
Editorial Sabine Hödl ch führe hier überhaupt ein herrliches Leben. Jeden­ rungskreise, insbesondere aber die Juden, ausgesetzt I falls ist mein Aufenthalt in Galizien die schönste waren“ zu entsprechen. Sabine Hank geht in ihrem Studienreise, die ich je gemacht habe. Dies schrieb der Beitrag auf die Erfahrungen jüdischer Kriegsteilneh mer Maler Maximilian Liebenwein im Juni 1915 an seine ein: Ich bin der einzige Jude unter uns. Wir kommen aber Frau, als er sich mit den österreichisch-ungarischen miteinander ganz gut aus, wohl aus dem Grunde, weil die Truppen an der Nordostfront befand. Die Wahrneh- andern nicht wissen, welcher Religion ich angehöre. mung von Ereignissen, schrecklichen Ereignissen, wie Gerald Lamprecht führt aus, dass die Sichtbarma- ein Krieg sie nach sich zieht, konnte subjektiv höchst chung der jüdischen Beteiligung am Krieg, die als unterschiedlich sein. Alma Hannig führt in ihrem wich tiges Element einer gesellschaftlich vollständi gen Bei trag zu Liebenwein aus, dass das Gefühl, an der Anerkennung gesehen wurde, durch eine „Würdigung „Weltgeschichte“ teilzunehmen, und die zahlreichen der jüdischen Kriegsdienstleistungen und auch der Eindrücke an der Front auch positive Erlebnisse und jüdischen Opfer“ nach dem Krieg un terstützt werden Erinnerungen möglich machten. sollte. Daraus resultierte eine öffentliche jüdische Er- Wie unterschiedlich die Erfahrungen sein konn- innerungskultur an den Ersten Weltkrieg in Form von ten, ist auch dem einführenden Beitrag von Erwin Denkmälern, Gedenktafeln und -inschriften. Schmidl über „Jüdische Soldaten der k.u.k. Armee im Mit den Auswirkungen des Krieges im Alltag be- Nahen Osten“ zu entnehmen. Als Teil der Truppen zu schäftigt sich Christoph Lind in seinem Beitrag zur kämpfen und damit den Patriotismus unter Beweis zu Versorgung der jüdischen Bevölkerung Wiens mit stellen war eine wesentliche Motivation für jüdische koscheren Lebensmitteln. Der Umgang mit der Ratio- Kriegsteilnehmer: Nicht nur auf den Schlachtfeldern nierung und der Nichtverfügbarkeit von notwendiger sind hervorragende Leistungen von jüdischen Soldaten Nahrung werden ebenso thematisiert wie antisemiti- vollbracht worden, sondern auch unsere rückhaltlose sche Vorwürfe aufgrund einer angenommenen jüdi- patriotische Treue hat sich als ein Faktor von wirklich schen Besserstellung. staatserhaltendem Werte erwiesen. Einem bisher unbekannten Aspekt der Kriegsjahre Dieser Beweis der patriotischen Treue bewog auch widmet sich Clemens Ableidinger. Er befasst sich mit zahlreiche jüdische Bürger Russlands dazu, sich zum der Kaiser Franz Joseph-Landes-Heil- und Pflegeanstalt Militärdienst zu melden, wie Benjamin Grilj be- Mauer-Öhling in Amstetten (Niederösterreich) und schreibt. Dies wurde in den ersten Kriegsmonaten geht auf die durch den Krieg bedingten zusätzlichen auch durchaus zur Kenntnis genommen, doch wandte Aufgaben ein. sich das Blatt bald und „die Juden“ wurden als Sün- Der Große Krieg beeinflusste wie kein Kriegsge- denböcke für die ersten militärischen Misserfolge he- schehen davor das Leben der Menschen. Gerade die rangezogen. jüdische Bevölkerung verband mit dem Kriegsaus- Auch die Jüdinnen und Juden des Deutschen Kai- bruch Hoffnungen auf eine endgültige Gleichstellung. serreichs hofften mit dem Kriegsbeginn auf die end- Zwar waren die Kriegserfahrungen häufig die gleichen, gültige Gleichberechtigung und versuchten „dem der Wunsch nach endgültiger Akzeptanz ging jedoch Konformitäts- und Loyalitätsdruck, dem alle Bevölke- schlussendlich nicht in Erfüllung. 1 Jüdische Soldaten der k.u.k. Armee Jüdische Soldaten der k.u.k. Armee Erwin A. Schmidl üdische Soldaten tauchen in Literatur und Witz kämpfenden Truppe und keineswegs nur – wie oft be- J meistens als eher exotische, manchmal komische hauptet wird – im Train oder bei der Sanität. Für den Figuren auf, vor allem als Angehörige der Nachschub- Ersten Weltkrieg nimmt man an, dass rund 300.000 Einheiten, des „Trains“, wie das in der k.u.k. Armee jüdische Soldaten in der k.u.k. Armee gedient haben – hieß, oder als jüdische Militärärzte, beide nicht als es werden Zahlen zwischen 275.000 und 400.000 wirklich vollwertig betrachtet – man denke etwa an ge nannt. Rund 30.000 jüdische Soldaten kamen in Joseph Roths „Radetzkymarsch“. Die Realität war frei- diesem Krieg ums Leben. lich eine andere: Österreich war das erste europäische Unter den Berufsoffizieren waren Juden um die Land, in dem Juden bereits 1788 zum Militär einge- Jahr hundertwende mit rund einem Prozent gering zogen (und damit als „wehrwürdig“ erachtet) wur- repräsentiert, unter den Reserveoffizieren machten sie den.1 Seit den Napoleonischen Kriegen gab es auch hingegen fast ein Fünftel aus – dabei erfassten die Sta- Offiziere jüdischer – oder, wie es damals meist hieß, tistiken nur Personen jüdischer Religion, nicht solche „mosai scher“ bzw. „israelitischer“ – Religion. Der jüdischer Abstammung.2 Entgegen manchen Legen- Anteil der jüdischen Soldaten im Militär näherte sich den, dass jüdische Offiziere keine höheren Chargen um 1900 mit 3,9 Prozent bereits dem jüdischen Be- erreichen konnten, gab es vor und im Ersten Welt- völkerungsanteil von damals etwas über vier Prozent krieg insgesamt sieben jüdische Offiziere im Generals- an. Die Masse der jüdischen Soldaten diente in der rang, dazu weitere unter den Ärzten und Militärbe- 2 Jüdische Soldaten der k.u.k. Armee und ihr Einsatz im Nahen Osten während des Ersten Weltkrieges Jüdische Soldaten mit dem Feld- rabbiner Dr. Samuel Bala ban im Militärtempel in Lublin. Der Soldat vorne im Bild fungierte als Kantor. © Heeres geschichtliches Museum K.u.k. Gebirgshaubitze in ei ner Stellung bei Gaza, 1917 © Sammlung Peter Jung amten: Im aktiven Dienst Generalmajore wurden vor Dennoch bestanden weiter Vorurteile gegen jüdi sche dem Ersten Weltkrieg Eduard Ritter von Schweitzer Soldaten, ja verstärkten sich teilweise sogar im Gefol- (1844–1920), der im Ruhestand sogar noch zum Feld- ge der allgemeinen antisemitischen Strömungen der marschall-Leutnant ernannt wurde, und Heinrich Ul- Jahrhundertwende. Der Erste Weltkrieg schien vielen rich Edler von Trenckheim (1847–1914). Zwei weitere Juden daher auch eine Gelegenheit, dagegen anzu- verdiente Offiziere jüdischer Religion wurden bereits kämpfen. Dies war das Ziel mehrerer Publikationen, so im Ruhestand mit dem Titel eines Generalmajors aus- des von Moritz Frühling herausgegebenen „Jüdischen gezeichnet: Alexander Ritter von Eiss (1832–1921) und Kriegsgedenkblattes“, von dem zwischen 1914 und Simon Vogel (1850–1917). Im Weltkrieg erreichten 1917 insgesamt sechs Hefte mit Nachrufen und Wür- dann der Artillerist Dr. Leopold Austerlitz (1858–1924) digungen für tapfere jüdische Offiziere, Unteroffiziere sowie die Infanterieoffiziere Maximilian Maendl von und Mannschaften erschienen.3 Auch das vom Verein Bughardt (1850–1929) und Carl Schwarz (1859–1929) „Jüdisches Kriegsarchiv“ in Wien herausgegebene „Jü- die Charge des Generalmajors. Erst nach Kriegsende dische Archiv“ berichtete ab Mai 1915 über Heldenta- erhielten in Ungarn Márton Zöld de Sióagárd (vormals ten jüdischer Soldaten und die Opferbereitschaft patri- Mór Grün bzw. Grünhut, 1865–1946) und in Öster- otischer jüdischer Zivilisten. Es gelte, so formulierte es reich Emil Sommer (1869–1947) im Ruhestand den der Leitartikel leider fast prophetisch, einer nach dem Titel eines Generalmajors verliehen. Krieg drohenden, alles Dagewesene überbietende[n] an- 3 Jüdische Soldaten der k.u.k. Armee tisemitischen Bewegung zu begegnen, zumal wir uns in Bataillons 25 aus Brünn/Brno Eugen Hoef­lich (1891– diesem Kriege über alle Erwartung hinaus bewährt haben: 1965). So vermerkte er im Juli 1915 in seinem Tage- Nicht nur auf den Schlachtfeldern sind hervorragende buch, eine Unterhaltung zwischen Offizie ren mitge- Leis tungen von jüdischen Soldaten vollbracht worden, hört zu haben: Da sagte grad Einer: „Die Juden sind sondern auch unsere rückhaltlose patriotische Treue hat feig.“ […] Einer sagte, er kenne eine Ausnahme. Der Erste sich als ein Faktor von wirklich staatserhaltendem Werte widersprach. […] Und das sind die Leute, mit denen ich, erwiesen. […] Bis in die letzten Details müssen wir [da­ Einer dieser Feigen, mein Leben dem Tode bieten soll! 6 her] alle Vorkommnisse buchen.4 Hoeflich wurde wenig später im Gefecht bei Sokal (am Bemerkenswert – und auf den ersten Blick überra- Bug, heute in der westlichen Ukraine gelegen) schwer schend – ist, dass jüdische Kriegsteilnehmer überein- verwundet; er wurde mit der Bronzenen Tapferkeits- stimmend berichten, im Militär selten mit Antisemitis- medaille ausgezeichnet und im weiteren Ver lauf des mus konfrontiert gewesen zu sein, jedenfalls deutlich Krieges zum Leutnant der Reserve ernannt. weniger als im Zivilleben. So erzählte der 1894 gebo re- ne Oberleutnant Rudolf Kohn in einem Fernseh-In ter­­­ Österreichisch-ungarische Truppen in view 1986: Ich habe beim Militär überhaupt einen Anti­ der Türkei und in Palästina semitismus nicht gespürt und das habe ich [den Habs­­bur­ gern] sehr angerechnet. Natürlich muss man bedenken, Bereits als Offizier gehörte Hoeflich zu jenen k.u.k. dass derartige Aussagen – nach den Schrecken des Ho- Trup­­pen, die ab Ende 1915 in das Osmanische Reich locaust – auch von einer gewissen nostalgischen Ver- entsandt wurden, um den Verbündeten am Bosporus klärung der Vergangenheit bestimmt waren. Insge samt zu unterstützen. Insgesamt dienten rund 12.000 öster- aber gab es in der k.u.k. Armee, die sich ja be wusst als reichisch-ungarische Soldaten im Nahen Osten.7 das Heer eines multi-ethnischen
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