Messer in Hennen © Litag, Bremen © Litag, Bremen Messer in Hennen 3 1

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Maximilianstraße 21 Telefon +49 (0)89 28803440 80539 München Telefax +49 (0)89 28803445 Email [email protected] Mit Dank an Jens Hillje, Thomas Ostermeier und Rachel West für die Texteinrichtung der DSE am 2. März 1997 an der Baracke. Personen: Junge Frau, Landarbeiterin Pony-William, Pflüger Gilbert Horn, Müller 2 Messer in Hennen © Litag, Bremen © Litag, Bremen Messer in Hennen 3 _ 1. SZENE Auf dem Land. Haus am Ende eines Dorfes. Abend. JUNGE FRAU Ich bin kein Feld. Wie bin ich ein Feld? Was ist ein Feld? Flach. Naß. Schwarz vom Regen. Ich bin kein Feld. WILLIAM Hab ich nie gesagt. JUNGE FRAU Du sagst, ich bin ein Feld wie ich hier sitz. WILLIAM Ich hab gesagt, du bist wie ein Feld. JUNGE FRAU Du hast gesagt, ich bin ein Feld, wie ich hier sitz. WILLIAM Ich hab gesagt, du bist wie ein Feld. Wie ein Feld. JUNGE FRAU Ist dasselbe. WILLIAM Weit entfernt, Frau. JUNGE FRAU Bin ich wie ein Feld, bin ich ein Feld. WILLIAM Du mußt was nicht sein, wenn du wie was bist. JUNGE FRAU Was? WILLIAM Mußt du nicht. JUNGE FRAU Bin ich noch andres? Feuer? WILLIAM Ich hab Dreck statt Füßen. Kann sie kaum mehr fühlen. JUNGE FRAU ... Schuh? Bett? Tür? WILLIAM Das heißt ... wie. JUNGE FRAU Hab ich noch nie gehört. WILLIAM Wie, Frau. Der Mond ist wie Käse. Ist wie Käse. Aber er ist keiner. JUNGE FRAU Bist du da gewesen? Mond ist Mond. Warum ist er wie Käse? 4 Messer in Hennen © Litag, Bremen WILLIAM Es heißt schon immer so. (Hört etwas) Was war das ? Die Pferde? JUNGE FRAU Also ist Käse wie der Mond? WILLIAM Hm. Ich werd nach ihnen sehen. Da ist was nicht in Ordnung. JUNGE FRAU Ist`n Käse wie der Mond? WILLIAM Ich weiß mehr als du. JUNGE FRAU Weiß ich. WILLIAM Du bist wie alles, was ich will. Ich sage, du bist wie`n Feld. Warst auch so, wie du hier gesessen bist. Jetzt nicht. Ist weg. Du bist nicht wie das Feld wie du jetzt dasitzt. JUNGE FRAU Ich sag dir, wie ich bin. Ich bin wie nichts, nur ich. WILLIAM Du bist gut gewachsen. JUNGE FRAU Du bist gut gewachsen. WILLIAM Guten Wuchs. Besten im Dorf. JUNGE FRAU Ist das Feld? Sag`s mir, ist das Feld? WILLIAM Du hast das Feld nicht gesehen. JUNGE FRAU Es ist ein bestimmtes Feld? WILLIAM Kennen nicht viele im Dorf. JUNGE FRAU Wo ist es? WILLIAM Weit draußen. JUNGE FRAU Ich schaff auf allen Feldern. WILLIAM Nimm diesen Weg. JUNGE FRAU War ich schon. WILLIAM Es ist das ganz hinten. Das letzte Feld. © Litag, Bremen Messer in Hennen 5 _ JUNGE FRAU Ich hab alle Felder gesehen, die es da gibt. WILLIAM Ist`n gutes Feld. Gute Größe. In meinem ganzen Leben hab ich es nie hinterhältig erlebt oder bockig und grollig wie die andern. Ist geschaffen für einen Mann, ein Pferd und einen Pflug. Es ist eben und gut bis zu der Stelle, wo`s leicht ansteigt. Nie macht´s dich müde. Der Boden ist gut und fett - wie das Korn, das drauf wächst. Wenn`s bracht, wächst das Gras genauso gut und ist das süßeste weit und breit. Frag die Pferde nach dem Grasen. So ist das, Frau. JUNGE FRAU Eines Tages werd ich hingehen. Komm zurück und sag dir, was ich gesehen hab. WILLIAM Ich muß mich waschen, eh ich zu den Pferden geh. JUNGE FRAU (Beim Hinausgehen) Käse von den andern Frauen ist wie der Mond. Mein Käse ist wie Käse. WILLIAM Ich lag immer da und die Pferde grasten friedlich um mich herum. Und einmal, wie ich hochschau, war mein Körper von innen nach außen gestülpt. Alles, was ich bin, auf einem Fleck Gras, weit draußen. Rot. Naß. Kaninchenherzen mit Kuhspeichel verklebt. Hab nie was davon gesagt. Ich hab gedampft wie ein neues Pferd, herausgeholt im Dezember. Ist beinah weg. Eh es dunkel wurde, hab ich sie ins Dorf zurückgebracht, in den Stall, mit diesem Feld immer im Kopf. Warum ist mir das zugestoßen? War doch noch ein Junge. Ich hätte für immer auf diesem Feld bleiben können, mein ganzes Leben lang, wenn sie mich gelassen hätten. Der Dreck stinkt. 2. SZENE Freies Feld. Die junge Frau mit einem Korb. JUNGE FRAU Der Wind weht. Die Sonne scheint. Das Korn wächst. Der Himmel - ... Der Vogel - fliegt. Die Wolken - ... Der Baum ... Was? Steht. Der Baum steht. Der Himmel - ... Der Himmel - ... Das Kaninchen rennt. Die Wolken ... rennen? ... wachsen? Die Blätter am Baum - ... hängen? Der Himmel - ... Der Himmel- ... 3. SZENE Auf dem Feld. William in Hemdsärmeln, ißt. Die junge Frau sitzt dabei. Zwischen ihnen der Korb. 6 Messer in Hennen © Litag, Bremen WILLIAM Bist krank? JUNGE FRAU Nein. WILLIAM Fieber? JUNGE FRAU Nein. WILLIAM Was ist? Mit dir stimmt was nicht. JUNGE FRAU Ist nichts. WILLIAM Ich hab dich gesehen. JUNGE FRAU Auf dem Weg her. Mit dem Essen für dich und das Pferd. WILLIAM Ich hab dich stehen sehen. Was hast du denn gemacht? JUNGE FRAU Ich hab geschaut. Ich hab geschaut nach ... WILLIAM Was? JUNGE FRAU Ich hab mir eine ...eine Pfütze angeschaut, eine Pfütze, wo man die Erde drunter sieht. Eine Pfütze mit klarem Wasser nach`m Regen. Man sieht die Risse in der Erde. Man sieht die Fußtapfen der Vögel. Man sieht die Sonne drin scheinen. Hast du einen Namen dafür? WILLIAM Pfütze. JUNGE FRAU Nein. Den richtigen Namen. WILLIAM Der richtige Name ist Pfütze. JUNGE FRAU Wie das? WILLIAM Du geh geradenwegs hin, wo du hinsollst, Frau. Gehen und nicht stehen. JUNGE FRAU Eine Pfütze ist dunkel, Dreckwasser. Man sieht nichts drin. Was war`s, was ich gesehen habe? Klares, durchsichtiges Wasser. Was? WILLIAM Pfütze. Immer noch Pfütze. Wie ich gesagt hab. Dunkle Pfützen, klare Pfützen. Alles dasselbe. JUNGE FRAU Die Dinge verändern sich jedesmal, wenn ich sie anschau. © Litag, Bremen Messer in Hennen 7 _ WILLIAM Manche schon. Andre nicht. Bleib bei dem, was du weißt. Ist das beste. Nicht stehen und gucken. Das Dorf sieht es und redet. Du kennst das Dorf. JUNGE FRAU Ich weiß nicht viel. Ncht genug. Wenn der Wind mit den Bäumen so macht ... (schüttelt sich) Was ist das? Gibt`s einen Namen dafür? Warum tut er das? Dann kannst du unter die Blätter sehen. Darf man das? Was ist das? WILLIAM Du kommst noch dahinter. Du wirst es rauskriegen. Zweifelst du an Gott? JUNGE FRAU Nein. Ich zweifle nie an Gott. WILLIAM Du bist noch jung. Deshalb. Ich nicht. Du kommst noch dahinter. Genug jetzt. Was hast du gemacht heut morgen? JUNGE FRAU Als du weg warst, habe ich zwei Hennen getötet und die anderen gefüttert. Eine habe ich getauscht gegen einen Beutel Salz, die andere habe ich übers Feuer zum Trocknen gehängt. Ich habe vier Mohrrüben aus dem Boden gebuddelt und sie geputzt. Ich habe frisches Wasser vom Brunnen geholt. Ich habe eine Kerze vom Rest des Talgs gezogen. Ich habe ein Messer auf den Boden fallen lassen und ein Fell gegerbt. Ich habe Steine in Butter gekocht und die Sauce einbehalten. Ich habe eine Decke für unser Winterbett gewebt. Ich habe mir das Haar nach Läusen ausgekämmt. Ich bin auf die Knie gefallen und habe gebetet. Ich habe auf meine Hände geschaut. Ich habe dir und dem Pferd das Essen gebracht. (Er ißt, zieht die Brauen hoch, als sie das von dem Messer erzählt, schaut zum Pferd hinüber.) WILLIAM Wir haben hart gearbeitet alle beide, seit die Sonne aufgegangen ist. Ißt du nichts? JUNGE FRAU Ich schau dir lieber zu. Hab mehr davon. Mampfst wie ein Pferd. (Er macht ein kauendes Pferd genau nach - fast unheimlich. Sie lacht.) WILLIAM Ich könnt noch mehr davon essen. Es gibt ne Sache, verstehst du, die haben alle gemeinsam. Alle essen gern. Hab noch nie einen Mann oder eine Frau getroffen, die es nicht gern täten. Auch die woanders mögens. JUNGE FRAU Ist das in deinem Kopf, wenn du pflügst? Ist es das , was du siehst? Andere Orte. Andere Menschen. Die essen. WILLIAM Jeder, der pflügt, kriegt`s satt, auf den Boden zu gucken. Das Schwarz. Geht in den Rücken und ins Genick. Guckst du links oder rechts, würdest du fallen. Ich guck in den Himmel. Geht aber ins Genick und die Augen. JUNGE FRAU Wir sind nicht gemacht, lang nach oben zu gucken. Hätten unser Gesicht sonst oben auf dem Kopf, flach, wenn wir es wären. WILLIAM Weiß ich doch. 8 Messer in Hennen © Litag, Bremen JUNGE FRAU Gott schaut alles an. Er sieht alles. Er kennt jedes Ding mit Namen. WILLIAM Stimmt. Unser Gesicht ist da, nördlich, damit wir geradeaus gucken. JUNGE FRAU Und alles, was wir sehen wollen, ist da zwischen unserer Erde und seinem Himmel. Ich bin froh, wir es sind. WILLIAM Was sind? JUNGE FRAU Froh, daß wir verheiratet sind. Wenn ich dich nicht geheiratet hätte, hätte ich einen anderen geheiratet, aber es wäre nicht dasselbe. Das hab ich sofort gewußt, als ich dich gesehen habe. WILLIAM Schenk mir noch Milch ein. JUNGE FRAU Ich mag, deinen Schwanz zu küssen. WILLIAM Hier. Iß. 4. SZENE Vor dem Haus. Sehr früh am Morgen. Die junge Frau ruft, geht zum Stall. JUNGE FRAU William? William? WILLIAM Ssh. Ssh. Na. Ist doch gut. Ruhig. JUNGE FRAU William, William, na-wo-steckt-er-denn? William, William, na-wo-steckt-er-denn? (Betritt den Stall) William! WILLIAM HALT DEN MUND FRAU ODER BEI GOTT DEM ALLMÄCHTIGEN ICH MACH IHN DIE ZU!! Frau ? ... Hab ich dir schon am Tag von unserer Hochzeit gesagt. Du gehst nicht in den Stall, ohne mich zu fragen. Machst den Pferden Angst. Sie wissen nicht was los ist.

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