Das Große Bruch und der Heeseberg - Bastionen der Natur in der Agrarsteppe Wie das Große Bruch entstand Die Niederung des „Großen Bode und Ilse ausgebildet. Da das Sumpfpflanzen siedelten sich an. Bruchs” war während der vorletz- Gefälle im Bereich der Wasser- Die Streu dieser Pflanzen zersetz- ten Eiszeit, der Saale-Eiszeit, ein scheide sehr gering war, wurde te sich in dem morastigen Unter- Stromtal, das die Schmelzwässer das Gebiet während der Früh- grund nur schlecht, sodass sich der bis zum Heeseberg reichenden jahrshochwässer alljährlich über- Torfschichten aufbauten und ein Gletscher aufnahm. Quer durch flutet. Tonschichten verhinderten Niederungsmoor entstand, das dieses Urstromtal hatte sich vor ein rasches Versickern des Was- Große Bruch. etwa 10.000 Jahren eine Wasser- sers, das oft monatelang im Ur- scheide zwischen den Harzflüssen stromtal stand. Schilf und andere Vom niedersächsischen Hornburg bei Matierzoll. Ein dritter Weg, der irrte! Mit Entsetzen bemerkte er bis zum anhaltinischen Oschersle- Neue Damm, im östlichen Teil des zu spät, dass er keinen festen Bo- ben erstreckt sich eine weite Bruchs, fiel immer wieder dem den mehr unter sich hatte. Seine sumpfige Niederung durch die - Sumpf anheim. Hilferufe verhallten ungehört, sonst recht trockene - Bördeland- denn weit und breit war niemand, schaft, von den Menschen der Und so erhielt sich inmitten der der ihn hätte retten können.“ (Karl Umgebung „das Große Bruch“ ge- fruchtbaren Börde bis in die Neu- Kellner, in: Traute Heimat, aus der nannt. Um die 2 km ist das Große zeit ein Stück Urnatur, vor dessen Oscherslebener Vergangenheit, Bruch breit und trennte die Dörfer Sümpfen es den Reisenden gru- 1906) und Städte des östlichen Harzvor- selte: „Im Allgemeinen herrscht landes von den Orten des Braun- lautlose Stille, nur hin und wieder schweiger Hügellandes und des unterbrochen vom Geschrei der Herzöge und Bischöfe Elms. Nur zwei Wege führten frü- Wildgänse und dem heiseren Bel- kratzen am Naturparadies her über das Bruch: der Kiviz- len des Wolfes. Wehe dem Men- damm (Kiebitzdamm) bei schen, der vom rechten Wege ab- Für Sumpf- und Wasservögel, Jerxheim und der Hessendamm gekommen war und sich hier ver- Fischotter, Frösche und Unken 243 war das Große Bruch dagegen ein Paradies. Doch die Herzöge von Braunschweig und die Bischöfe von Halberstadt, denen das Land gehörte, trachteten danach den Sumpf zu entwässern und ihn in fruchtbares Land zu verwandeln. 1540 wurden auf Anweisung von Herzog Heinrich dem Jüngeren und Bischof Albrecht V. im Bruch zwei große Gräben gezogen: der „Faule Graben“ und der „Schiffs- graben“. Letzterer kam zu seinem Rohrweihe Namen, weil der Sohn des Her- zogs, Herzog Julius, den Graben schiffbar machen wollte, um eine Art Mittelland-Kanal zu schaffen. Das war keine schlechte Idee, denn die Gräben des Großen Bruchs entwässern im westlichen Teil in die Ilse und im östlichen Teil in die Bode. Über die Ilse, die Oker und die Aller wäre man mit dem Schiff zur Weser gekommen und über die Bode zur Elbe. Herzog Julius begann mit der Umsetzung seines Plans, aber erst sein Sohn, Heinrich Julius, führte das Werk zu Ende. Heinrich Julius hatte ein größeres Interesse an der Schiffbarmachung als sein Fischotter Vater. Neben der Herzogwürde hatte er das Amt des Halberstäd- ter Bischofs inne und war damit beschäftigt, sich im Halberstädter Gebiet ein neues Lustschloss zu bauen. Nach dem Ausbau des Schiffsgrabens konnte er bequem auf dem Wasserwege von seiner - unweit von Hornburg gelegenen - Sommerresidenz Hessen in sein Bistum fahren. Auch die Entwäs- serung machte unter Heinrich Ju- lius Fortschritte. So ordnete er an, im rechten Winkel zu den Haupt- gräben Abzugsgräben auszuhe- ben. Schließlich ließ er im östli- Großer Brachvogel chen Teil des Bruchs den ver- sumpften Neuen Damm wieder Tiere zur „guten alten Zeit“ im Großen Bruch herrichten, womit die Universi- Wiederbesiedlung im Schutz des Grünen Bandes möglich tätsstadt Helmstedt von Halber- stadt aus ohne größere Umwege 244 erreicht werden konnte. Im Laufe des Dreißigjährigen Kriegs verfie- len die Gräben und das Bruch sah bald wieder so aus wie zuvor. Naturidylle in der „guten alten Zeit“ Inzwischen war das Bistum Hal- berstadt an die Kurmark Branden- burg bzw. an das spätere Preußen gefallen und Friedrich der Große, der alles entwässern ließ, was Rotbauchunke sumpfig war, hatte sich vorge- nommen auch das Große Bruch urbar zu machen. Es wurden auch etliche Arbeiten durchgeführt, hochwasser verlaufen hatte, das Bruch, um durch die Börde in doch wegen Streitigkeiten zwi- Vieh auf die sattgrünen Sumpf- Richtung Helmstedt zu ziehen. schen Preußen und Braunschweig wiesen. Im Sommer machten sie gelang es erst in den dreißiger sogar in den nassen Bereichen, Mit dem Ausbau der Zonengrenze Jahren des 19. Jh., Teile des Gro- die mit den Fuhrwagen nicht zur Staatsgrenze der DDR wurden ßen Bruchs in dauerhaft nutzbare mehr zu befahren waren, Heu. Im im südlichen Teil des Bruchs die Wiesen und Weiden umzuwan- Winter, wenn der Boden gefroren Bemühungen um die Intensivie- deln. Solange noch nicht jede Ek- war, schnitten sie das Röhricht, rung der landwirtschaftlichen ke intensiv bewirtschaftet wurde um Brennmaterial zu gewinnen Nutzung erst einmal zurückge- und Lachen und Röhrichtbestän- und die Dächer ihrer Häuser und stellt. Der Schutzstreifen und vor de erhalten blieben, bedeutete Ställe decken zu können. Mensch dies für die Tierwelt nichts Nega- und Natur lebten im Einklang. tives. Im Gegenteil, die Artenviel- falt nahm zu. Zu alteingesessenen Arten kamen neue hinzu. Wäh- Naturerhalt im Schatten rend aus dem Röhricht in stillen der Grenze Frühjahrsnächten wie zu alten Zeiten der schauerliche Ruf der Doch der Fortschritt machte auch Rohrdommeln drang, ertönte an vor dem Großen Bruch nicht halt. heißen Sommertagen nun auch Die Gräben wurden erweitert, das das „Bup, bup“ des aus dem Süden Röhricht und die offenen Wasser- eingewanderten Wiedehopfs. Da- flächen verschwanden nach und zu waren die klangvollen Flöten- nach. Die alten Bäume wurden rufe des Großen Brachvogels und gefällt, Wiesen wurden umgebro- das Meckern der Bekassinen zu chen und mit ertragreichen Grä- hören. Kiebitze gaukelten in gro- sern neu eingesät. Mitten in die- ßen Scharen über die sumpfigen sem Wandel wurde plötzlich eine Wiesen, Kampfläufer tummelten Grenze durch das Große Bruch sich auf offenen Rasenplätzen, in gezogen, die so genannte Zonen- den mächtigen Köpfen hoher grenze, die sich zur Trennungsli- Weiden und Pappeln brüteten die nie zwischen Deutschland Ost Weißstörche und das Wasser des und Deutschland West entwickel- Großen Bruchs war voller Fische. te. Von Hornburg bis Pabstdorf verlief die Grenze entlang des Die Bauern am Rande des Bruchs Großen Grabens in der Mitte des Weißstorch trieben, sobald sich das Frühjahrs- Bruchs. Dann querte sie das 245 allem das vor dem Grenzzaun lie- konnte. Seitdem wird hier flä- steht, mit Ausnahme seines östli- gende Hoheitsgebiet der DDR chendeckend Mais und Weizen chen, vom Grünen Band abge- entwickelten sich zu einem Rück- angebaut. Auch in den zum Land- wandten Teils, lediglich unter zugsgebiet für die Tierwelt, die in kreis Wolfenbüttel gehörenden Landschaftsschutz, der schwäch- dem zum „Westen“ gehörenden Teilen des großen Buchs wurden sten Schutzkategorie, die es in Bereich des Bruchs immer mehr in in den sechziger Jahren umfang- Deutschland im Rahmen des Na- Bedrängnis geriet. Im Landkreis reiche Meliorationen vorgenom- turschutzes gibt. Der niedersäch- Helmstedt wurde das Bruch wäh- men, bis schließlich der nieder- sische Teil ist gar nicht gesichert. rend der Jahre 1956-1965 durch sächsische Teil des Bruchs aufge- Meliorationsarbeiten eines Was- hört hatte zu existieren. Nur auf ser- und Bodenverbands völlig der Seite der DDR, im Schatten ausgelöscht. Neue Gräben wur- der Grenze, konnten sich noch Auf dem Rad durch den ausgehoben, die so tief wa- Tiere und Pflanzen des Bruchs das Große Bruch ren, dass man im östlichen Teil des halten. zu Niedersachsen gehörenden Teils des Bruchs ein Pumpwerk Die Grenze ist wieder verschwun- Teil 1: Wo sich Fuchs und bauen musste, mit dem man bis den, an ihre Stelle ist das Grüne Hase gute Nacht sagen heute das sich sammelnde Band getreten. Doch der Druck Grundwasser auf das Niveau des auf die ehemals grenznahen Ge- Mit kreischenden Bremsen hält Großen Grabens hebt, um es in biete wird größer und es bedarf der rote Triebwagen der Strecke Richtung Bode abzuleiten. Bis großer Anstrengungen, das Grüne Schöppenstedt – Schöningen am zum Jahr 1965 waren die Bruch- Band im Bereich des Großen Bahnhof Jerxheim. Ich schultere wiesen am Bahnhof Jerxheim so Bruchs dauerhaft zu sichern. Der mein Rad, zwänge mich durch trocken, dass man sie umbrechen anhaltinische Teil des Bruchs den Ausgang und mit einem ge- Das Große Bruch am Kiebitzdamm 246 wagten Schritt erreiche ich den sehen. Nur vor dem anhaltini- Bahnsteig. Neben mir ist nur noch schen Ort Dedeleben, am südli- eine ältere Frau ausgestiegen, die chen „Ufer“ des Bruchs, hat man den Häusern vor der aufgelasse- ein Stück des Grenzzauns stehen nen Fabrik zustrebt. Und so stehe lassen. Ich halte direkt hinter dem ich bald alleine vor dem großen Großen Graben an, um nach Spu- Bahnhofsgebäude, das schon ein- ren vom „Gasthof zum Zoll“ zu mal bessere Tage gesehen hat. suchen. Doch es existiert nur Wer sollte sich hier auch aufhal- noch eine Tafel, auf der die letzte ten? Das eigentliche Jerxheim be- Besitzerin des Gasthauses weh- findet sich hinter der nächsten mütig der Zeiten gedenkt, als an Anhöhe. diesem idyllischen Ort noch „das frohe Lachen von Gästen“ zu hö- Als der Bahnhof im Jahr 1843 ren war. 1960 wurde das traditi- gebaut wurde, existierte hier le- onsreiche Gasthaus, in dem die diglich ein preußisch-braun- Landes- bzw. Provinzgrenze ku- schweigisches Zoll- und Gast- rioserweise mitten durch den haus, das am nördlichen Ende Ofen verlief, von den Grenztrup- des Kiebitzdamms lag, an der pen der DDR dem Erdboden gleich Straße über den Großen Bruch. gemacht. Im Laufe der Jahre gesellten sich Braunkehlchen - entlang der Gleise - einige Ca. 500 m hinter der wüst gefalle- Häuser und eine Fabrik hinzu.
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