HOYER MACHT STRECKE I DER FÖRDESTEIG Die Heckenrose (Rosa corymbifera) ist ein beständiger Begleiter. Blüten und Früchte der mannshoch wachsenden Pflanze bilden einen schönen Kontrast in der maritimen Umgebung. DER FÖRDESTEIG eine Wanderung auf dem Fördesteig be- ginnt mit einem Rückblick: gemeinsam mit VON FLENSBURG NACH meinem Wanderkumpel Torben nahm ich den Gendarmenpfad entlang der dänischen KAPPELN AN DER SCHLEI Fördeseite unter die Sohlen (Wandermaga- „Mzin 198/2018). Am Grenzübergang Skomagerhus bogen wir mit TEXT UND FOTOS: Ziel Flensburg in südliche Richtung ab, dabei fiel uns ein Schild mit der Aufschrift „Fördesteig“ auf. Hatte ich noch nie gehört. Tor- THORSTEN HOYER ben auch nicht. Ich zuckte die Schultern und zog die Kapuze über den Kopf. Die Markierung begleitete uns durch den Schneeregen bis zum Flensburger Hafen. Das war im November 2016. WANDERMAGAZIN Januar/Februar 2018 74 WANDERMAGAZIN Winter 2018/2019 Im Juli 2018 stehe ich erneut am Flensburger Hafen, um dem För- GLÜCK IN SICHT desteig 94 km entlang der Flensburger Förde nach Kappeln zur Wo ich vor fast 30 Jahren als Schleimündung zu folgen. Diesmal ohne Torben, aber wieder mit Marinesoldat zwischen grauen Kopfbedeckung: bei knallender Sonne vom wolkenlosen Himmel Schiffen und nüchternen Kaser- mache ich mich auf den Weg durch den 33°C heißen Tag. nenbauten marschierte, entdecke ich nun eine ziemlich schicke Wohnanlage. WERNER LÄSST GRÜSSEN Die Marineschiffe sind weißen Yachten ge- Bei weißem Sandstrand und lässigem Liegestuhl Der Start gestaltet sich schwieriger als gedacht. Am Hafenbecken wichen, um die sich bemerkenswerte Was- rückt das Glück in gruppieren sich Cafés und Bistros, die sich offensichtlich in einem serhäuser sammeln. Alles in allem macht greifbare Nähe Wettkampf befinden: wer schafft es Wanderer aufzuhalten? Hier das einen durchaus mondänen Eindruck. stehen schicke Strandkörbe, da hängt ein Pärchen in coolen Lie- Ich weiß gar nicht so recht warum, aber gen ab und auf einer schattigen Bank hat sich jemand zu einem ich schleiche etwas nachdenklich von dan- Nickerchen zurückgezogen. „Bitte ein Matjesbrötchen“, höre ich nen. Der Fördesteig führt am roten Back- mich sagen; die Fischbrötchenbude hat gewonnen. Die Etiketten steingebäude der Marineschule Mürwik der kleinen Bügelverschlussflaschen werden von der Comicfigur vorbei und beständig entlang der Küste Werner geziert, darunter ist „Bölkstoff“ zu lesen. Ich ignoriere nach Sandwig. Dort stehen Liegestühle im Werner. Vorerst. Kurz darauf erwartet mich der kräftigste Anstieg Sand mit der Aufschrift „Glück in Sicht“. des gesamten Fördesteigs: 39 Höhenmeter sind es bis in den Volks- Schönes Wortspiel – Sandwig ist ein Orts- park. Dann geht es wieder hinab in das Hafenviertel Sonwik. teil von Glücksburg mit seinem bekann- www.wandermagazin.de www.wandermagazin.de 75 HOYER MACHT STRECKE I DER FÖRDESTEIG 1 1. Das Wasserschloss ten Wasserschloss. In Sicht sind auch die und Büsche schält sich das Rot eines Sonnenschirmes hervor. Da- Glücksburg ist nicht zu Dänemark gehörenden Ochseninseln runter ein besetzter Stuhl sowie ein Tisch, auf dem Oberkörper nur in Norddeutschland bekannt – es zierte sowie eine reetgedeckte Strandbar, die zu und Kopf ruhen. Daneben ein paar Blätter und eine fast leere Was- auch Briefmarken der meinem Bedauern nicht geöffnet ist. Was serflasche. Hoffentlich kein Hitzeopfer, denke ich, räuspere mich Deutschen Post für ein Glück, wer will denn schon bei so kurz, um ein knappes „Moin“ folgen zu lassen. Der Kopf schnellt 2. Das Kleine Noor auf der einer Hitze kühle Drinks zu sich nehmen? hoch und erwidert ein eher müdes „Moin“. Da keine Notsituati- Halbinsel Holnis Ich ganz sicher nicht und ziehe weiter mei- on vorliegt, machen wir nach einem kurzen Plausch weiter unser nes Weges. Ding – Vögel zählen bzw. wandern. DIE ZEITEN ÄNDERN SICH Nach einigen Schritten habe ich zur Linken die Förde, zur Rechten Mit dem Örtchen Schausende befinde ich einen See. Oder besser: ein Noor, das Kleine Noor. Aber was ist mich auch schon auf der Halbinsel Holnis. das? Eine Informationstafel gibt mir das Gefühl, mit dieser Unwis- Unweit des Yachthafens erheben sich zwei senheit nicht alleine zu sein. Da wo jetzt der See ist, war mal eine Wohnblocks in die Höhe, die sich an die- Meeresbucht. Durch die Bildung eines natürlichen Walls wurde ser Stelle wie Fremdkörper präsentieren. sie vom offenen Gewässer abgetrennt, in dessen Folge die Bucht Bausünden aus den 1970er Jahren? Wie verlandete. Um die Jahrtausendwende wurde mit Bauarbeiten be- dem auch sei, bald breitet sich vor mir das gonnen, um die Fläche dem Meer wieder zugänglich zu machen. Naturschutzgebiet Holnis aus. In frü- Letztlich aber bestimmte die Natur selbst: die Arbeiten waren noch heren Zeiten wurden hier einige nicht abgeschlossen, da überflutete die Ostsee das Gelände und Ziegeleien betrieben, die aber hinterließ ein neues Noor. nach und nach aufgegeben wurden. Die letzte stellte Ich stehe am Rand des Holnisser Kliffs. Man muss keine zig hun- 1964 den Betrieb ein. Heu- derte oder tausende Meter in die Höhe steigen, um fantastische te ist das Naturschutzgebiet Aussichten zu genießen. Jedenfalls nicht hier, da reichen 20 Meter. ein wichtiger Rückzugsraum Meine Blicke schweifen über die Flensburger Förde und entlang vieler Pflanzen- und Tierar- der dänischen Küste, nichts versperrt den Blick. Warmer Wind ten. Zahlreiche Vögel zieht es streicht über meine Haut, Möwen kreischen, die Luft flimmert in zum Brüten hierher, für andere der Hitze. Ich liege im Gras und tagträume. 2 ist es ein idealer Rastplatz auf ih- rem Durchzug. Sozusagen ein „Hot SOMMERLICHE STRANDERLEBNISSE Spot“ für Ornithologen. Mit Blick auf Der Fördesteig führt nicht ganz bis zur Nordspitze der Halbin- die 23 Meter hohe Abbruchkante des Hol- sel, sondern hält auf das Restaurant Fährhaus Holnis zu. Von nisser Kliffs vernehme ich Vogelstimmen. hier lässt sich aber ein Abstecher zum herrlichen Sandstrand an Mal ein zartes Piepen, dann ein aufdring- der äußersten Nordspitze unternehmen. Der Ort Holnis besteht liches Schreien. Aus dem Grün der Gräser aus ein paar wenigen, sehr gepflegten Häusern. Auf einem gut 76 WANDERMAGAZIN Winter 2018/2019 4 5 3 ausgebauten Promenadenweg schlendere ich am gut besuchten Strand entlang nach Bockholm. Dann lotst mich die Markierung um einen Golfplatz, bringt mich auf einen Waldpfad und an einen 6 7 schmalen Strand, der von Felsbrocken unterschiedlichster Größen übersät ist. Bei höherem Wasserstand ist dieser Strandabschnitt nicht passierbar, dann muss man auf die Kliffkante ausweichen. Mit Ankunft in Langballigau hat mich der Strandurlaubertrubel dennoch ab. Wortlos mus- voll erwischt. Umgeben von akkurat ausgerichteten Wohnwagen, tern mich die beiden, als klatschenden Flip-Flops sowie dem Geruch von Sonnencreme ich ihre ausladend großen und Frittierfett, komme ich mir in meinen Wanderklamotten, mit Badetücher bewundere. Rucksack, Kamera und GPS-Gerät reichlich deplatziert vor. War- Strandwandern an som- um nur fällt mir ausgerechnet hier und jetzt Rudi Carrells Schlager merlich heißen Tagen „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ ein? hat seinen ganz eigenen Charme! Mit Ostseeblick nehme ich Kurs auf Westerholz, dann schwenkt der Weg nach rechts und verläuft zwischen Feldern und Wiesen EINE EINZIGARTIGE mit einigem Abstand zur Küste in das Dorf Dollerupholz. An ei- LANDSCHAFT ner Kreuzung weist mich die Markierung an, nach rechts abzu- Am Hafenbecken von Geltinger Mole bli- biegen, weg von der Küste. Ich schaue auf Karte und GPS-Gerät cke ich über die Ostsee nach Dänemark. und tatsächlich, die Route steuert nun das rund 3,5 km landein- Zwischen den Jahren 1981 und 1999 pen- 3. Das Holniser Kliff wärts liegende Dorf Kalleby an. Wie wunderbar es doch ist, durch delte die Fähre „Gelting Syd“ unermüdlich ist bereits aus einiger den schattigen Wald zu wandern. Kalleby ist eine langgestreckte zwischen Geltinger Mole und dem hüb- Entfernung zu sehen Ortschaft und wird nur kurz tangiert, um dann wieder Küsten- schen dänischen Städtchen Faaborg hin 4. Holnis ist ein wichtiges kurs einzuschlagen. Bevor mir ab Norgaardholz wieder Seewind und her. Dabei kauften unzählige Passa- Rückzugsgebiet für Vögel um die Ohren wehen kann, steige ich auf Holzbohlen durch das giere unzählige Mengen an Käse, Butter, 5. Das Fährhaus Holnis Habernisser Moor. Das ist die naturbelassene und zugleich größte Schokolade und Alkohol. Als im Jahre 6. Der Ort Holnis selbst Auenlandschaft im Fördegebiet. Naturnah geht es auch am 1999 den sogenannten Butterfahrten das besteht aus nur wenigen, Strand weiter, zumindest bei normalem Wasserstand. letzte Stündlein schlug, war damit dafür reizvollen Häusern Sanft plätschert das Ostseewasser an den gerade auch das Schicksal der „Gelting 7. Der Fluss mal badehandtuchbreiten Sandstreifen. Mit einem Syd“ besiegelt. Langballigau mündet in der gleichnamigen „Entschuldigung“ ziehe ich schnell meinen Wan- Ortschaft in die derschuh von der textilen Unterlage eines son- Im Nordschauwald faszinie- Flensburger Förde nenbadenden Herrn. Seine Begleiterin liegt un- ren die Buchen und Eichen 8. Auf Holzbohlen günstig daneben, ich mache einen großen Schritt nicht nur durch ihr Alter, son- geht es durch das Richtung Wasser. Ein bisschen Sand bekommt sie 8 dern viel offensichtlicher noch Habernisser Moor www.wandermagazin.de 77 HOYER MACHT STRECKE I DER FÖRDESTEIG durch ihren ungewöhnlichen Wuchs. Hier dass die Landschaft nicht verbuscht. rechts: empfinde ich eine ganz eigene, wohltuende Alles Wissenswerte rund um die Gel- Kitesurfer finden bei
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