Metropolis Fritz Lang, D 1925 / 26 Film-Heft von Herbert Heinzelmann Lernort Kino Ausgehend von der zunehmenden Bedeutung des Films für Kultur und Gesell- schaft, gewinnt die Film-Bildung an Aufmerksamkeit. Wissen über die Film- sprache, Kenntnis von den Zusammenhängen zwischen Filmproduktion und Entstehungszeit, Wissen über die Filmgeschichte und die nationalen Bildtradi- tionen, Kenntnis der formalen Mittel der universellen Filmsprache, der filmi- schen Narration und der Genremuster sind Voraussetzung für einen bewussten Umgang mit dem Medium. Film ist kultureller Ausdruck und Kunstform. Film ist Lehrstoff. Aus diesem Ansatz heraus haben wir das Projekt Lernort Kino entwickelt. Mit diesem Projekt wird ein großer Schritt in Richtung einer Etablie- rung der Film-Bildung in der Bundesrepublik Deutschland unternommen. Horst Walther Leiter des Instituts für Kino und Filmkultur Das Film-Heft wurde im Zusammenhang mit dem Projekt LERNORT KINO produziert. Projekt- partner sind das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW, der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, die Bundeszen- trale für politische Bildung, die Filmförderungsanstalt, die Filmstiftung NRW, der Verband der Filmverleiher, der Hauptverband Deutscher Filmtheater, die AG Kino, Cineropa, das Medien- zentrum Rheinland und das Institut für Kino und Filmkultur. Impressum: Herausgeber: INSTITUT für KINO und FILMKULTUR (IKF) Redaktion: Ingeborg Havran, Verena Sauvage, Horst Walther Redaktionelle Mitarbeit: Holger Twele (auch Satz und Layout) Titel und Grafikentwurf: Mark Schmid (des.infekt. büro für gestaltung, Friedenstr. 6, 89073 Ulm) Druck: dino druck + medien gmbh (Schroeckstr. 8, 86152 Augsburg) Bildnachweis: Transit (Verleih), Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung © Februar 2002 Anschrift der Redaktion: Institut für Kino und Filmkultur, Mauritiussteinweg 86-88, 50676 Köln Tel.: 0221 397 48-50 Fax: 0221 397 48-65 E-Mail: [email protected] Homepage: www.film-kultur.de Metropolis Deutschland 1926 Regie: Fritz Lang Drehbuch: Fritz Lang, Thea von Harbou Kamera: Karl Freund, Günther Rittau Trickaufnahmen: Eugen Schüfftan Bauten: Otto Hunte, Erich Kettelhut, Karl Vollbrecht Produktion: Universum Film AG (Ufa) Darsteller: Brigitte Helm (Maria), Gustav Fröhlich (Freder), Alfred Abel (Joh Fredersen), Rudolf Klein-Rogge (Rotwang), Heinrich George (Grot) u. a. FSK: ohne Altersbeschränkung, empfohlen ab 14 J. Film-Heft ... 3 METROPOLIS Die Filmruine Von welchem Film spricht man, dauer von 92 Minuten hatten. Diese Fas- wenn man über METROPOLIS sung ist auch heute noch weit verbreitet. spricht? Welchen Film bespricht man, 1982 wurde METROPOLIS als Disco-Mu- wenn man in einem Kino-Seminar oder in sical mit der Musik von Giorgio Moroder einer Schulvorstellung den Film METRO- neu gestartet. Dieser Film dauerte 84 Mi- POLIS analysiert? Das sind keine müßigen nuten. Inzwischen liegen zwei unterschied- Fragen. METROPOLIS ist eine der großen liche, rekonstruierte Fassungen vor, die Ruinen der Filmgeschichte. Die Original- versuchen sich dem Original vom Januar fassung, das, was man heute directors 1927 wieder zu nähern und verloren ge- cut nennen würde, haben wohl nur weni- gangenes Material wenigstens als Stand- ge Zuschauer gesehen. Sie wurde ledig- bild oder mit einer Schrifttafel zu ergänzen. lich in der Zeit zwischen der Uraufführung des Films am 10. Januar 1927 und dem Erst die Rekonstruktionen offenbaren eine 13. Mai 1927 in Berlin gezeigt und hatte Handlungsebene in der Vergangenheit der eine Länge von 4189 Metern; das ent- Spielhandlung, wodurch diese als Rache- spricht einer Spieldauer von rund 140 Mi- komplott des Wissenschaftlers Rotwang nuten. Schon die Version, die später in erklärt wird. Einst warben Rotwang und die deutschen Kinos außerhalb Berlins Joh Fredersen um dieselbe Frau Hel. Hel kam, war mit 948 Metern um eine halbe entschied sich für Fredersen und bekam Stunde kürzer. In Amerika kursierten zwei den Sohn Freder, bei dessen Geburt sie Fassungen von unterschiedlicher Länge starb. In seinem Haus hütet Rotwang ein (noch kürzer in jedem Fall); zum Teil wa- Standbild der Hel, und in seinem weibli- ren sie zu ganz anderen Handlungsläufen chen Roboter will er sie wieder auferste- umgeschnitten worden. Nach dem Zwei- hen lassen. Er verleiht dem mechanischen ten Weltkrieg wurde METROPOLIS in Menschen die Züge der verlorenen Frau, Westdeutschland meist in Kopien gezeigt, die sich nun anschickt das Lebenswerk die von einer Version in der British Film (die Stadt Metropolis selbst) und den Library gezogen waren und eine Spiel- Sohn des einstigen Rivalen zu vernichten. Verschiedene Fassungen 4 ... Film-Heft METROPOLIS Inhalt Die Handlung der verbreiteten Ver- sionen kennt diese Vorgeschichte nicht und lässt sich so beschreiben: Me- tropolis ist eine Stadt, die in drei vertikale Ebenen unterteilt ist. Das Geschehen setzt auf der mittleren Ebene ein. Dort be- dienen Arbeiter eine riesige Maschine. Zu Beginn herrscht Schichtwechsel. In Reih und Glied marschieren Arbeiterkolonnen auf die Maschine zu oder entfernen sich (im Rhythmus verlangsamt) von ihr. Die Kamera begleitet eine Arbeitergruppe im Fahrstuhl auf die untere Ebene von Me- tropolis. Dort liegen offensichtlich abge- schnitten von Natur und Sonnenlicht die proletarischen Wohnviertel. Schauplatzwechsel auf die obere Ebene Metropolis, wo er Zeuge eines Arbeitsun- der Stadt. Junge Männer üben sich in ei- falls wird. In einer Vision verwandelt sich nem Stadion und turteln in einer künstli- die riesige Maschine in einen Menschen chen Gartenlandschaft. Einer von ihnen fressenden Moloch. Unter dem Eindruck ist Freder, der Sohn von Joh Fredersen, dieser Ereignisse besucht Freder seinen dem Herrscher von Metropolis. Die necki- Vater, der im neuen Turm Babel auf der schen Spiele werden unterbrochen, als oberen Stadtebene residiert. Freder be- eine junge Frau mit einer Gruppe verhärm- zeichnet den Vater als Hirn der Stadt und ter Kinder dem Aufzug entsteigt. Sie zeigt warnt ihn vor einem Aufstand der Arbei- den Kindern die Bewohner der Oberstadt ter in der Tiefe. Da bringt der Werkmei- und sagt: Das sind eure Brüder. Die Grup- ster Grot rätselhafte Lagepläne, die immer pe wird in den Aufzug zurückgedrängt. wieder in den Taschen der Arbeiter auf- Doch Freder ist von dem Auftritt beein- tauchen. Josaphat, ein Mitarbeiter Freder- druckt. Er sucht das Mädchen und betritt sens, der offensichtlich als verdeckter zum ersten Mal die mittlere Ebene von Agent zu den Arbeitern geschickt wurde, Film-Heft ... 5 wird vom Herrn von Metropolis entlassen. chen sei zu seinem Vater gegangen. Als Freder hält ihn vor dem Selbstmord zu- er dort ankommt, liegt die falsche Maria, rück und fordert ihn auf, zu ihm zu kom- von der Freder nichts ahnt, in Joh Freder- men. Dann geht er wieder auf die mittlere sens Armen. Der junge Mann fällt verzwei- Ebene und tauscht die Kleider mit einem felt in ein Fieber. In Albträumen nimmt er Arbeiter, der an einer Maschine Zeiger auf am weiteren Geschehen teil: Mit einem flackernde Lichter richten muss. lasziven Tanz versetzt die Maschinen-Ma- ria die Elite in der Oberstadt von Metropo- Inzwischen besucht Joh Fredersen den lis in Hysterie. Dann hetzt sie in den Kata- Erfinder Rotwang. Der zeigt ihm einen komben die Proletarier zum Maschinen- von ihm entwickelten Roboter mit weibli- sturm auf. Von seinem Fieber genesen chen Formen. Er will ihn in einen Maschi- und von Josaphat geführt, kommt auch nenmenschen verwandeln, der vom Men- Freder dorthin, aber die falsche Maria for- schen selbst nicht zu unterscheiden ist. dert die Arbeiter zur Lynchjustiz auf. Fre- Doch Fredersen möchte, dass Rotwang der entkommt mit Mühe. Während sie die die Lagepläne entschlüsselt. Während Arbeiter gegen die Herzmaschine von Freder an der Maschine zur vollständigen Metropolis führt, entkommen Freder und Erschöpfung getrieben wird, suchen Rot- Josaphat und treffen auf die aus Rot- wang und sein Vater einen Beobachtungs- wangs Haus geflohene echte Maria. Nach punkt in den Katakomben auf, einer vier- der Zerstörung der Herzmaschine tan- ten vertikalen Ebene unter der Wohnstadt zen die Arbeiter im Taumel um ihre Trüm- der Arbeiter. Auch Freder kommt in die mer. Doch der Ausfall setzt die Wohnge- Katakomben. Dort erzählt das Mädchen biete in der Unterstadt unter Wasser. Die vom Anfang des Films an einem Altar mit dort zurückgebliebenen Kinder werden vielen Kreuzen die Geschichte vom Turm- von Maria, Freder und Josaphat gerettet. bau zu Babel. Der scheiterte, weil sich die Die Oberstadt wird inzwischen von Aus- Erdenker des Turms nicht mit den Erbau- fällen der Elektrizität getroffen. ern verständigen konnten. Das Mädchen, das Maria heißt, verlangt einen Mittler An der Kathedrale kommt es zum Show- zwischen Hirn und Händen. Als sie Freder down. Die falsche Maria wird von den Ar- erblickt, ruft sie: Mittler du, bist du end- beitern, die plötzlich Angst um ihre Kinder lich gekommen! Sie umarmt und küsst haben, wie eine Hexe auf einen Scheiter- ihn. Im Versteck befiehlt Fredersen Rot- haufen gebunden. In den Flammen er- wang, dem Roboter die Gestalt Marias zu scheint ihr Robotkörper wieder. Der wahn- geben. sinnig gewordene Rotwang hat die richti- ge Maria entführt und schleppt sie von Maria und Freder verabreden sich im Dom. Freder verfolgt auf das Dach der Kathe- Doch das Mädchen wird von Rotwang in drale. Nach einem Handgemenge stürzt er sein Haus gelockt. Vergeblich wartet Fre- in die Tiefe. Vor dem Eingangsportal kommt der in der gotischen Kathedrale auf sie es zur Versöhnung
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