Exe.Cut[Up]Able Statements Poetische Kalküle Und Phantasmen Des Selbstausführenden Texts

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Florian Cramer Exe.cut[up]able statements Poetische Kalküle und Phantasmen des selbstausführenden Texts Umschlaggestaltung: Marc de Bruijn und Jorrit Sybesma, puntpixel, Rotterdam Gesetzt mit LaTeX in Stempel Garamond und Frutiger. Doktorarbeit im Fach Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, einge- reicht am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin 2006, in die Gedan- ken und Analysen aus früher publizierten Vorträgen eingeflossen sind: Words Made Flesh, 2005, Literatur im Internet, 1999, sub merge my senses: ASCII Art, Rekur- sion und Lyrik in Programmiersprachen, 2001, Concepts, Notations, Software, Art, 2002, Kombinatorische Weisheitskunst: Quirinus Kuhlmanns XLI. Libes-kuß, 2003, Die Sprache, ein Virus?, 2002, Discordia concors: www.jodi.org, 2002, Auff man- che Art verkehrt“: Georg Philipp Harsdörffers Frauenzimmer Gesprächspiele, With perhaps the exception of rhythm: Sprechen, Stottern und Schleifen in Alvin Luciers „I am sitting in a room“, 2005, Entering the Machine and Leaving It Again: Poetics of Software in Contemporary Art, 2005. Der Autor dankt allen, die ihn dieser Zeit zu Vorträgen eingeladen und mit ihm – auch im Internet – diskutiert haben. Gedruckt mit Unterstützung durch den Media.Art.Research Award 2007 der ars electronica und des Ludwig Boltzmann Instituts Linz, Österreich, sowie des For- schungsprogramms Communication in a Digital Age des Piet Zwart Institute der Willem de Kooning Academy Rotterdam University, Niederlande. 2 Inhaltsverzeichnis 1 Von Kalkül und Phantastik 7 1.1 Einleitung ................................. 7 1.2 Techno-Wortpoetiken .......................... 13 2 Prototypen der Sprachalgorithmik 21 2.1 Sprachmagie ............................... 21 Lautpoesie ................................ 21 Cut-ups .................................. 25 2.2 Pythagoräisches Denken ........................ 28 Discordia concors ............................ 28 Acumen- / argutia-Rhetorik ...................... 31 Serialismus ................................ 34 Naturwissenschaftliche Ästhetik .................... 37 Pythagoräisches versus magisches Denken . 38 3 Kabbalistik und ars combinatoria 41 3.1 Kabbala .................................. 41 3.2 Ramón Llulls ars ............................. 47 3.3 Alphabetum, figurae und Orbis pictus als Benutzerinterfaces . 52 3.4 Kombinatorische Kreisscheibengedichte . 55 3.5 Wortwechseldichtung .......................... 59 Rhetorische Wortstellungsfiguren ................... 59 Permutationsdichtung von der Antike bis zur Frühneuzeit . 60 Proteusvers-Dichtung im 17. Jahrhundert . 66 Justus Georg Schottelius’ Stammwörter-Lehre . 73 Georg Philipp Harsdörffers Wortkombinatoriken . 74 Stanislaus Mink von Weinsheuns Proteus-Poetik . 78 Leibniz, Dissertatio de arte combinatoria . 79 4 Quirinus Kuhlmann, XLI. Libes-Kuß 83 4.1 Mathematische Permutation ...................... 86 4.2 Strophenbau ............................... 90 4.3 Stammwörter und ihre allerley Bindungen . 92 4.4 Lullische principia ............................ 97 Kuhlmanns Dichtung „nach Kircherus Wunderweise“ . 97 Antonymien und Metonymien . 100 3 Inhaltsverzeichnis Principia relativa .............................103 Exkurs: Georges Perec und Abraham Abulafia . 107 Sprengung der principia relativa . 110 Principia universalia . 111 Principia absoluta ............................113 4.5 Discordia concors: Der „Wechsel“ als Fügung von Gegensätzen . 114 4.6 Intertextualität des Gedichts . 115 Harsdörffers Wechselsatz . 115 Salomonisches reverse engineering . 116 4.7 Weisheitskunst und Wechselrad . 120 Di Menschen Weißheit fassen . 120 Rekonstruktion des Wechselrads . 123 Kreiskalküle: Zusammenfassung . 130 4.8 Rotæ Mundi ...............................131 Omnium rerum, heus! vicissitudo . 131 Glücksrad .................................138 4.9 Salomonische Fama . 140 4.10 Ekstatische Algorithmik . 144 5 Algorithmische Totalkunst 149 5.1 Partitur und Performance . 149 La Monte Young, Composition 1960 . 149 George Brecht, Lamp Events . 150 5.2 Totalkombinatorik der Schrift . 151 Daniel Georg Morhof, Jonathan Swift, Quirinus Kuhlmann . 151 Jorge Luis Borges, La Biblioteca de Babel . 155 John Barth, The Literature of Exhaustion . 158 Novalis, Das Allgemeine Brouillon . 160 Sade, Les 120 journées de Sodome . 164 Stéphane Mallarmé, Livre . 165 6 Sprachalgorithmik in Strukturalismus und Kunstavantgarden 167 6.1 Ferdinand de Saussures Anagramm-Studien . 167 6.2 Roman Jakobson und Velimir Chlebnikov . 168 6.3 Tristan Tzaras dadaistischer Poesie-Algorithmus . 169 6.4 Marcel Duchamp, Erratum musical . 171 6.5 Kurt Schwitters’ i-Kunst . 172 7 Stochastische Poetiken 177 7.1 Konkrete Poesie und Informationsästhetik . 177 Eugen Gomringers Konstellationen . 177 Max Benses Informationsästhetik und „künstliche Poesie“ . 179 4 Inhaltsverzeichnis 7.2 Markov-Ketten-Poesie . 183 7.3 Abraham M. Moles’ permutationelle kunst . 187 7.4 Stochastische Philologie in Italo Calvinos Se una notte d’inverno un viaggiatore ................................191 8 Algorithmik als Chaos und Restriktion 193 8.1 John Cages Indeterminismus . 193 8.2 Oulipo ..................................196 Pataphysik ................................196 Raymond Queneaus 100.000 Milliarden Gedichte . 197 Oulipotische Pataphysik und contraintes . 199 8.3 Erzählformeln: Italo Calvino, Vladimir Propp, Plots Unlimited . 201 8.4 Spekulatives Programmieren . 204 Psychogeographische Computer . 204 Adrian Wards Auto-Illustrator . 206 9 Rekursion 209 9.1 Gorgias’ Lob der Helena . 209 9.2 Rekursion als hack ............................210 9.3 Rekursive Texte .............................212 9.4 Exkurs: Rekursion des Spiels bei Harsdörffer . 213 9.5 Sprachrekursion in Alvin Luciers I am sitting in a room . 216 9.6 Rekursion von Schrift und Erzählung: John Barths Frame Tale . 225 10 Algorithmik als ästhetische Denkfigur 229 10.1 Quellcode und ASCII Art: jodi, Location . 229 10.2 Textkitschwelten: Jeffrey Shaws Legible City . 234 10.3 Quellcode-Ready Mades: jodi, soldier.c . 237 10.4 Programmiersprachen-Poesie . 243 ALGOL-Lyrik des Oulipo . 243 Software in der Konzeptkunst . 245 Perl Poetry ................................246 jabberwocky.pl ..............................247 jaromil, forkbomb ............................250 Graham Harwood, London.pl . 250 10.5 Codeworks ................................255 Alan Sondheim ..............................258 11 mez, _Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_ 263 11.1 Textanalyse ................................263 11.2 Poetik der Ansteckung . 274 5 Inhaltsverzeichnis 12 Künstliche Intelligenz, Poesieautomaten und ihr Scheitern 279 12.1 Athanasius Kircher und Quirinus Kuhlmann . 280 12.2 John Searles chinesisches Zimmer . 283 12.3 Georges Perec, Die Maschine . 285 12.4 Hans-Magnus Enzensbergers Poesie-Automat . 287 12.5 Ferdinand Schmatz und Franz-Josef Czernin, POE . 290 13 Schlußfolgerungen 295 13.1 Medien? ..................................295 13.2 Sprache und Schrift . 297 13.3 Hypertext? ................................300 13.4 Systematisierung und texttheoretische Implikationen . 302 13.5 Algorithmik und Phantastik . 305 6 1 Von Kalkül und Phantastik 1.1 Einleitung :(){ :|:& };: jaromil, forkbomb1 Von Zaubersprüchen bis zu Computerprogrammcode2 ist Schrift, die sich selbst vollzieht, sowohl Technik, als auch Phantasma. Daß Schrift „nicht nur Zeichen, auch Technik“ und „auch als Kalkül verfaßt“ sei und daher formal operativ ge- braucht werde, stellt die Philosophin Sybille Krämer vor allem für die Geschichte der Mathematik fest.3 Dies gilt, wie diese Arbeit zeigen will, auch für eine Lite- ratur der kalkülisierten und algorithmischen Sprache. Krämer definiert Kalkül als „eine Herstellungsvorschrift, nach welcher aus einer begrenzten Menge von Zei- chen unbegrenzt viele Zeichenkonfigurationen hergestellt werden können“.4 Dies ist gleichfalls das teils implizierte, teils explizite Prinzip anagrammatischer und wortpermutativer Dichtungen. Die Verbindung zum Computer liegt auf der Hand, denn, so Krämer, „ein solches symbolisches System dient gleichsam als Maschine, die Zeichenkonfigurationen erzeugt. Eine Maschine, die kein Gerät ist, das eine be- stimme Stelle in Raum und Zeit einnimmt, vielmehr nur auf dem Papier steht. Eine ,symbolische Maschine‘ oder genauer: eine ,syntaktische Maschine“‘.5 Daß es nicht nur eine Mathematik- und Schrift-, sondern auch eine Literaturtradition symbo- lischer Maschinen gibt, ist These dieser Arbeit. Damit grenzt sich ihr Gegenstand einerseits von allgemeiner Regelpoetik ab und andererseits von phantastischer Er- zählprosa, die zwar metaphorisch von Zeichenmaschinen handelt, sie aber nicht technisch konzeptualisiert. Primär geht es dabei um Dichtungen, die sich selbst aus- 1Siehe Kapitel 10.4, S. 250 dieser Arbeit. 2Zur Literaturgeschichte der Sprachmagie siehe Robert Stockhammer, Zaubertexte. Berlin: Akademie-Verlag, 2000. 3Sybille Krämer, Operationsraum Schrift. In: Gernot Grube, Werner Kogge und Sybille Krämer (Hrsg.), Schrift. München: Fink, 2005, S. 29. Sybille Krämer, Berechenbare Vernunft. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 1991, S. 90 spricht von der „operative[n] Verwendung mathematischer Symbole“. 4Sybille Krämer, Symbolische Maschinen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt, 1988, S. 99. 5Krämer, Vernunft, S. 92, Rest des Zitats: „Seit Turing sein Modell einer ,Turingmaschine‘ als ma- thematische Präzisierung des Algorithmenbegriffs entwickelte und seit wir Computer als Realisie- rungen von Turingmaschinen verstehen, wissen wir, daß jede syntaktische Maschine auch

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