Dr.Philipp Jenninger Zum Gedenken Staatsakt für Dr.Philipp Jenninger Präsident des Deutschen Bundestages von 1984 bis 1988 Berlin, 18. Januar 2018 6Ansprache des Präsidenten des Deutschen Bundestages Dr.Wolfgang Schäuble 14 Ansprache Seiner Eminenz Walter Kardinal Kasper, ehemaliger Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 21 Musikalische Begleitung durch ein Ensemble der Kammermusikklasse des Artemis Quartetts 22 Curriculum vitae Inhalt Herr Bundespräsident! Liebe Frau Jenninger! Liebe Familienangehörige! Frau Bundeskanzlerin! Herr Präsident des Bundesrats! Herr Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts! Eminenz! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirtrauern um Philipp Jenninger.Erist am 4. Januar im Alter von 85 Jahren verstorben. Philipp Jenninger hat die Politik der Bundes- republik Deutschland über viele Jahre mitge- staltet –als leidenschaftlicher Parlamentarier, in Regierungsverantwortung, als Präsident dieses Hauses. Unser Land verliert mit ihm einen verdienten Repräsentanten –und ich selbst einen langjährigen Wegbegleiter,dem ich politisch eng verbunden war und den ich als Menschen sehr geschätzt habe. Ansprache des Präsidenten des Deutschen Bundestages Dr.Wolfgang Schäuble 6 In die Politik fand Philipp Jenninger Ende der 60er-Jahre als persönlicher Mitarbeiter zweier Bundesminister –zuerst beim einstigen CDU- Mitbegründer und langjährigen Fraktionsvor- sitzenden Heinrich Krone und ab 1966 als als Staatssekretär im Auswärtigen Amt und politischer Referent bei Bundesfinanzminister im Verteidigungsministerium, als Chef des Franz Josef Strauß. So sammelte Philipp Bundeskanzleramts. Im Parlament war er Jenninger in vorderster Reihe politische –wie ich –seit 1972, also Neuling. Er Erfahrung, und er erwarb sich das Vertrauen brauchte Philipp Jenninger,der in der beider.Sie blieben nicht die Einzigen, die Fraktion allseits Vertrauen genoss. Dieses seine Vertrauenswürdigkeit schätzten und die Vertrauen war besonders gefragt in den Jahren, von seinen Fähigkeiten profitierten. in denen Helmut Kohl als Parteivorsitzender Die Politik war ihm also vertraut, als er 1969 nach bitteren Auseinandersetzungen mit in den Deutschen Bundestag gewählt wurde Franz Josef Strauß Kanzlerkandidat wurde, –imAlter von 37 Jahren, als direkt gewählter und erst recht nach der nur knapp nicht Abgeordneter in seinem württembergischen gewonnenen Wahl 1976 im Zeichen des CSU- Wahlkreis Crailsheim, später Schwäbisch Trennungsbeschlusses von Kreuth. Hall. Seine Popularität hielt über die 21 Jahre, Es spricht für Philipp Jenninger,dass auch die er dem Deutschen Bundestag angehörte, Kohl ihn als Ersten Parlamentarischen und darüber hinaus. Ich konnte das am Geschäftsführer vorschlug und dass er über vergangenen Freitag bei der Messe und bei der die Jahre bis 1982 in der Fraktion und danach Beisetzung in Ellwangen spüren. im Kanzleramt der engste Vertraute von Philipp Jenningers parlamentarisches Wirken Helmut Kohl war und zugleich immer auch begann im Haushaltsausschuss –nach seiner bei Franz Josef Strauß Persona grata blieb. Zeit im Bundesfinanzministerium nahelie- Philipp Jenninger hielt die Fäden in der Hand, gend. Als Karl Carstens 1973 Vorsitzender der er organisierte und koordinierte in dieser CDU/CSU-Fraktion wurde, schlug er Philipp Vertrauensposition, nicht im Scheinwerfer- Jenninger als Parlamentarischen Geschäftsfüh- licht, mit der Pflicht, zu vermitteln, und mit rer vor.Carstens kannte den Bonner Betrieb der Pflicht und dem Recht, einzugreifen, aus seiner Erfahrung als Staatsrechtslehrer, damit die Dinge nicht aus dem Ruder laufen. 7 Philipp Jenninger half mit viel Geschick, das Machtzentrum um Kohl zu festigen –ein poli- Und er betrachtete es als Ehre, für den demo- tisches Lehrstück, das wesentlich Jenningers kratischen Rechtsstaat zu arbeiten, für Handschrift trug. Der Kohl-Biograf Hans-Peter „die freiheitlichste Republik, die es je auf Schwarz schrieb über diese Zeit: Dass Helmut deutschem Boden gab“. So hat er es gesehen, Kohl „in diesen kritischen Jahren“ nicht und dafür ist er eingetreten. gescheitert ist, sei „in erster Linie“ Philipp Im Kanzleramt war er für die deutsch- Jenninger zu verdanken. Das ist die Sicht des deutschen Beziehungen zuständig. Diese Historikers. Sie spricht für sich. Ich selbst Besonderheit war der deutschen Teilung kann bestätigen, dass Philipp Jenninger in der geschuldet. Die DDR war für die Bundes- Fraktion eine unbestrittene Autorität war. republik Deutschland nicht Ausland, und Ich erlebte ihn vor allem ab 1980 aus nächster umgekehrt akzeptierte die SED kein gesamt- Nähe. Ich habe viel von seiner politischen deutsches oder innerdeutsches Ministerium Erfahrung profitiert, und ich lernte seine in Bonn. immer grundanständige Art schätzen. Nach den Auseinandersetzungen um die Ost- Als enger Vertrauter von Helmut Kohl war und Deutschlandpolitik in den 70er-Jahren es folgerichtig, dass Philipp Jenninger mit und im Ringen um den Vollzug des NATO- dem Regierungswechsel 1982 ins Kanzleramt Doppelbeschlusses war die Deutschland- wechselte: als Staatsminister.Jenninger wollte politik in der Anfangsphase der Regierungs- gestalten. Er hatte als Kind die Diktatur erlebt zeit Kohl eine besonders delikate Aufgabe. und den Zweiten Weltkrieg. Macht war für Dafür war Philipp Jenninger der richtige Mann ihn kein Selbstzweck. Er trat engagiert für die –natürlich auch wegen seiner Vertrauensbasis Demokratie ein. Er wollte seine Überzeugung mit Franz Josef Strauß. teilen und andere dazu bringen, sich gleich- Zusammen mit dem DDR-Unterhändler Alex- falls einzusetzen. „Demokratie muss gelebt ander Schalck-Golodkowski haben sie den werden“, so hat er gerne Konrad Adenauer Milliardenkredit vereinbart, mit dem das Eis zitiert. gebrochen wurde. Wirtschaftliche Leistungen Philipp Jenninger konnte unduldsam werden, gegen menschliche Erleichterungen, das war wo er die Grenzen des Zulässigen überschrit- die Grundformel für unsere Politik in den ten sah. Er kannte keine Berührungsängste, 80er-Jahren: solange Deutschland geteilt war, schon gar nicht, wenn es um die Verteidigung die Folgen für die Menschen zu lindern, die seiner Wertvorstellungen ging. Mauer wenigstens durchlässig zu machen, Seite 1: Porträt Philipp Jenninger Seite 2: Der Plenarsaal ist bereitet für den Staatsakt zu Ehren des ver- storbenen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger Seite 4: „Wir würdigen Philipp Jenningers politisches Wirken, und wir würdigen seine bleibenden Ver- dienste um unser Land“ –Blick in den Plenarsaal während der Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Seite 7: „[...] er betrachtete es als Eh- re, für dendemokratischen Rechts- staatzuarbeiten,[...]“ –Bundestags- präsident Wolfgang Schäuble bei seiner Ansprache 8 Philipp Jenninger spricht im Deutschen Bundestag in Bonn, Juni 1981 9 DerAbschied aus der unmittelbaren Regierungsverantwortung ist ihm nicht um so auch an der Einheit der Deutschen leichtgefallen. Aber sein Pflichtgefühl, seine festzuhalten. Festigkeit in Grundsatzfragen Leidenschaft als Parlamentarier und eben und Bereitschaft zu pragmatischer Zusammen- das große Vertrauen über die eigene Fraktion arbeit, wann immer dies bei unterschiedlichen hinaus ließen ihn dem Ruf folgen. Er konnte Grundsatzpositionen möglich war. auch in diesem neuen Amt auf diesem Für Philipp Jenninger war die deutsche Vertrauen aufbauen. Er wurde mit großer Einheit nicht primär eine Frage der Grenzen, Mehrheit gewählt. Und das Vertrauen ist dank des Territoriums und der Bündnisse. In seinen seiner überparteilichen Amtsführung weiter Worten hieß das: „Sie ist fundamental eine gewachsen. Bei seiner Wiederwahl 1987 Frage der Menschenrechte, der Freiheit, der erhielt er noch weit mehr Stimmen. Selbstbestimmung und des Friedens.“ Die Arbeit des Deutschen Bundestages lag Mit seiner Prinzipientreue und mit seiner ihm am Herzen. Er konnte an seine Zeit als Verlässlichkeit gewann er auch schnell das Parlamentarischer Geschäftsführer anknüpfen. Vertrauen seiner Gesprächspartner in Ost- Philipp Jenninger wusste, wo er als Präsident Berlin. Damals hat niemand geahnt, dass nicht gefragt war,erbrachte Sachkunde mit, Inte- einmal sieben Jahre später die Mauer wieder grität und eben die Fähigkeit, zu vermitteln. verschwinden würde. Aber es wurde damals Die Belange des Parlamentsbetriebs und die selbst gegen Druck aus Moskau eine Eiszeit in Belange der Mitarbeiter lagen bei ihm in guten den deutsch-deutschen Beziehungen vermie- Händen. In seiner Zeit wurden die Arbeits- den. Es wurden Familienzusammenführungen bedingungen des Bundestages verbessert, die erleichtert, Selbstschussanlagen abgebaut, Effizienz der Parlamentsarbeit erhöht. Mitar- die Zahl der jährlichen Westreisen aus der beiter der Bundestagsverwaltung erinnern sich DDR im Laufe der 80er-Jahre auf über sieben daran noch heute. Millionen gesteigert –umnur einige Punkte Bei den in seiner Amtszeit angestoßenen zu nennen. Für all das hat Philipp Jenninger Reformen ging es um mehr Transparenz, den Grund gelegt. darum, die Rolle des Souveräns, die Rechte Nach dem Rücktritt von Rainer Barzel als des Gesetzgebers zu stärken, und auch darum, Bundestagspräsident war es der breite Wunsch der „Vertrauenskrise“ entgegenzuwirken. derCDU/CSU-Fraktion, dass Philipp Jenninger Mit diesem Wort hat Philipp Jenninger schon Bundestagspräsident werden sollte. damals den Zustand der Politik beschrieben. Bundestagspräsident Philipp Jenninger im Gespräch mit dem Abgeordneten Rudolf Seiters bei der konstituierenden Sitzung des 11. Bundestages, in seinem Rücken der damalige Bundeskanzler
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