Die Bundeswehr August 2021

Die Bundeswehr August 2021

www.dbwv.de Das Magazin des Deutschen BundeswehrVerbandes /DeutscherBundeswehrVerband Die Bundeswehr August 2021 ABZUG AUS AFGHANISTAN: Der Krieg und das Sterben sind nicht zu Ende Scholz verspricht Loyalität Deutsche Krieger im Visier Bundeswehr im Hochwasser SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz Sönke Neitzels neues Buch Bis zu 2000 Soldaten sind in den betont, dass die Truppe sich auf polarisiert – welche Rolle haben Flutgebieten mit schwerem Gerät die Regierung verlassen kann. deutsche Soldaten heute? im Einsatz und retten Leben. ZUR SACHE 3 Solidarität – die wichtigste Ressource eben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu Wir im DBwV haben dazu auf unterschiedlichen Ebenen reagiert machen: Ein bekanntes Zitat, aber ein leider in diesen Tagen wie- und uns positioniert, waren mit Regierungsmitgliedern sowie Parla- Lder oft zitiertes, wenn man sich die Ereignisse in den Hochwasser- mentariern im Gespräch, haben Bundeskanzlerin und Bundestags- Katastrophengebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz präsidenten zum Handeln aufgerufen. Das ist letztlich auch passiert. vergegenwärtigt. Die meisten Menschen dachten an Sommerurlaub Am 31. August besteht nun die Chance, die erlebte Enttäuschung zu und unbeschwerte Zeiten ohne die allgegenwärtige Corona-Angst, überwinden: mit einer Gedenkstunde für die Gefallenen und Ver- aber es kam ganz anders, so schlimm, wie sich das niemand hat vor- wundeten, einem formalen Abschlussappell im Bendlerblock und stellen können. einem Großen Zapfenstreich vor dem Reichstag. Selbst der Bundes- Zustände wie im Kriegsgebiet haben die Helfer – unter ihnen mehr präsident, der Bundestagspräsident und die Bundeskanzlerin haben als 2000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – vorgefunden, als ihre Teilnahme zugesagt. Es zeigt, dass nunmehr erkannt wurde, wel- sie mit schwerem Gerät, mit Booten und Hubschraubern nach der Flut che Bedeutung das Ende des Afghanistan-Einsatzes und der Umgang versucht haben zu retten, was zu retten ist, vor allem Menschenleben. damit für Bundeswehr, Politik sowie Gesellschaft hat. Nachdem sich Ahr, Wupper und andere Flüsse in alles mitreißende Ströme verwandelt hatten, schlug die Stunde der Katastrophenhilfe ✶✶✶✶ – auch wieder für die Bundeswehr. Die Kameradinnen und Kameraden haben in den Katastrophen- Das Jahr ist mehr als zur Hälfte vergangen, wir blicken auf turbulen- gebieten Seite an Seite mit den Kräften der Blaulichtorganisationen te Monate zurück, und die Urlaubszeit ist angesichts der nationalen und zahlreichen freiwilligen Helfern – darunter viele unserer Mit- Flutkatastrophe und dem weiteren Ausbreiten der Corona-Variante glieder – bis zur Erschöpfung Übermenschliches geleistet. Dabei hat „Delta“ überall in Europa kaum unbeschwert. Dennoch bleiben wir das zivile Engagement, die privat organisierte Hilfsbereitschaft, das zuversichtlich, gerade weil wir im DBwV bisher mit Selbstvertrauen, Bild einer rein von Egoismus und hemmungsloser Individualisierung Optimismus und Disziplin weitestgehend gut durch die Pandemie ge- dominierten Gesellschaft ein Stück weit relativiert. kommen sind. So bin ich gemeinsam mit den vier Landesvorsitzenden Auch der DBwV hilft mit einem Spendenprogramm seiner Stiftun- stolz und dankbar, dass unsere Landesversammlungen, teils rein digi- gen, wenn es beispielsweise darum geht, obdachlose Flutopfer unter- tal, teils hybrid, mit großem Engagement aller Beteiligten erfolgreich zubringen. Es zeigt sich einmal mehr: Wir alle halten zusammen, durchgeführt wurden und demzufolge die Weichen für die Hauptver- wenn die Not am größten ist. Solidarität ist und bleibt die wichtigste sammlung gestellt sind. Ressource nicht nur in unserem Berufsverband, sondern vielmehr in Unser Verband sowie unsere Gesellschaft zeigen sich in der Katas- unserer gesamten Gesellschaft. Auch wir trauern in diesen Tagen mit trophe und in der Pandemie eben stabiler, leistungsfähiger und be- den Angehörigen der vielen Toten und sind in Gedanken bei ihnen. eindruckender, als mitunter von anderen vorausgesehen wurde. Mit gelebter Solidarität, die nicht nur die Vergangenheit, sondern ebenso ✶✶✶✶ die Gegenwart beschreibt und vor allem Zukunft ermöglicht. Das sollten wir uns immer wieder bewusst machen, egal an welchem Ort Wenige Tage vor der großen Flut hat in der Bundeswehr und im Parla- sich ein jeder von uns in diesen Tagen befindet. ment, in der Regierung und in der Bevölkerung ein Thema polarisiert, das vermuten lässt, dass die Wertschätzung für die Bundeswehr leider keine verlässliche Konstante für die Truppe ist. Der Einsatz in Afgha- Mit kameradschaftlichen nistan ist seit Ende Juni vorbei, die letzten Soldaten sind wohlbehalten und kollegialen Grüßen in Wunstorf gelandet. Darüber haben wir uns alle, vor allem aber die Familien der Kameradinnen und Kameraden, gefreut. Die suchenden Blicke aber nach Politikern, die zumindest mit ihrer Anwesenheit Schulterschluss mit der Bundeswehr und ihren Einsatzsoldaten ge- sucht hätten, entdeckten: nichts. Kein Mitglied der Bundesregierung oder des Bundestages hatte den Weg auf den Fliegerhorst gefunden, um die letzten Rückkehrer willkommen zu heißen. Noch peinlicher als das Verpatzen dieses einmaligen Moments, wenn deutsche Soldaten aus ihrem längsten Einsatz, aus 20 Jahren Krieg in Afghanistan in die Heimat zurückkehren, ist allerdings der Umgang mit der Panne. Egal, welche Gründe man im Nachhinein bemühen mag, hier wurde viel Vertrauen zerstört. Das zu reparieren, ist an- spruchsvoll. Es ist, wie es der Historiker Professor Sönke Neitzel bei einer unserer Veranstaltungen gesagt hat: „Die Frage bleibt, welche Bilder erzeugt wurden – denn die Menschen haben ein Bildgedächt- nis. Und die Bilder waren leider ziemlich trostlos.“ Oberstleutnant André Wüstner, Bundesvorsitzender Die Bundeswehr | August 2021 4 AKTUELL Viele Flutopfer wären ohne die Bundeswehr verloren – die Truppe hilft mit 2000 Soldaten in Katastrophengebieten Überschwemmte Straßen, eingestürzte Häuser, Menschen in Not: Schweres Gerät hilft in schwie- rigsten Lagen. General Schelleis warnt davor, den Katastrophenschutz zu vernachlässigen. Soldaten unter- lern erkannt und fordert, diese nun abzu- stützen während stellen. Schelleis verweist auf die jüngsten des Hochwasser- Erfahrungen aus dem Hochwassereinsatz, einsatzes in Rech aber auch jene aus der Corona-Amtshilfe, in Rheinland-Pfalz mit dem Bau einer die ja auch noch weiterläuft: „Beide Kata- Schwimmbrücke. strophen haben dringenden Handlungsbedarf Foto:Bundeswehr/Twardy zur Verbesserung des nationalen Führungs- systems auf allen Ebenen gezeigt.“ Positiv sei der Auftrag der Innenminister an das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, eine Konzeption für eine zivile Reserve zu entwickeln. Es gebe gute Ansätze in der Katastrophenhilfe, aber auch unverändert Handlungsbedarf. „Wir müssen eine gesamtstaatliche Risikoanalyse durch- führen“, so Schelleis. Bundeswehr/dpa/DBwV Lesen Sie auch unsere weitere Berichterstattung zum Hochwassereinsatz in Rheinland-Pfalz tarkregen und Gewitter führten in wei- für die betroffenen Menschen im Einsatz. In und Nordrhein-Westfalen ab Seite 44. ten Teilen Westdeutschlands Mitte Juli Lagezentren koordinieren sie schweres Gerät Szu schweren Hochwassern, Erdrutschen wie Brückenlegepanzer und Räumfahrzeuge, und Verwüstungen mit katastrophalem Aus- in den Dörfern teilen sie Trinkwasser aus und maß. Bereits am 14. Juli rief Verteidigungs- schippen Schlamm. Die Hilfskräfte vor Ort – Fast 20 Milliarden ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den beispielsweise das THW und die Feuerwehren für die Bundeswehr militärischen Katastrophenalarm aus. – werden so durch Personal, Material und Lo- Die „Helfenden Hände” der Bundeswehr gistik unterstützt und den Menschen in Not Berlin. Der Haushaltsausschuss des werden überall in den zerstörten Ortschaften wird schneller geholfen. Bundestages hat Ende Juni milliarden- der Hochwassergebiete in Rheinland-Pfalz Dennoch läuft nicht alles rund: General- schwere Rüstungsprojekte wie das ge- und Nordrhein-Westfalen gebraucht. Zeitweise leutnant Martin Schelleis, Inspekteur der plante Luftkampfsystem FCAS gebilligt. sind bis zu 2300 Soldatinnen und Soldaten Streitkräftebasis und Nationaler Territo- FCAS – voller Titel: Next Generation sowie 100 Zivilbeschäftigte der Streitkräfte rialer Befehlshaber, hat eine Reihe von Feh- Weapon System in einem Future Com- bat Air System (NGWS/FCAS) – soll von 2040 an einsatzfähig sein und den „Euro- fighter“ ablösen. Es umfasst mehr als nur ein Kampfflugzeug, soll es doch im Ver- © Rürup© bund mit unbewaffneten und bewaffneten Drohnen fliegen. Die Fachpolitiker stimmten auch dem deutsch-norwegischen U-Boot-Projekt „U212 CD“ mit einem Finanzierungs- volumen von 2,8 Milliarden Euro mehr- heitlich zu sowie der Anschaffung dreier Flottendienstboote und zahlreichen weite- ren Vorhaben. Insgesamt lagen 27 Vorlagen auf dem Tisch des Ausschusses mit einem Gesamtvolumen von 19 Milliarden Euro. Zuvor hatte das Bundeskabinett Eck- werte für den Haushalt 2022 beschlossen, die eine Steigerung der Verteidigungsaus- gaben auf die Rekordhöhe von 50,3 Mil- liarden Euro vorsehen. Verteidigungs- ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer begrüßte dies: „Gutes Ergebnis. Nicht für mich. Für die Truppe“, schrieb die CDU- Politikerin auf Twitter. dpa/DBwV Die Bundeswehr | August 2021 INHALT 5 Foto:DBwV/Bombeke 33 Mit dem Befund, dass Soldaten – unabhängig vom politischen System – Kämpfer und Krieger

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