
Der Landesherr Objekttyp: Chapter Zeitschrift: Argovia : Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau Band (Jahr): 64 (1952) PDF erstellt am: 29.09.2021 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Territorium und Landesherr1 Unter den fränkischen Königen des 8. Jahrhunderts wurde der Aar-Gau - das Gebiet zwischen dem weit nach Westen ausholenden Lauf der Aare und der sich mit ihr verbindenden Reuß hinauf bis zum Vierwaldstättersee - zu einer unter einem Grafen stehenden, im Vertrag von Verdun (843) dem ostfränkischen Reich zugeteüten Verwaltungseinheit zusammengeschlossen, die aUerdings schon um 860 mit der Trennungslinie entlang der Murg-Roth in den Oberaargau und den Unteraargau oder eigenthchen Aar-Gau geteüt wurde. Von Anfang des 10. Jahrhunderts bis 1033 büdete der Unteraargau einen Bestandteü des hochburgundischen Reiches. Wohl durch Heirat gelangten im 10. Jahrhundert die reichen AUo- dialgüter und die Vogteien des aussterbenden Geschlechts der alten Aargau-Grafen an eine Grundherrensippe des Gasterlandes, deren Vertreter schon vor dieser Verbindung urkundlich als Reichsvögte zu Zürich und Kastvögte des Klosters Schännis begegnen und nach der Übersiedelung in das erheiratete Gebiet mit dem zum Reichslehen gewordenen Grafenamt im Aargau, später mit weiteren Grafschaften (Zürichgau u. a.) belehnt wurden. Im alten Stammgut der Aargau-Grafen im nördlichen Aar- und Zürichgau enstanden in der Folge zwei bedeutende wehrhafte Dynastensitze: die dem Geschlecht den Namen gebende Feste Lenzburg in der Mark Lenz am Aabach und der Stein zu Baden an der Limmat, im 12. Jahrhundert eine Teüung der Grafensippe in zwei Zweige ermöghchend. AUodialgut, Vogteien (Reichsvogtei Zürich, Kast- vogteien Beromünster, Schännis, Säckingen, Engelberg) und Grafschaften (Aargau, Zürichgau, Frickgau, Albgau und Blenio) heßen die Macht 1 Für die Entwicklung der Landeshoheit und Landesverwaltung in bernischer Zeit verweisen wir auf Bucher, Landvogteien (Argovia 56). 3 Vgl. Merz, Die Lenzburg. Aarg. Heimatgesch. III, 195ff. HBLS 1,19ff. 173 dieses Grafenhauses schon zur Landeshoheit heranwachsen, als 1168/73 dieses streng kaisertreue Geschlecht unvermittelt ausstarb. Die Allo- dien der Badener Linie fielen damals an die Grafen von Kiburg, während Kaiser Friedrich I. als Reichsoberhaupt und eingesetzter Erbe das Grundeigen der Lenzburger Linie und die Vogteien und Grafschaften zu seinen Händen zog. Die südlichen Besitzungen, später auch die Grafschaftsrechte im Aargau und im westlichen Zürichgau, wurden an die schon längst im Aargau etablierten Grafen von Habsburg abgetreten; verschiedene Vogteirechte und insbesondere das uns im weiteren Verlauf der Untersuchung allein interessierende AUodialgut um die Festung Lenzburg gelangten dagegen an den Kaiserssohn Otto, dessen Erben schließlich die Grafen von Kiburg damit belehnten. 1254 wurden Schloß Lenzburg und seine Pertinenzien voUes Eigentum dieses Grafenhauses. Grundlage der kiburgischen Macht im Aargau war somit das ehemals lenzburgische Ahod um die Stammfeste, das im Kiburger Urbar von 1250/563 im officium Lentzburg zusammengefaßt war und sich um die Fronhöfe am Sandweg bei Lenzburg, ViUmergen, Suhr, Reinach und Hitzkirch gruppierte. Dieses Amt erstreckte sich von der Aare und dem habsburgischen Eigenamt im Norden bis an den Baldeggersee im Süden ; die Ostgrenze bildeten der unterste Lauf der Reuß und der Lindenberg, während offenbar die Höhen westhch des Suhrentales das Amt gen Westen abgrenzten. In diesem Raum entstanden in kiburgischer Zeit die Städtchen Aarau, Mellingen, Lenzburg und Richensee. Zehn Jahre nach dem Aussterben der letzten männlichen Vertreter der Grafen von Kiburg (1263/64) gelang es dem nachmahgen König Rudolf von Habsburg von der zum Teü von ihm bevormundeten kiburgischen Erbtochter Anna und ihrem Gemahl Eberhard von Habsburg-Laufenburg u. a. Schloß und Herrschaft Lenzburg zu erwerben. Diese Erwerbung gestattete den Habsburgern ihre bisher nur auf dem Rechtstitel der Landgrafschaft beruhende Herrschaft im nördhchen Aargau zu einer eigenthchen Landesherrschaft auszubauen. Am Umfang des Amtssprengeis Lenzburg scheinen die Habsburger vorerst nichts verändert zu haben4; zwischen 1281 und 1300 wurde jedoch der südlichste um das Städtchen Richensee gelegene Teü vom Amt Lenzburg abgetrennt und mit dem 3 Vgl. zur Datierung Rennefahrt in Das Amt Thun, I, 208 Anm. 7. 4 Vgl. HU II/l, Iff. (Kiburger Urbar 1250/56), und 96ff. (Habsburgischer Pfandrodel 1281). 174 seit jeher habsburgischen Amt Hochdorf zum Amt Richensee zusammengefaßt s. Das resthche, immer noch sehr ausgedehnte Amt Lenzburg hat sich in der Folge nicht, wie aUgemein angenommen wird, in ein eigentliches Amt Lenzburg und in ein Amt oder eine Rechtung zu ViUmergen geteüt ; ein Amt ViUmergen wird in österreichischer Zeit urkundlich nicht erwähnt8. Vielmehr lag gerade das engere Gebiet des Dinghofes ViUmergen laut dem großen Urbar Albrechts im Amtssprengel des 1305 verstorbenen Hartmann des Schenken zu Wüdegg, «do der ze Lentz- burg pflag».7 Ein eigenthches Amt VUlmergen dürfte erst nach 1415 unter luzernischer Herrschaft entstanden sein. Den Kern des unförmigen Amtes Lenzburg büdete offenbar ein kleinerer, hauptsächlich auf das untere Seetal beschränkter Gerichtsbezirk, dem wir noch im 16. Jahrhundert als Steuerbezirk und Aufgebotsrayon für den Landsturm begegnen. Dieses «Amt unter dem Sarbaum» — ursprünghch vieUeicht die Unterabteilung eines größeren Gerichtsbezirkes (centena — umfaßte in einem großen Dreieck mit Basis an Aare und Kestenberg und dem Scheitel am HaUwüersee mit einer Ausnahme aUe um Stadt und Festung Lenzburg hegenden Dörfer des unteren See- und Bünztales8. Die Insassen dieser Siedlungen hatten gesamthaft die «stür under dem sarboum» zu erlegen9. Nicht zu diesem Steuerverband gehörten das Stadtgebiet von Lenzburg und das Dorf Eghswü. Es scheint, daß in das Amt unter dem Sarbaum ursprünghch ein schon früh verschwundenes Freiamt eingelagert war, von welchem sich der einzige übriggebliebene Sphtter zum Twing und Gericht Egliswü wandelte; Eghswü scheint sich aus diesem Grund von den umhegenden Gemeinden des Amtsverbandes unterschieden und deshalb nicht «unter den Sarbaum» gehört zu haben. Neueren Forschungen zufolge entsprang das spätmittelalterliche Hoch- und Blutgericht nicht dem gräflichen Amtsrecht mit seinem Komposi- 6 Vgl. HU II/l, 210ff. (Habsburg. Revokationsrodel um 1300). 3 HU I, 163 ff. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß im großen Urbar von 1306 dem sogenannten «Amt VUlmergen» gar keine Einleitungsformel vorangeht, wie z.B. dem Amt Lenzburg: «Dis sint die gulte, nutze, sturen, recht und gewohnheit ...» (HU I, 155). Vgl. im allgemeinen HU H/2, 347 ff. 7 HU I, 165. Vgl. Partsch, Die Steuern des Habsburger Urbars, 133ff. ' Möriken, Holderbank, Hunzenschwil, Rupperswü, Niederlenz, Othmarsingen, Hendschiken, Dintikon, Ammerswil, Staufen, Schafisheim, Seon, Retterswü, Hallwil- Dorf, Seengen, Boniswü, AUiswü mit Hüsern, Tennwü und Meisterschwanden. 3 RQ II/l, 251. 175 tionensystem bei HochgerichtsfäUen, sondern dem volksrechthchen Verfahren bei handhafter Tat. Im 11. und 12. Jahrhundert wurde dieses sich unterschiedslos auf alle Stände ausdehnende Verfahren durch die königliche Landfriedensgesetzgebung vom Staat übernommen und weiter ausgebaut. Die infolge dieser Bewegung entstehenden Hochgerichtsbezirke — die «Grafschaften» des 14./15. Jahrhunderts —, deren Inhaber stets ein Vertreter des hohen Adels war, lehnten sich häufig an die damals schon bestehenden großräumigen Amts- und Verwaltungssprengel der Dynasten an. Die Grafschaft Lenzburg ist aus der Verbindung eines solchen grundherrlichen Amtes mit einem Blutgerichtssprengel entstanden10. Als umfassender Blutgerichtsbezirk und grundherrliches Amt war die Grafschaft Lenzburg die geeignete Grundlage zur Büdung eines landesherrlichen Territoriums. 1379 befreite sogar der stets geldbedürftige König Wenzel, offenbar gegen eine erhebliche Geldsumme, Stadt, Amt und Grafschaft Lenzburg von
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