Temperaturmittel von 7,7 °C lerwald; 400 mNN; Grauwacke, Tonschiefer; bei einem Monatsmittel zwischen 15 und südlich und westlich ausgerichteter Bergrük- 16 °C im Juli geprägt. Das langjährige Nieder- ken zwischen Edersee und Werbemündung; schlagsmittel liegt bei 653,4 mm, die Zahl der Eichen- und Rotbuchenbestände mit Hain- Sommertage bei 17, die der Frosttage bei 91 buche, Linde, Birke, Wacholder, teilweise mit (Meßstation Waldeck, 376 mNN; MÜLLER- Nadelbäumen aufgeforstet, auf Kahlstellen WESTERMEIER, 1996). Rentierflechtenrasen; LE, BF. Hünselburg: NSG (40,7 ha); 430 mNN; Grau- Eine ausführliche Beschreibung des Unter- wacke; steile West- / flache Ostflanke; vorwie- suchungsgebietes und der Standorte rund gend teilweise krüppelwüchsige Eichen- und um den Edersee, den Besonderheiten des Rotbuchenbestände, ergänzt durch Linden- Kellerwaldes sowie eine kartographische und Hainbuchenbestände auf Blockschutt- Darstellung gibt SCHAFFRATH (1999). An die- halden; LE, BF. ser Stelle werden daher nur die wesentlichen Weißer Stein: im LSG Kellerwald; Grauwak- Charakteristika kurz zusammengefaßt und die ke; Kammlage und west-/nordwestexponierter eingesetzten Methoden angegeben (LE = Steilhang zum Edersee, flacherer Osthang; Lufteklektor, BF = Bodenfalle). Für detailierte Altbuchen- und Alteichenbestände; LE. Informationen und die genauen Untersu- Hagenstein/Backofen: NSG (31,4 ha); Ton- chungszeiträume sei auf die Arbeit von schiefer; westexponierter Steilhang oberhalb SCHAFFRATH (1999) verwiesen. Charakteri- der Eder; teilweise sehr lückige niedrige Alt- stisch für die Standorte am Edersee sind die buchen- und Alteichenbestände, Stockaus- mehrhundertjährigen Baumbestände (vorwie- schläge; LE. gend Quercus und Fagus, mit einem variieren- Donnerkotte: im NSG Waldschutzgebiet den Anteil verschiedener Laub- und Nadel- Edersee; südexponierter Altbuchen- und Alt- hölzer (vgl. untenstehende Liste)). Sie bringen eichenbestand mit teilweise mächtigen Bäu- aufgrund der strukturellen Besonderheiten der men, Hochheidereste; LE. Standorte (Geologie, starke Exposition mit Arensberg: im NSG Waldschutzgebiet Eder- infolgedessen jahrhundertelang fehlender an- see; 340 mNN; Grauwacke; nord-, teilweise thropogener Nutzung) extreme Wuchsformen ost- und westexponierter Hang; vorwiegend hervor und weisen teilweise Urwaldcharakter Altbuchenbestände, daneben Eschen, Ulmen, auf (vgl. SCHAFFRATH 1999). Zusätzlich wur- Eichen und andere Laubbäume, teilweise den zwei Waldstandorte im Bereich der Obe- Nadelbäume; LE. ren Eder in die Untersuchung einbezogen. Obere Eder - Ederstede: 300 mNN; steiler Prallhang der Eder, feuchtes Laubwaldgebiet; LE. Zur Wanzenfauna (Insecta: Heteroptera) des Kellerwaldes am Edersee (Hessen) 67 Obere Eder - Lindenhardt: 450 mNN; trocke- Belegexemplare jeder Art liegen jeweils als ner Eichenmischwald mit vielen abgängigen Trockenpräparate, der Großteil als Alkohol- Altbäumen; LE. material (EtOH-70% + Glycerin) vor und befin- den sich in der Sammlung des Autors, zum Teil in der Sammlung U. Schaffrath. 3. Material, Methoden, Methodenkritik In den Jahren 1996 bis 1998 wurden an allen Die Gefährdungseinschätzung erfolgt nach Standorten eine variierende Zahl von Luftek- den derzeit vorliegenden Roten Listen an- lektoren (Fangzeit insgesamt über 200 000 grenzender Bundesländer oder Landesteile Lufteklektor-Stunden) ausgebracht, ein Teil und der Roten Liste der gefährdeten Tiere wurde zusätzlich mit Bodenfallen beprobt Deutschlands; eine Rote Liste der Landwan- (vgl. SCHAFFRATH 1999). Zur Erfassung eines zen Hessens wird gegenwärtig vorbereitet möglichst breiten Spektrums verschiedener (DOROW et al., in Vorb.). Die in den südlichen Habitate und Übergangsbereiche wurden Bundesländern Bayern (ACHTZIGER et al. die Positionen der meisten Fallen von Jahr 1992) oder Baden-Württemberg (RIEGER zu Jahr variiert. Als Konservierungsmedium 1986) als gefährdet eingestuften Tiere unter- diente ein Gemisch aus Glycerin, Essigsäure, liegen in aller Regel auch in Hessen einer Alkohol und Wasser im Verhältnis 2:1:4:3. zumindest entsprechenden Gefährdung, dasselbe gilt für die im Hügel und Bergland Ein Lufteklektor bestand aus zwei Plexiglas- Niedersachsens (MELBER 1999) gefährdeten scheiben, einer Abdeckung und einem Trich- Taxa. ter mit eingeschraubter Fangflasche, gefüllt mit Konservierungsflüssigkeit. Je ein gelber Das ausgewertete Wanzenmaterial stellt und ein weißer Farbstreifen im unteren lediglich den Beifang der Untersuchungen von Bereich der Plexiglasscheibe diente als Lock- SCHAFFRATH (1999) dar. Die hier zur völligen mittel für Blütenbesucher. Die Fangfläche Schonung der untersuchten Biotope und Habi- (Vorder- und Rückseite) betrug einen Qua- tate eingesetzten Lufteklektoren und Boden- dratmeter. Bevorzugte Fallenpositionen fallen werden für Heteropteren im allgemeinen waren lichte Baumkronen (vgl. Abb. 2 in selten angewandt. MORKEL (2001a) weist für SCHAFFRATH 1999), stammnahe Habitate, einen Biotopkomplex im hessischen Natur- Flugschneisen und Solitärbäume. raum Vogelsberg 66 % des terrestrischen Ge- samtartenspektrums mit Boden- und Fenster- Als Bodenfalle wurden 0,25 Liter fassende fallen nach, setzt letztere allerdings lediglich Kunststoffbecher mit dem oberen Rand eben- auf einem Zehntel der Untersuchungsflächen erdig eingegraben. Es wurden gezielt
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