Hall, Pauline Sinfonikerin?” Pauline Hall lacht laut. „Ja, vom Übersetzen von Schlagertexten, von Musik zu Radiosendungen für Kinder, von musikalischen Arrange- ments in den komischsten Formen, von Zeitungsartikeln und Übersetzungen, vom Korrepetieren und Sprechen im Radio, vom Dirigieren eines Vokalquintetts. Kurz ge- sagt, von allem anderen, nur nicht vom Komponieren. Denn davon krepiert man, wenn man nicht gerade das Glück auf seiner Seite hat.”) (Interview im „Dagbladet“ vom 13. September 1934). Profil Pauline Hall war eine markante, vielseitige und interna- tional agierende Musikerpersönlichkeit in Norwegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie war in erster Linie Komponistin und hatte mit Liedern, Kammermu- sik sowie mit Kompositionen für Film und Theater und als Sinfonikerin großen Erfolg. Mit ihren künstlerischen Erfahrungen, die sie in Paris und Berlin gesammelt hatte, förderte sie die Begegnung zwischen der norwegischen und der französischen bzw. deutschen Musikkultur. Sie entwickelte einen impressio- Pauline Hall, ca. 1950 nistischen, später französisch-neoklassizistischen Kom- positionsstil. 1930 engagierte sie sich für die norwegi- Pauline Hall sche Premiere von Kurt Weills „Dreigroschenoper”. Geburtsname: Pauline Margrethe Hall Nicht nur als Komponistin, sondern auch als festanges- tellte Kritikerin und Kommentatorin der Tageszeitung * 2. August 1890 in Hamar, Norwegen Dagbladet, als Vorstandsmitglied der Norwegischen † 24. Januar 1969 in Oslo, Norwegen Komponistenvereinigung sowie als Gründerin und Vorsit- zende der norwegischen Sektion der Internationalen Ge- Komponistin, Pianistin, Dirigentin, Regisseurin, sellschaft für Neue Musik (IGNM) von 1938 bis 1961 Kritikerin, Musikjournalistin, Korrespondentin, konnte sie in Norwegen den Expertendiskurs über Neue Übersetzerin, Rednerin, Musikvermittlerin, Musik, die Professionalisierung des Komponistenberufs Organisatorin, Vereinsvorsitzende und die Moderne aktiv mitgestalten. Pauline Hall ist die erste komponierende Frau, die in „Og hvad lever så Nordens eneste kvinnelige symfoniker Norwegen staatliche Förderung erhielt (erstmals 1917). av?’” In ihrer Rolle als Frau und als vergleichsweise unkonven- Pauline Hall ler høit. tionelle Komponistin, die sich jenseits des herrschenden „Jo, av å oversette slagertekster, lage musikk til barneti- (nationalen) Kompositionsdiskurses bewegte, musste sie men i radio, av musikalske arrangementer i de pussigste sich dabei deutlich stärker um (finanzielle) Anerkennung former, av å skrive avisartikler og oversette, av å være re- bemühen als viele ihrer männlichen Kollegen. petitør og snakke i radio, av å dirigere en vokalkvintett. Orte und Länder Kort sagt av alt annet enn nettopp det å komponere. For det kreperer man gladelig av om man ikke har hellet med Pauline Hall lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Oslo, sig.’’ Norwegen, wohnte von 1912 bis 1913 in Paris, 1914 in Dresden und war von 1926 bis 1932 Korrespondentin für („Und wovon lebt nun also Norwegens einzige weibliche die Tageszeitung „Dagbladet“ in Berlin. Sie unternahm – 1 – Hall, Pauline viele Reisen in Europa, insbesondere in der Rolle der Kri- in den darauffolgenden Jahren aktiv war. 1920 wurde au- tikerin und Vertreterin der norwegischen Sektion der In- ßerdem ihr erstes Orchesterwerk „Poème Élégiaque“ ternationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM). vom Orchester der Philharmonischen Gesellschaft urauf- geführt. Zwei Jahre später folgte „Nocturne Parisien“, Biografie das 1929 als zweiter Satz in die „Verlaine-Suite“ einging, Pauline Margrethe Hall wurde am 2. August 1890 in Ha- die wiederum Pauline Halls Durchbruch als Sinfonikerin mar (Norwegen) geboren. Ihre Eltern, der Apotheker Is- markierte. Nachdem das Orchester der Philharmoni- ak Muus Hall und Magdalena Hall (geb. Agersborg) wa- schen Gesellschaft das finanzielle Risiko für die Urauffüh- ren beide Amateurmusiker. Pauline war das dritte von rung nicht tragen wollte, organisierte sie diese auf eigene vier Kindern in einem musikalischen Haus und spielte Initiative in Zusammenarbeit mit Ludvig Irgens-Jensen Klavier. Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie nach Ka- und Arne Eggen, die ebenfalls die Uraufführung ihrer belvåg (Lofoten) in Nordnorwegen, wo sie zehn Jahre neuen Kompositionen auf diese Weise lancierten (vgl. wohnhaft blieb. Ihre Schulausbildung erhielt Pauline Vollsnes 2000 S. 145ff.). Das Konzert wurde zwar ein Hall, als sie anschließend zurück nach Hamar zogen. ökonomisches Fiasko, jedoch gleichzeitig ein künstleri- Während der Gymnasialzeit an einer der ältesten und scher Erfolg. prestigereichsten Schulen Norwegens, Hamars Katedrals- kole, war sie Mitglied im Schultheater, im Orchester und Ab den 1920er Jahren gestaltete es sich zunehmend Redakteurin der Schulzeitung. Nach dem Abschluss 1907 schwierig für Pauline Hall, ausreichend Stipendien und folgten Klavierunterricht bei Johan Backer Lunde und Einnahmen aus ihren Auftritten zu beziehen, um sich Kompositionsstudien mit Catharinus Elling in Kristiania ganz und gar dem Komponistenberuf zu widmen. Unter (heute: Oslo), bevor Pauline Hall von 1912 bis Ende 1913 anderem deshalb entwickelte sie in den 1920er und nach Paris ging. Obwohl die Quellen keinen Hinweis auf -30er Jahren eine große Vielseitigkeit: Sie war Begleite- Privatunterricht oder gar einen Aufenthalt am Pariser rin und leitete ein Konzertbüro, sie übersetzte Opernlib- Conservatoire erkennen lassen, erhielt Pauline Hall in retti und hielt Radiovorträge, schrieb Musik zur Radio- dieser Stadt durch zahlreiche Konzert-, Opern- und Thea- sendung „Barnetimen“ („Kinderstunde“) des Norwegi- terbesuche ihre vielleicht wichtigsten Impulse als Kompo- schen Rundfunks (NRK) und gründete das „Pauline Hall- nistin. Insbesondere Einflüsse des von Claude Debussy Quintett“, das sie als Pianistin und Dirigentin von vier inspirierten Impressionismus und der Komponisten der Sängerinnen leitete. Neben dem Komponieren arrangier- Groupe des Six sind später in ihren eigenen Werken zu te sie auch Vokalmusik unterschiedlichster Genres, dar- hören. Richtungsweisend war auch das Erlebnis von unter Spirituals, für ihr Gesangsquintett und Chor. Dar- Maurice Ravels „Daphnis et Chloé“ und Modest Mus- über hinaus erhielt sie fortlaufend Aufträge als Musik- sorgskis „Boris Godunov“ an der Pariser Oper, den Bal- journalistin. lets Russes und Igor Strawinskis „Le sacre du printemps“ (Vgl. Hall 1963, S. 10). Nach einem kurzen Studienaufent- Zwischen 1926 und 1932 lebte Pauline Hall als Korre- halt in Dresden bei Erich Kauffmann Jassoy ging sie im spondentin für die norwegische Tageszeitung „Dagbla- Sommer 1914 zurück nach Norwegen, u.a. da mit dem det“ in Berlin, von wo aus sie über aktuelle Ereignisse Tod ihres Vaters die finanzielle Unterstützung wegfiel. und Politik berichtete. Besonders genau verfolgte sie je- doch das zeitgenössische, teils politisch radikale Gesche- Pauline Hall hatte bereits 1910 und 1912 in Tromsø Kon- hen an Theatern und Opernhäusern der Stadt. Wie viele zerte mit ihren eigenen Werken veranstaltet und 1913 ihr andere war sie von der Zusammenarbeit zwischen Kurt erstes Liederheft publiziert. Ihr offizielles Debüt als Kom- Weill und Bertolt Brecht begeistert, und sie war es, die ponistin fand am 7. März 1917 in Brødrene Hals’ konsert- die „Dreigroschenoper“ an das Centralteatret in Oslo hol- lokale in der norwegischen Hauptstadt statt. Hier präsen- te. Das Stück hatte 1930 in Norwegen Premiere, mit Pau- tierte sie Romanzen, Klavierstücke und eine Sonatine für line Hall als Regisseurin, Übersetzerin und musikalische Violine und Klavier. Die Kritiken fielen positiv aus. Leiterin. Bis 1955 wurde es wiederholt auf den Spielplan gesetzt. Im selben Jahr war sie bei der Gründung des norwegi- schen Komponistenvereins (Norsk komponistforening) Mit der „Dreigroschenoper“ öffneten sich für Pauline beteiligt, in dessen Vorstand sie erstmals 1920 und auch Hall die Türen für das Theater, und ab Mitte der 1930er – 2 – Hall, Pauline Jahre komponierte sie hauptsächlich Schauspielmusik. enstmedaille in Gold (Kongens fortjenstmedalje i gull) Bis in die 1960er Jahre hinein schrieb sie Musik zu über verliehen. Jedoch erst 1960, im Alter von 70 Jahren, wur- 30 Theaterstücken, einem Ballett und vier Filmen in Zu- de ihr der begehrte Statens kunstnerlønn (eine staatliche sammenarbeit mit den avantgardistischen norwegischen Künstlerrente) zugeteilt – ein Privileg, das zahlreiche ih- Regisseuren ihrer Zeit, darunter Agnes Mowinckel und rer männlichen Kollegen seit dem Ende des 19. Jahrhun- Hans Jacob Nilsen. Zwei ihrer Schauspielmusiken arbei- derts erhielten (vgl. Kvalbein 2013, Kap. 4.2). tete sie für den Konzertsaal um: die Suite zu Shakespea- res „Julius Cæsar“ (1950) und die „Liten dansesuite fra Pauline Hall starb am 24. Januar 1969 im Alter von 78 As You Like It” („Kleine Tanzsuite aus As you like it”) für Jahren in Oslo. drei Bläser (1959). Ihre charakteristische theatrale Ausd- Würdigung rucksweise ist auch hörbar in „Smeden og Bageren“ („Der Schmied und der Bäcker“) für Männerchor von Zu einer Zeit, als die meisten norwegischen Komponis- 1932, in „Cirkusbilleder” für Orchester von 1933, in der ten versuchten, an Edvard Griegs Kompositionsstil anzu- „Suite for blåsekvintett” (Suite für Bläserquintett) von knüpfen, u.a. indem sie volksmusikalische Elemente ver- 1945 und den humoristischen „Fire Tosserier” („Vier Un- wendeten, orientierte sich Pauline Hall an anderen euro- sinnigkeiten“) für Sopran und Bläser von 1961. päischen Tonsprachen und deren Idealen. Pauline Hall wurde 1934 von der Tageszeitung „Dagbla-
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