Cham 67 Umgebung von Falkenstein Falkensteiner Vorwald Die Gemeinde Michelsneukirchen im Falkensteiner Vorwald (569 m) liegt an der alten Handelsstraße zwischen Falkenstein und Cham. Mit der 1711 geweihten Pfarrkirche St. Michael besitzt der Ort ein Schatzkästlein – Kirchenkunst-Liebha- ber sollten es sich nicht entgehen lassen, das Gotteshaus zu besuchen. Der Hochal- tar aus der Zeit um 1720/1730 besitzt einen mächtigen Aufbau mit vier Säulen, ei- Oberer BayerischerWald nen kostbaren Rokoko-Tabernakel und ein Altarblatt, auf dem der hl. Michael (Mi- chaels neue Kirche) zu sehen ist, flankiert von den Erzengeln Gabriel und Raphael. Ins Auge fällt die üppige Dekoration der Kanzel mit Laub- und Bandelwerk, eine Arbeit von 1720. Zur Kirchengemeinde gehört auch die Kapelle St. Quirin mit sei- nem markanten Dachreiter (an der Straße Michelsneukirchen–Falkenstein; Park- platz vorhanden). In der Nähe ist das Mauthäusl zu bestaunen, ein kleiner quadra- tischer Bau zwischen Bäumen, der einst als Zollstation zwischen Bayern und der Pfalz diente. Information im Rathaus, Straubinger weithin bekanntes Volksmusik-Programm. Str. 3, 93185 Michelsneukirchen, ¢ 09462-257, DZ mit Du/WC ab 56 €; Straubinger Str. 4, www.michelsneukirchen.de. Michelsneukirchen, ¢ 09467-255, § 710071, Übernachten/Essen Gasthof-Pension www.gasthof-jaeger.de. Jäger, 34 Betten. Küche mit eig. Metzgerei; Cham ca. 17.000 Einwohner Die Kreisstadt Cham (370 m) liegt in einer Flussschleife des Regen im Zen- trum des Oberen Bayerischen Waldes. Seine Berge geben eine prächtige Kulisse für die Stadt. Östlich von Cham erstreckt sich beiderseits des hier in den Regen mündenden Chamb die Cham-Further Senke – die Westgrenze des Bayerischen Waldes. Im Mittelalter war Cham ein bedeutender Wirtschaftsplatz an den Handelswegen zwischen Regensburg und Prag. Die Wurzeln der heute oberpfälzischen Stadt rei- chen zurück bis ins 10. Jh., als sich hier, auf dem Galgenberg oberhalb der „Civitas Camma“, eine mächtige Reichsburg mit riesigen Wallanlagen breit machte. In stau- fischer Zeit befand sich hier ein Herrschaftszentrum, das sich von Roding bis Furth erstreckte. Die aus Cham und Roding gebildete Mark Cham wurde im 11. Jh. mit einer Kette von Burgen bewehrt, um damit die Grenzregion zu Böhmen zu sichern. Die ersten Markgrafen, die hier von den Stauferkaisern eingesetzt wurden, nannten sich bereits Grafen von Cham. Mit dem Ende des Stauferreichs gelang es den Wittelsbachern im 13. Jh., Fuß zu fassen. Sie befestigten Cham mit Mauern und Türmen. Doch bereits 1352 wurde die Stadt an die Kurpfalz verpfändet und kam erst nach der Schlacht am Weißen Berg im Dreißigjährigen Krieg (1625) an Bayern zurück. Von der mittelalterlichen Befestigung (als Stadt wird Cham erstmals 1230 erwähnt) existieren heute nur noch Reststücke der Stadtmauer. Von den einst vier Toren ist nur das sog. Biertor erhalten, das früher Burgtor genannt wurde. Die Bezeichnung „Bier“ rührt daher, dass die nördlich des Tores angrenzende Burg im 17. Jh. zum kurfürstlichen Weißbierbrauhaus umgestaltet wurde, woran der heutige Bau aller- dings in keiner Weise mehr erinnert. 68 Oberer Bayerischer Wald Den Marktplatz prägen heute die Fassaden des gotischen Rathauses, der Pfarrkir- che St. Jakob mit ihrem markanten Turm und des ehemaligen Gasthofs zur Krone mit seinem Renaissanceschmuck. Sehenswertes St. Jakob: Im Zentrum der Stadt erhebt sich der markante Turm von St. Jakob, der Chamer Pfarrkirche. Markant sind die weiß abgesetzten Eckquader des Kirch- turms, dessen älteste Teile aus dem 13. Jh. stammen. Die Zwiebelhaube aus dem 18. Jh. bekrönt eine elegante Laterne. Im Innern besticht die üppige Stuckierung im Stil des Rokoko. Unter einer blendend weißen Stichkappentonne erheben sich der Hauptaltar und die beiden Seitenaltäre, beides Schöpfungen in neubarockem Stil (1914–1917), gefertigt nach Plänen von Münchner Künstlern. Die beeindrucken- den Deckenfresken zeigen das Martyrium des hl. Jakobus d. Ä., weshalb St. Jakob auch das Ziel zahlreicher Jakobsweg-Pilger ist. An der Südwand befindet sich eine sehenswerte Jakobsfigur mit Pilgerstab aus dem 18. Jh. Neben der Pfarrkirche beherrscht das gotische Rathaus (14./15. Jh.) den Norden des Marktplatzes. Die beiden versetzten Giebelbauten des ersten Bürgerhauses am Platz schmücken dekorativ profilierte Steinrahmungen und Konsolgesimse. Beide Bauteile sind durch einen Verbindungstrakt mit tonnengewölbter Tordurchfahrt verbunden. Im Ostbau erhebt sich auf dem Dach ein Glockenstuhl, zum Markt- platz hin ziert ein Erker die Fassade. Eine jüdische Grabplatte aus Regensburg (1230) wurde an diesem Erker angebracht, um an die jüdische Gemeinde in Regensburg zu erinnern, wo es 1519 zu einem fürchterlichen Pogrom gekommen war, bei dem auch der dortige jüdische Friedhof zerstört wurde. In Cham wurden die letzten Mitglieder der jüdischen Gemeinde 1556 aus der Stadt vertrieben. An der Ostseite des Rathauses wird das Chamer Stadtwappen aus dem 15. Jh. von Lö- wen gehalten. Ein Säulenstumpf, ebenfalls an der Ostfront, erinnert an den hier einst vorhandenen Pranger. Im Innern von St. Jakob in Cham Cham 69 Ein Oberpfälzer Graf unter dem Fallbeil der Französischen Revolution Mit dem französischen Marschall Nikolaus Graf von Luckner (1722–1794) hat Cham einen berühmten Sohn. Nach dem Besuch des Jesuitenkollegs in Passau trat Nikolaus Luckner in die bayerische Armee ein und wurde Kadett in einem Infanterieregiment, in dessen Reihen er in Ungarn gegen die Tür- ken kämpfte. Als Straubing im österreichischen Erbfolgekrieg belagert wur- Oberer BayerischerWald de, machte er sich durch seine Fähigkeiten, mit kleinen Truppeneinheiten „im Rücken des Feindes“ zu agieren, einen Namen. 1745 wurde er 23-jährig zum Kapitänleutnant befördert und wechselte bald zu den Niederländern, bevor er, inzwischen zum Major aufgestiegen, 1757 in hannoversche Dienste trat. Kurz zuvor hatte der Siebenjährige Krieg begonnen. Luckner bewährte sich als Befehlshaber eines Husarenkorps im Kampf gegen die Franzosen. 1761 war er schließlich Generalleutnant und wechselte zwei Jahre später gegen ein Jahressalär von 30.000 Livres zu den einstigen Kriegsgegnern, den Franzosen. 1784 wurde er in den Grafenstand erhoben. Luckner verbrachte auf seinen Gütern in Holstein eine friedliche Zeit, bis er beim Ausbruch der Französischen Revolution 1790 in die Dienste der Natio- nalversammlung trat und ein Jahr darauf zum Marschall von Frankreich er- nannt wurde. 1792 erhielt er den Oberbefehl über die Rheinarmee, worauf ihm zu Ehren am 26. April des Jahres von Rouget de Lisle ein Kriegslied komponiert wurde, das später als französische Nationalhymne (Marseillaise) berühmt wurde. Nach einem Sieg über die Österreicher übernahm er die Nordarmee, wurde altersbedingt aber auf eigenen Wunsch aus der Armee entlassen, ohne jedoch sein ihm zustehendes Ruhestandsgeld zu empfangen. In Paris tobte inzwischen die Schreckensherrschaft der Guillotine. Das hin- derte Graf Luckner nicht daran, vor Ort auf sein Recht zu pochen. Nach ei- ner Denunziation wurde er verhaftet und vor das Revolutionstribunal ge- zerrt, wo man ihm mangelnden Ehrgeiz während seiner Militärzeit vorwarf und ihn zum Tod durch das Fallbeil verurteilte. Am 4. Januar 1794 wurde Ni- kolaus Graf von Luckner guillotiniert. Da nützte es nichts mehr, dass er schon ein Jahr später rehabilitiert wurde. Die zurückbehaltenen Pensionsgel- der wurden seinem Sohn ausgehändigt. Dem Grafen zu Ehren erklingt täglich um 12.05 Uhr die Marseillaise vom Glockenturm des Rathauses. An seinem Geburtshaus in der Straubinger Straße erinnert eine Tafel an den kämpferischen Grafen. Neben St. Jakob zieht der Bau des ehemaligen Gasthof zur Krone (Marktplatz 14) die Blicke auf sich; die südländisch wirkende Emporenarchitektur fasziniert. Der von Joseph Michael Neustifter 1995 geschaffene Marktplatzbrunnen präsen- tiert ein auf den ersten Blick skurril wirkendes reiches Programm. Da spritzt die Fi- gur des Grafen Luckner mit Wasser um sich und grinst verschmitzt zur Rathaus- fassade, als ob er es nicht erwarten könne, dass dort vom Glockenturm die Marseillaise ertönt, die ihm zu Ehren ein Franzose im Jahr 1792 komponiert hat. Da findet sich eine hexenartige Frauenfigur, die, das Kleid voller Blumen und Federn, so gar nichts Bösartiges an sich hat. Da begegnet dem Betrachter die Sagengestalt des Bilmesschneider, der einst mit Sicheln an den Beinen über die 70 Oberer Bayerischer Wald Felder streifte, um das Getreide der Bauern abzuschneiden – im Bayerischen Wald die Verkörperung des Bösen und der Verantwortliche für Missernten. Hier aber schmückt er sich mit Weinreben und einem Friedenszeichen. Ein Kunstwerk, das zum Nachdenken über altherge- brachte Überlieferungen anregt. Das sog. Cordonhaus befindet sich in der Propsteistraße (Nr. 46, heute Tou- ristinformation). Man vermutet, dass hier der Propst des Klosters Reichen- bach residierte. Nach der Reformation kam der Paulanerorden in den Besitz des Anwesens, das erst kurz zuvor, nach der Zerstörung durch den Stadtbrand von 1512, wieder aufgebaut worden war. Im frühen 19. Jh. diente der Bau mit seinem markanten steilen Sattel- dach als Quartier von Grenztruppen und später als Lazarett. Heute nutzen ihn die Chamer als Kulturhaus auf vielfäl- tige Weise, u. a. als „Städtische Galerie“. Auf der Hofseite gefällt ein gewölbter Arkadengang mit Säulen im dorischen Stil. Der Anbau stammt vermutlich aus barocker Zeit (18. Jh.). Museum S.P.U.R.: In der Nähe des Bier- tores steht das einstige Armenhaus der Stadt, in dem seit 1991 das Museum Ausstellungen der Künstlergruppe Kath. Pfarrkirche
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