Jazzzeitung 7/8 2004

Jazzzeitung 7/8 2004

29. Jahrgang Nr. 7/8-04 www.jazzzeitung.de Juli/August 2004 B 07567 PVSt/DPAG Entgelt bezahlt Das Bayerische Jazzweekend siehe Seite 5! Mit Jazz-Terminen Jazzzeitung aus Bayern, Berlin, ConBrio Verlagsgesellschaft Brunnstraße 23 Hamburg, Mittel- 93053 Regensburg deutschland ISSN 1618-9140 und dem Rest E 2,30 der Republik berichte farewell portrait play back dossier Verlässliche Stimmung: Moers 2004 Barney Kessel, Elvin Jones, Steve Lacey Gereift: Interview mit Cassandra Wilson One-Song-Compilations von Trocadero Perfekte Balance: Count Basies 100. S. 3 S. 11 S. 14 S. 16 S. 22–23 Liebe Leserinnen, liebe Leser, ein kleiner Skandal in Bonn um ein Jazz- konzert: Am 20. Juni spielte das Bundes- jugendjazzorchester unter Peter Herbolz- heimer eine von Anke Engelke moderier- te Jazz-Gala namens „Mission Impossib- le“ zu Ehren von des Filmkomponisten Lalo Schifrin. Der Komponist aus Buenos Aires wurde an diesem Tag mit dem „In- ternationalen Filmmusikpreis Bonn 2004” ausgezeichnet – kurioserweise gleich von zwei Institutionen: der Stadt Bonn und der Bundeskunsthalle Bonn. Letztere richtet dieses Jahr das letzte Mal die Filmmusikbiennale aus und be- steht darauf, alleiniger Preisstifter zu sein. Es muss an der Wahlkampfstim- mung in Bonn gelegen haben, dass sich die Bundesstadt mit diesem nicht alltäg- lichen Event kostenlos schmücken wollte. Natürlich gilt der Publicity-Hunger der Kommune nicht dem Jazzer Schifrin, als der er durch die Mitwirkung des BuJazzO präsentiert wurde, sondern dem Weltstar. Aus der Sicht des Jazzzeitung-Redakteurs ist es jedoch erfreulich, wenn der eine oder andere interessierte Film-Fan durch die Gala-Veranstaltung der Bundeskultur- halle über die Jazzer-Vergangenheit die- ses populären Komponisten, Arrangeurs und Pianisten aufgeklärt wird. Schließlich gibt es bei ihm zahlreiche Verbindungslinien zum modernen Jazz. Schifrin hatte drei Jahre mit Dizzy Gille- spie in einer Band gespielt (1960–63) sowie anschließend mit Quincy Jones und Cannonball Adderley gearbeitet. Er kennt also die Live-Atmosphäre des Jazz- clubs ebenso wie die Studioarbeit. Ob man den jungen Talenten des BuJazzO KÜHNEKÜHNE BÖGEN,BÖGEN, SCHAFFENSWUTSCHAFFENSWUT jetzt unbedingt den Karriereweg zum Filmmusikkomponisten nahe legen soll, ein Weg, der nicht allzu selten beim Ver- Nash, Potter und Douglas beim Münchner Klaviersommer 2004 Der Jazz hat immer wieder mal so seine Steve Coleman (19. Juli, Nightclub im ten hatten, dann darf Chris Potters Name land-Quintett-Drummer Nate Smith. Phasen. Manchmal springt sogar ein klei- Bayerischen Hof) oder Geri Allen (22. nicht fehlen. Der 33-jährige, aus Chica- Auch der Trompeter Dave Douglas ist beim ner Boom dabei heraus. Wie etwa Ende Juli, Nightclub) braucht man wahrlich go stammende Saxofonist hat ein Level Klaviersommer mit einer eher elektrisch der 80er-Jahre, als Auto- und Parfum- nicht mehr vorzustellen. Aber da wäre erreicht, das man nur noch mit offenem ausgerichteten Gruppe, einem Sextett na- Hersteller ihre Produkte plötzlich mit etwa der Saxophonist Ted Nash, der zu Mund bestaunen kann. Von seiner ganz mens „Freak In“ zu Gast - mit Jamie Saft dem Four-Letter-Word schmückten und es den Führungspersönlichkeiten der New eigenen Tongebung abgesehen, verblüffen am Wurlitzer Piano und DJ Olive an den angesehenen Nachrichtenmagazinen wie Yorker Jazz Composers Collective gehört. der unversiegbare Ideenfluss, die kühn Turntables (25. Juli, Nightclub im Bayer- „Time“ plötzlich eine Titelstory wert war. Die gründete sich vor zwölf Jahren quasi geschwungenen Bögen und Potters aus- ischen Hof). Der 41-jährige Douglas ist Hollywood schrieb sogar ein paar auf- als Selbsthilfegruppe und gehört heute zu geprägter Sinn für Dynamik, wenn er das ein Phänomen. Nicht nur muss er zu den fertigen von Radiojingles und anderer wendig produzierten Spielfilmen das den einflussreichsten Jazz-Organisationen Tenor- oder Sopransax an die Lippen überragenden Trompetern seiner Genera- akustischer Umweltverschmutzung endet, Thema Jazz ins Drehbuch. Und selbst die – mit einem faszinierenden künstlerischen setzt. Zu diesem Urteil kommen wohl fast tion gezählt werden - als Komponist und weiß ich nicht. Immerhin gibt es einen Major Labels zeigten damals Ambitionen Output. Seltsam, dass noch kein europä- alle, die ihn auf der jüngsten Deutschland- Konzeptionalist ist er eine Nummer für bekannten Ehemaligen des BuJazzO, der und ließen ihre Talentscouts ausschwär- isches Festival zugeschlagen und der Kom- tournee des Dave Holland Quintets erlebt sich. Unzählig sind die Projekte unter ei- vorgemacht hat, wie man scheinbar mü- men, um frisches Jazzfleisch ran zu ponistenvereinigung ein Forum geboten oder in sein neues Album „Live At The genem Namen, die ihn stilistisch von kam- helos guten Jazz, Kommerz und auch schaffen. hat. Beim Klaviersommer wird Ted Nash Village Vanguard“ (Emarcy/ Universal) mermusikalischen Bereichen und folklo- Filmmusik miteinander verbinden kann: leider nicht mit einer seiner aufregenden hineingehört haben. Der Münchner Kla- ristischen Provenienzen über straight Till Brönner, der erst vor wenigen Wochen DDamals wurde der Markt mit jungen, oft eigenen Formation zu hören sein, sondern viersommer präsentiert Chris Potter mit ahead-Terrains bis hin zu Neue Musik- und den Soundtrack zu dem Tour de France- noch unfertigen Talenten überschwemmt, nur im Saxophonsatz von Wynton Mar- seinem elektrischen, basslosen Quartett Avantgarde-Gefilden oder gar symphoni- Kinofilm „Höllentour“ herausbrachte. die die großen Firmen uns als junge Lö- salis‘ Lincoln Center Jazz Orchestra sit- „Underground“ (21. Juli, Nightclub im schen Ufern führen. Das Frappierende an Hier zeigt Brönner, was er alles kann – wen verkauften. Allzu viel Biss zeigten auf zen. Ted Nash hat übrigens schon oft zwi- Bayerischen Hof). Dem gehört der Gitar- der unglaublichen, fast schon verwirren- und das ist nicht wenig. Mir persönlich lange Sicht aber die wenigsten davon. schen dem eher konservativen Lager (also rist Wayne Krantz an, der wie der Saxo- den Schaffenswut des Musikers ist, dass allerdings reicht guter Jazz. Dennoch hat die Generation der Musi- Marsalis) und den Köpfen der Collective phonist einst Dienst bei Steely Dan tat (wo keines seiner Konzepte beliebig, sondern Andreas Kolb ker, die damals ihre ersten Schritte mach- vermittelt. Jetzt gibt es einen regen musi- Potter eines der längsten Instrumentalsoli im Gegenteil – sehr ausgreift wirkt und ten und heute Mitte dreißig, Anfang vier- kalischen Austausch. der Popgeschichte ablieferte), dann der Douglas jedem Werk seinen persönlichen zig sind, einiges an Persönlichkeiten her- Wenn irgendwann abgerechnet wird, mit Detroiter Keyboarder Craig Taborn, der Stempel aufzudrücken vermag. Dafür ge- vorgebracht. Einige beachtliche davon dem, was die späten 90er-Jahre und die mit seinem just erschienenen Album „Junk bührt dem Mann mit dem lichten Haar- sind etwa beim Münchner Klaviersom- erste Dekade des neuen Jahrtausends an Magic“ (Thirsty Ear/ Rough Trade) für kranz eigentlich ein Heiligenschein. mer zu hören. herausragenden Instrumentalisten zu bie- Furore sorgt, und schließlich der neue Hol- Text und Foto: Ssirus W. Pakzad termine 7-8/04 Seite 6 Ratskeller Köpenick, 31.7., 20.00 Uhr Cotton Club, 17.7., 20.30 Uhr Bayerischer Hof, 5.7., 22.00 Uhr Alfonso’s, 24.7., ab 13.00 Uhr berlin Mississippi Blues Night Yarra Yarra Jazzband Salsa mit DJ Alberto Altschwabinger Straßenfest, B-Flat, jeden Mittwoch, 21.00 Uhr Lohmühle, 31.7., 20.00 Uhr Consortium, 17.7., 22.00 Uhr Alfonso’s, 6.7., 20.00 Uhr George Greene´s Hotlineband Robins NEST, Jamsession Die Enttäuschung: Monk, Bop und Moderne Alster Jazzband und Meike M. Midnightwalkers (bei schlechtem Wetter: 31.7.) Schlot, jeden Montag, 21.30 Uhr Badenscher Hof, 31.7., 21.00 Uhr Das Feuerschiff, 18.7., 11.00 Uhr Jazzclub Unterfahrt, 6.7., 21.00 Uhr Wirtshaus zum Isartal, 24.7., 20.00 Uhr Bebop-meeting Australian Summer Music Klaus Negers Jazzband Vernon Reid´s „Masque“ Isartaler Sommerfest Tränenpalast, blue nites 2004: 5.–25.7., Ratskeller Köpenick, 6.8., 20.00 Uhr Cotton Club, 19.7., 20.30 Uhr Bayerischer Hof, 6.7., 22.00 Uhr Bayerischer Hof, 24.7., 22.00 Uhr 20.00 Uhr 10 Jahre Jazzkeller Köpenick: The Jiving Hot House Wayne Bartlett & Band Larry Carlton Schlot, 1.7., Fußball-Europameister- Jewels feat. Eb Davis Riff, 19.7., 21.00 Uhr Odeonsplatz, Solarparade, 7.7., 14.00 Uhr Alfonso’s, 25.7., 20.00 Uhr schafts-Sonderprogramm: Schlot, 6.8./7.8., 21.00 Uhr Session Orquesta Wawancó Peter Krause 20.00 Uhr Sommerakademie – Jazzworkshop – Dozen- Planet Subotnik, 19.7., 22.00 Uhr Tollwood-Festival, Andechser-Zelt, 7.7., Piazza Linda, 25.7., 20.00 Uhr soccer and jazz tenkonzert Sunset Jazz Club: The Trio 19.00 Uhr Cotton Club Night at Old Mrs. Hendersons 22.30 Uhr Ratskeller Köpenick, 6.8., 20.00 Uhr Cotton Club, 20.7., 20.30 Uhr Orquesta Wawancó Lustspielhaus, 25.7., 20.30 Uhr Jam Session 10 Jahre Jazzkeller Köpenick: The Jiving Schnelsen Stompers Jazzclub Unterfahrt, 7.7., 21.00 Uhr Joachim Kühn Botanischer Garten, 2.7., 18.00 Uhr Jewels feat. Eb Davis Fabrik, 20.7., 21.00 Uhr Hannes Beckmann Quartet Bayerischer Hof, 25.7., 21.00 Uhr Vibratanghissimo: Tango meets Jazz, Lohmühle, 7.8., 20.00 Uhr Tok Tok Tok Bayerischer Hof, 7.7., 22.00 Uhr Dave Douglas Electric Group „Freak In“ Musik von Astor Piazolla und Oli Bott Lychee Lassi Mellingburger Schleuse, Mellingburg- Wayne Bartlett & Band Bayerischer Hof, Festsaal, 25.7., Ratskeller Köpenick, 2.7., 20.00 Uhr Ratskeller Köpenick, 7.8., 20.00 Uhr redder 1, 22.7., 20.00 Uhr Bayerischer Hof, 8.7., 19.00 Uhr 22.00

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