Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ARCHE ist Teil der Notzinger Ortsmitte. Welches Bild bietet Notzingen hier aus unserer Sicht? Men- schen mit Handicap werden nicht an den Rand ge- drängt, sondern finden in der Mitte eines Gemein- wesens Platz. Bei der Einweihung unseres Neubaus wurde von allen Seiten dies besonders betont und Die ARCHE in Notzingen betreut seit 1984 Menschen mit wir alle könnten eigentlich stolz auf diese soziale chronisch verlaufenden psychischen Erkrankungen. Als Ausrichtung einer Gemeinde sein. Mit dem CAP- Folge dieser Erkrankung verlieren viele von ihnen ihren Markt, dem altengerechten Wohnen, den zwei Arbeitsplatz, den Platz in ihren Familien und in ihrem Um- Wohngruppen der Stiftung Tragwerk und unseren feld. Die Angebote des Wohnverbundes ARCHE ermögli- 33 Bewohnerinnen und Bewohnern der ARCHE chen es diesen Menschen, wieder einen Platz in unserer nimmt ein Gemeinwesen seine Aufgabe der Nicht- Gesellschaft zu finden. Diese psychischen Erkrankungen Ausgrenzung deutlich wahr und betreibt sind meist mit einem Rückzug aus den Beziehungen zu Integration und Inklusion in der Ortsmitte. Wenn sich selbst, zu anderen und der Umgebung verbunden. Die man die Statistik ernst nimmt, die besagt, dass hier ARCHE ermöglicht den Betroffenen, aus ihrer Isolation in Notzingen bald ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt ist - dann wäre diese Gemeinde eigent- herauszufinden und sich in die Gemeinschaft zurück zu lich auf dem richtigen Weg. Wir hoffen, dass der wagen. neue Gemeinderat dies künftig stärker sieht und in Zukunft auch unter den Aspekten einer älter wer- denden Bevölkerung die damit einhergehenden so- zialen Aufgaben berücksichtigt und mitgestaltet. Wir in der ARCHE haben mit unseren Einrichtungen und als Trägerverein viel dazu beigetragen, dass in der Mitte unseres Ortes Menschen Heimat und Schutz aber auch Förderung finden und das im gu- ten Miteinander mit den Bürgern des Ortes. Die Verantwortlichen beim Landkreis und bei den Kos- tenträgern haben dies auch immer gesehen. Uns wurde im Garten der ARCHE ein Neubau genehmigt und damit unsere bisherige Arbeit gewürdigt. Inzwi- schen betreuen wir fast 70 Personen, 33 im statio- nären Bereich hier in der Ortsmitte und ausgelagert im Haus Herdfeld. 33 Personen betreuen wir im am- bulaten Bereich und haben dazu Häuser und Woh- nungen in der Region angemietet. In diesen Tagen können wir nun auch das innen sanierte Hirschge- bäude voll in Betrieb nehmen. In dieser Beilage berichten wir Ihnen ein wenig über unsere Bewohnerinnen und Bewohner, unsere Ar- beit, Geschichte, die Einrichtungen und über unse- ren Trägerverein. Wir danken allen, die unsere Visi- on mittragen und ein soziales Notzingen unterstüt- zen. Ihr Wolfgang Kalmbach Sanierung Hirschgebäude Beim Kauf dieses Anwesens im Jahre 2008 haben wir dem Frühjahr fertig. Dabei wurde der Hirschsaal fast wie frü- früheren Besitzer versprochen, den Hirsch als ortsprägen- her wiederhergestellt. Diese Räume dienen nun unseren Bewohnerinnen und Bewohnern als Bereich für ihre Förderprogramme – ge- nannt Tagesstrukturräume. Die Ebene lässt sich in drei Räume unterteilen - für verschiedene Angebote. So fin- den dort Ge- sprächsgruppen, Trainingsseminare, Kreativgruppen usw. statt. Jeden Morgen gibt es Gymnastik für unse- re Bewohner. Vereinsmitgliedern und Mitarbeitenden stehen diese Räum- des Gebäude zu erhalten und es einer sinnvollen Nutzung lichkeiten ebenfalls zuzuführen. zur Verfügung. Die oberen beiden Stockwerke konnten wir 2016 grund- Auf dem Zwischen- ständig saniert an die Stiftung Tragwerk vermieten. Seit- stock wurden die her werden dort minderjährige deutsche und Flüchtlings- Toiletten vollständig erneuert. Im Erdgeschoss haben wir, jugendliche betreut. Das Obergeschoss wurde in diesem nachdem sich die Idee „Café“ zerschlagen hat, nun drei Ein-Zimmer-Apartments zur Vermietung für unseren Be- reich Ambulant Betreutes Wohnen fertiggestellt. Leider konnten wir das Dach, die Fenster und die Außenfassade nicht sanieren, weil wir die energetischen Auflagen des Landessanierungsprogramms nur mit einem höheren Zu- schuss der Gemeinde hätten bewältigen können. Dazu war der Gemeinderat nicht bereit. Ein sehr großer Kos- tenfaktor waren die Maßnahmen zum Brandschutz. Alle Stahlträger, Decken, Seitenwände mussten brand- schutztechnisch gesichert werden. Hirsch als Brückenfunktion Für unsere Bewohnerinnen und Be- wohner aber auch für Notzingen besitzt der Hirsch Brückenfunktion und ist Begegnungsfläche. Zum ei- nen kommt die Bevölkerung in das Gebäude und dadurch in Kontakt mit der ARCHE. Zum anderen ist der Hirsch der Ort, an dem tagsüber die Trainings-und Förderprogramme der ARCHE stattfinden und unsere Bewohner sich im Hirsch aufhalten. Der Hirsch - Widerstandsnest 1938/1939 In Notzingen tobte 1938/1939 ein Kirchenkampf. Der da- Niefer sofort kostenlos ein malige Ortspfarrer Gustav Schaible gehörte der national- Zimmer zur Verfügung. Die sozialistischen Bewegung „Deutscher Christen“ an und Kirche wurde nun überwie- gestaltete mit dem Ortsgruppenleiter das Kirchenleben gend vom Hirsch aus organi- nach Parteilinie um. Viele Notzinger boykottierten die siert und verwaltet. Gottesdienste des Nazi-Pfarrers. Als zu Beginn des Jahres 1939 Bei uns predigte sogar Reichsbi- nach Besuchen durch den schof Ludwig Müller. Im August Ortspfarrer zusammen mit 1938 reagierte die Kirchenlei- dem Ortsgruppenleiter 36 tung und versetzte den Vikar Familien in einer Woche aus Siegfried Weller, einen Mann der Kirche ausgetreten sind, der spürten alle, dass „Bekennenden es so nicht wei- Kirche“ nach tergehen konnte. Notzingen. Nie- Der KGR beschloss am 20. März 1939 einstim- mand in Notzin- mig, dass die Stellung des Nazipfarrers in der gen war bereit, Gemeinde unhaltbar geworden war. Lehrerin diesem Vikar ein Irmgard Gräter fasste sich auch ein Herz und Zimmer zu stellen. Schließlich erklärte sich führte Gespräche im Oberkirchenrat Stuttgart die Familie des Wellinger Gottlieb Barz be- mit OKR Pressel. Schließlich wurde Pfarrer reit, den Vikar aufzunehmen. Mit anderen Schaible im Mai 1939 verteilte Gottlieb Barz nachts Flugblätter zwangsweise und vor- des Landesbischofs und hängte Hetzplaka- zeitig in den Ruhestand te gegen die Kirche ab. Vikar Weller und die damalige versetzt, weil er für andere Ämter Lehrerin Irmgard Gräter aßen täglich im Hirsch. Sie orga- und andere Gemeinden nicht zu- nisierten den Widerstand. Immer mit dabei: Berta Niefer. mutbar war. Was bleibt zurück: Vie- Sie informierte immer alle und gab Tipps, wo sich Spitzel le in Notzingen haben Widerstand aufhielten. Doch sie alle mussten mit ansehen, wie die geleistet. Der Hirsch war die Mitte NSDAP immer mächtiger, die Angst immer größer und das und das Zentrum. Vikar Weller und Vorgehen gegen die Kirche immer massiver wurde. Nach- Religionslehrerin Irmgard Gräter dem der Ortspfarrer den Vikar tätlich angegriffen hatte verlobten sich noch geheim im Juni wurden auf Vorschlag der Lehrerin die Kirchenbücher in 39. Und immer mit dabei im Wider- den Hirsch geschafft und dort ein Büro für den Vikar er- stand gehen den Nationalsozialis- richtet. Selbstverständlich stellte die Hirschwirtin Berta mus: Der Hirsch und Berta Niefer Fotos v.l.n.r.: Irmgard Weller geb. Gräter, Barta Niefer, Siegfried Weller (oben), Gottlieb Barz (unten) Hirschsaal nachher - vorher Einen positiven Weg eingeschlagen Tatiana S, 38 Jahre alt, hat ihr Ziel er- reicht. Sie lebt jetzt in ihren eigenen vier Wänden. Wir haben uns mit ihr darüber unter- halten, wie ihr Weg dahin verlaufen ist und wie es ihr heute mit einem sehr selbstbestimmten Leben geht. Frau Sonnenberg (Name von Redaktion geändert), seit bremst und die Beziehungen moderiert. wann leben Sie in Notzingen und werden von der ARCHE Vor vier Wochen sind Sie nun ins Ambulant Betreute betreut und wo haben Sie vorher gelebt? Wohnen gezogen, mit mehr Selbstbestimmung, aber Ich bin seit 4 ½ Jahren in der ARCHE. Vorher war ich im auch mit mehr Eigenverantwortung. Wie geht es Ihnen Lindenhof in Mainhardt. Ich wollte einen Wechsel haben. damit? Wie sieht die Betreuung durch die ARCHE heute Vieles dort war mir zu kompliziert, ich fühlte mich nicht aus? am richtigen Platz. Ich komme heute mit mir selber besser klar, mit meinen Sie sind zunächst ins Wohnheim gezogen. Wie haben Sie Problemen und Ängsten. Hier kann ich auch mal „Luft ho- die Betreuung und die Atmosphäre dort erlebt? len“. Ich finde es toll, dass die ARCHE mich ins Ambulant Ich habe mein eigenes Zimmer bekommen. Herr U. hat Betreute Wohnen genommen hat. Ich weiß jetzt, dass ich sich als Bezugsmitarbeiter um mich gekümmert. Er hat es schaffen kann. Ich will meine Probleme selber lösen. mir einen Job im Berufsbildungsbereich bei der Werkstatt Ich habe den Mitarbeiter des betreuten Wohnens der AR- am Neckar in Wendlingen besorgt. Das Zusammenleben CHE im Hintergrund, kann aber meinen Tagesablauf sel- in der Wohngruppe war gut, manchmal sogar lustig. Wir ber gestalten, selber kochen und putzen. haben auch mal gestritten. Dann bin ich in die Außen-WG Dieser kommt zweimal die Woche. Es war immer mein des Wohnheims gezogen. Dort gab es neue Begegnungen. Wunsch, so zu leben, wie es momentan ist. Wenn es ein Begegnungen sind wichtig. Manchmal ist es aber auch Problem gibt, weiß ich immer, wo ich den Mitarbeiter er- gut, dass ein Mitarbeiter im Hintergrund da ist, mich reichen kann und finde. Geschäftsführer Alfred Gscheidle: Ich bin gern in der ARCHE Am 1. Januar 2018 habe ich die Stelle als Geschäftsführer menarbeit auch bei der ARCHE angetreten. Ich wurde von den Bewohne- in der Verbleibe
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