Der Wandel Der SPD

Der Wandel Der SPD

DOKUMENTATION 17/72 Der Wandel der SPD In seinem im Seewald-Verlag erschienenen Buch „SOS für Europa" schrieb Heinrich Windelen, Bundesminister a. D., stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ein Kapitel über den Wandel der SPD, das wir hier zum Abdruck bringen. Er weist darin nach, daß die SPD Willy Brandts und Herbert Wehners ihre nationale Tradition aus der Weimarer Zeit, fortgesetzt von Kurt Schumacher und Fritz Erler, verraten hat und eine den sowjetischen Interessen dienende Politik betreibt. Sieht man vom „Deutschlandplan" der SPD die in ihrer langen Geschichte immer Unrecht und einmal ab, dann zeigten sich die ersten Gewalt bekämpfte und für das Selbstbestimmungs- Risse im gemeinsamen Konzept kurz vor recht der Menschen und Völker eintrat. Daran der Bildung der Großen Koalition. Vorangegangen änderte sich auch nichts, als sie im Weimarer waren heftige Auseinandersetzungen in der öffent- Staat Regierungsverantwortung übernahm und sich lichen und veröffentlichten Meinung über die mit aller Entschiedenheit dem Versailler Vertrag Oder-Neiße-Linie. Die Zielsetzung lautete: und polnischer Gewaltpolitik im Osten Deutsch- lands widersetzte. Die SPD war eine Partei mit „Das deutsche Volk muß auf die notwendigen internationalen Verbindungen und Verflechtungen, Schritte vorbereitet werden, damit eine Regierung die aber stets das nationale Interesse im Vorder- sich ermächtigt fühlen kann zu handeln, ... wenn grund sah und betonte, bis Willy Brandt und Her- die Regierung damit rechnen kann, im deutschen bert Wehner für den Kurs der Partei verantwortlich Volk Verständnis und Zustimmung ... zu finden." wurden. Der tiefe Gewissenskonflikt, in dem sich Die Verfasser der EKD-Denkschrift, der das viele alte und aufrechte Sozialdemokraten heute Zitat entnommen ist, wollten also - ebenso wie befinden, hängt mit dieser, alle bisherigen Grund- die Unterzeichner des Tübinger Memorandums sätze mißachtenden, grundsätzlichen Kursände- einige Jahre vorher - die öffentliche Meinung be- rung zusammen. einflussen, damit die Politiker handeln können. Beide Stellungnahmen von evangelischer Seite Bereits Anfang 1964 gab es erste Anzeichen hatten Gewicht und erschienen zu einem Zeit- einer Meinungsänderung der SPD in der punkt, als eine neue Bundesregierung an der Vor- Berlinfrage. Die Bundesregierung und der bereitung ihrer Regierungserklärung arbeitete. Vor Senat von Berlin lehnten eine ausgehandelte Pas- allem die Denkschrift der EKD entfachte eine lang sierscheinregelung ab, da sie unannehmbar sei. anhaltende Diskussion, die durch sympathisie- Die „DDR" hatte immer stärker betont, daß die rende Journalisten in Presse, Funk und Fernsehen Übereinkunft einer faktischen Anerkennung der immer wieder neu angeheizt wurde und sich im „DDR" gleichkäme und gefordert, daß Notaufnah- Kuratorium Unteilbares Deutschland fortsetzte. meverfahren eingestellt, die Flüchtlingslager in Die Diskussion jener Jahre leitete eine grund- West-Berlin geschlossen und Treffen „revanchisti- legende Kursänderung bei der SPD ein, die be- scher" Organisationen in West-Berlin untersagt sonders für die Anhänger des Schumacher-Erler- würden. Der Regierende Bürgermeister Brandt und Kurses in der SPD tragisch ist. Die traditions- der Sprecher des SPD-Vorstandes ließen durch- reiche Sozialdemokratie war ja bisher eine Partei, blicken, daß sie das Scheitern der Passierschein- DOKUMENTATION Verhandlungen im Grunde nicht, billigten. Die Kon- Wahrscheinlich aber war es ein Beruhigungsmittel troverse wurde beigelegt. für die starke Gruppe der Jungsozialisten und ihrer Anhänger, die bereits damals eine Verzichts- Im Sommer 1966 war die Situation ähnlich. Die erklärung erwarteten. In der gleichen Rede sprach Bundesregierung lehnte eine Passierscheinrege- er sich im Hinblick auf die „DDR" dafür aus, lung ab, da sie die sogenannte salvatorische Klau- sel nicht enthalte, daß eine Einigung über die „... daß ein qualifiziertes, geregeltes und zeit- Orts-, Behörden- und Amtsbezeichnungen nicht lich begrenztes Nebeneinander der beiden Gebiete erzielt worden sei. Der Berliner Senat war ande- ins Auge gefaßt werden könne, wenn durch inter- rer Auffassung. Man einigte sich auf einen Kom- nationale Entscheidungen die Weichen gestellt sind promiß, daß der West-Berliner Senatsrat Korber und im anderen Teil Deutschlands die freie Mei- diese Erklärung mündlich abgeben solle, der vom nung sich entfalten kann." Pankower Unterhändler nicht widersprochen wer- den dürfe. Das lehnte dieser ab und die Verhand- Auch hier haben wir eine teilweise schillernde lungen scheiterten vorläufig. Der Sprecher des Formulierung, die immerhin ein „qualifiziertes, ge- Vorstandes der SPD sprach der Bundesregierung regeltes" Nebeneinander für möglich hielt, die eine Mitschuld daran zu und erklärte, man hätte man als Bereitschaft zur faktischen Anerkennung diese Frage stillschweigend übergehen sollen. Da der „DDR" werten konnte. Die Voraussetzungen dieser salvatorischen Klausel natürlich erhebliche dafür allerdings waren geeignet, mißtrauische Ge- Bedeutung angesichts der Ost-Berliner Bemühun- müter zu beruhigen, denn an Meinungsfreiheit gen zukam, die Verhandlungen als faktische Aner- unter Ulbricht glaubte niemand. Auch davon ist kennung der „DDR" sowie als Bestätigung des heute keine Rede mehr. Die Vermutung nachläs- von ihr behaupteten Sonderstatus West-Berlins als siger Formulierung der Brandt-Rede wird auch „selbständige politische Einheit" zu mißbrauchen, durch die Ausführungen Helmut Schmidts auf dem spricht dieses Verhalten der SPD für die Bereit- Dortmunder Parteitag am 3. Juni 1966 widerlegt: schaft zum Nachgeben vor östlichen Pressionen und stellt somit bereits eine Kursänderung dar. „Wir können um so erfolgreicher sein, je mehr Im genannten Fall einigten sich Bonn und Berlin es uns gelänge, die Furcht vor Deutschland zu auf einen fast grotesk anmutenden Kompromiß: eliminieren. Die Furcht wird immer wieder genährt Korber gab seine mündliche Erklärung vor der durch Maximalforderungen ..., die das Schreckge- Unterzeichnung ab und sein Ost-Berliner Partner spenst eines angeblichen deutschen Revanchismus bezeichnete sie erst nach seiner Unterschrift als lebendig erhalten helfen ... Zu den Begrenzungen „gegenstandslos". Diese Erklärung wiederum unseres Weges gehört, keinen Zweifel über unsere wurde von Korber als „gegenstandslos" bezeich- Erkenntnis zu lassen, daß die schließliche Wie- net, da sie erst nach Unterzeichnung des Proto- dervereinigung auch im günstigsten Fall Opfer kolls erfolgte. verlangt, die sich auf die Gestaltung der Grenzen des wiedervereinigten Landes, auf seinen militä- Eine vorsichtige Andeutung zur Oder-Neiße- rischen Status im Verhältnis zu seinen Nachbarn Frage machte Willy Brandt als Parteivorsit- und innerhalb des Sicherheitssystems beziehen." zender auf dem SPD-Parteitag am 1. Juni 1966 in Dortmund: Schmidt verwarf also die „Maximalforderungen", „Eine Friedensregelung, wenn sie eines Tages die seiner Partei auch später wieder erhob, und kommt, wird Opfer verlangen. Diese Opfer werden verlangte, daß kein Zweifel an unserer Bereit- in der Welt verstanden werden als der internatio- schaft zu territorialen Opfern bestehen dürfe. Auch nal-rechtliche Preis für den von Hitler begonnenen in diesem Fall konnte er der Zustimmung aller ge- und verlorenen Krieg ... Manche Leute tun so, als mäßigten Kräfte sicher sein, denn über die Not- hätten wir die Gebiete östlich der Oder-Neiße. In wendigkeit, eines Tages Opfer bringen zu müssen, diesem Sinne ,haben' wir ja nicht einmal das, was bestand Einigkeit. Der Rechtsanspruch aber wurde zwischen uns und der Oder-Neiße liegt." bisher gemeinsam verteidigt. Andererseits lasen die Anerkennungsbereiten aus diesen Ausführun- Das war ein Programm, das aufhorchen lassen gen heraus, daß man der Oder-Neiße-Anerken- mußte. Das Signal wurde aber überdeckt durch nung näher komme, ebenso wie der Frage des völlig unvereinbare Äußerungen des gleichen westlichen Bündnisses, das in manchen Kreisen Mannes und seiner Vorstandskollegen danach. der SPD entgegen der offiziellen Haltung der Par- Manche glaubten so an einen „Ausrutscher". teiführung mit großem Mißtrauen und Unbehagen DOKUMENTATION gesehen wurde. Immerhin ließ Helmut Schmidt nachdem die Mehrheit meines Volkes ihn innerlich erkennen, daß auch auf diesem Gebiet „Opfer" schon vollzogen hatte.'" möglich seien. Die Frage, ob sich dahinter eine bewaffnete Neutralität, eine bündnisfreie, militä- Brandt ließ durch diesen Vergleich erkennen, risch verdünnte Zone oder ein neues kollektives daß er nicht nach politischer Erkenntnis und Ge- Sicherheitssystem verbirgt, blieb unbeantwortet. wissen handeln wolle oder könne, sondern den So bot auch Schmidt die Möglichkeit, daß sich Wandel in der öffentlichen Meinung als Vorausset- jeder nach seiner Fasson ein Bild über den zung dafür erwarte. In diesem Sinne wurde ihm deutschlandpolitischen Kurs der SPD machen starke Unterstützung durch die Publizistik zuteil, konnte. Man ließ bewußt alle Interpretationsmög- die ein fast unmerkliches Zurückweichen der SPD lichkeiten offen, nach dem bewährten Muster des ermöglichte. Godesberger Programms, das von reaktionären Marxisten bekanntlich ebenso in Anspruch genom- Den Gesamtzusammenhang des deutschland- men wird wie von entschiedenen Verteidigern des politischen Wandels der SPD deutete Wehner — Eigentums. nun schon Bundesminister der Großen Koalition — in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrich- ten" am 4. Juli 1967 an: Ein weiteres Signal gab Herbert Wehner in einem Interview, das am 19. Oktober 1966 im Frage: „Im November

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