Trierer Zeitschrift 2006/07

Trierer Zeitschrift 2006/07

Hochmittelalterliche Burganlagen im Trierer Land Erik Beck Hochmittelalterliche Burganlagen im 233 Trierer Land Mit besonderer Berücksichtigung der antiken Vorgängerbesiedlung und Infrastruktur1 INHAlt 1 Historische Einleitung 234 5.2 Antike Zivilbauten und ihre Wieder- 1.1 War die Burg Büdlich das „castrum Bu- nutzung zum Burgenbau 264 tolicum“ der Gesta Alberonis? 237 5.2.1 Die spätrömische Palastvilla von Konz 264 2 Untersuchungsgebiet 240 5.2.2 Die Villa von Welschbillig und ihre 3 Die Bedeutung der adligen Zubenen- hochmittelalterliche Wiedernutzung 266 nung für die Datierung von Burganla- 5.2.3 Das Palatiolum vor Trier – Spätantiker gen 242 Palast, frühmittelalterliches Kloster 4 Die mittelalterliche Weiternutzung und hochmittelalterliche Burg 267 des antiken Verkehrssystems und des- 5.2.4 Der antike Bau von Pfalzkyll und sei- sen Bedeutung für den Burgenbau 246 ne Wiedernutzung zur Errichtung ei- 4.1 Der Zusammenhang von Burgenbau ner Burg 270 und antiker Straße anhand von Bei- 5.2.5 Kleinere antike Bauten als Vorgänger- spielen 249 anlagen hochmittelalterlicher Burgen 271 4.1.1 Die Entersburg bei Hontheim 249 6 Die Wiederverwendung antiker Bau- 4.1.2 Die Burg Arras bei Alf 250 materialien zum Burgenbau 272 4.1.3 Die Burgen Neuerburg und Schura bei 7 Weiterleben und Wiedernutzung an- Wittlich 250 tiker Baureste – Pragmatischer Um- gang oder bewußtes Anknüpfen? 273 4.1.4 Die Motte Orenhofen 251 8 Katalog der in den Karten verzeichne- 4.1.5 Die Burgen Bruch und Arenrath 252 ten Burganlagen 276 4.1.6 Die Saarburg 253 9 Quellen und Literatur 287 4.1.7 Die Burg Orkesvels 254 4.2 Die Weiternutzung des antiken Ver- kehrssystems nach den Schriftquellen 255 1 Der folgende Aufsatz stellt eine, vor allem den Katalogteil 5 Die Wiedernutzung antiker Ruinen betreffend, gekürzte und überarbeitete Fassung meiner im zum Burgenbau 257 März 2004 am Historischen Seminar der Johannes-Guten- berg-Universität Mainz eingereichten Magisterarbeit dar, die 5.1 Die spätrömischen Höhensiedlungen von Herrn Prof. Dr. Lukas Clemens betreut wurde. Korefe- des Untersuchungsraumes 258 rentin war Frau Prof. Dr. Sigrid Schmitt. Beiden sei herzlich 5.1.1 Die Entersburg bei Hontheim. Spät- für ihre freundliche Hilfe gedankt. Dank gebührt auch Jut- ta Weichert M. A., Valerie Schoenenberg M. A. und Martin römische Höhensiedlung und (früh-) Strotz, M. A. (Freiburg) für inhaltliche Diskussionen und das hochmittelalterliche Burg 260 Korrekturlesen. Trierer Zeitschrift 69/70 · 2006/07 · 233-296 234 Erik Beck 1 Historische Einleitung 2 „Et 30 munitiones aut cepit aut destruxit ...“. Mit die- Zu Balderich siehe LexMa I 1365 s.v. Balderich von Florennes (J. Prelog) sowie Kallfelz, Lebensbeschreibungen, 550-617, 2 sen Worten beginnt Balderich von Florennes , hier 545 f. und nun ausführlich auch quellenkritisch zu den der Biograph Erzbischof Alberos von Montreuil3, Gesta Alberonis: Müller, Vir 29-35. eine Zusammenfassung der Fehde zwischen dem 3 Siehe dazu Gesta Alberonis metrica auctore anonimo. MGH Erzstift Trier und dem Grafen Heinrich IV. von SS VIII 236-243 und Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII 243-260 (Übersetzung bei Kallfelz, Lebensbeschrei- Namur-Luxemburg. Auch wenn die Zahl von bungen, 550-617). Zu Albero insgesamt vgl. nun Müller, Vir. dreißig eingenommenen bzw. zerstörten Befesti- – Prümers, Albero. – Huyskens, Albero. – Zimmer, Albero. gungen zu hoch gegriffen erscheint, läßt sich aus – LexMa I 283 f. s.v. Albero, Erzbischof von Trier (H.-J. Krü- ger). – Parisse, Noblesse 134. – Zu Alberos Herkunft und dem Passus dennoch eine konfliktentscheidende Werdegang vor seiner Wahl zum Trierer Oberhirten vgl. Bedeutung von Burganlagen in der Trierer Ge- nun ausführlich Müller, Vir 43-165. gend erschließen. 4 Siehe dazu jetzt ausführlich Müller, Vir 181-217 und zusam- menfassend 211 f. – Bodsch, Burg 61-69. – Büttner, Übergang Der Konflikt4 hatte sich an der umstrittenen 65-77. – Pundt, Erzbischof 243-246. – Reichert, Landesherr- Wahl Alberos im Jahre 1132 durch eine Minder- schaft 16-19. – Reichert, Glanz. 5 heit im Domkapitel entzündet5. Im Vorfeld hat- Vgl. Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII 246. – Bodsch, Burg 61 f. – Prümers, Albero 14-20. – Zimmer, ten sich nach einer zweijährigen Sedisvakanz im Albero 113 ff. – vgl. nun zu der zweijährigen Sedisvakanz Gefolge König Lothars III. dessen Schwager Otto und den komplizierten Wahlverläufen nach Meginhers Tod: von Rheineck6 sowie sein Stiefsohn Wilhelm von Müller, Vir 181-196. – Zur tumultartigen Wahl Alberos und der Einigung vgl. eingehend Müller, Vir 189-196. Ballenstedt7, Pfalzgraf bei Rhein und Stiftsvogt 6 Vgl. Petke, Kanzlei 379-381. der Trierer Kirche, auf einen anderen Kandidaten 7 Vgl. Petke, Kanzlei 241. – Werle, Pfalzgrafen 9. – Engels, Erz- – Gebhard von Henneberg – geeinigt8. bischof 96. 8 Vgl. dazu nun eingehend Müller, Vir 187-191. Albero von Montreuil hatte ein schwieriges Erbe 9 Alberos Vorgänger, 1127-1130. Vgl. Pundt, Erzbischof 240 f. – anzutreten, da er aus dieser Situation heraus ge- Ohne Literatur- und Quellenangaben: Düsterwald, Geschich- gen eine starke Opposition anzugehen hatte, die te 47 f. und nun Müller, Vir 174-176 mit weiterführender sich vor allem in der Person Ludwigs de Ponte Literatur. 10 manifestierte. Dieser hatte als erzbischöflicher Ludwig de Ponte, der bereits 1098 erwähnt wurde (MRUB I Nr. 395) und 1107 erstmalig an der Spitze der Trierer Mini- Ministeriale schon während der Amtszeit Erzbi- sterialen auftrat (MRUB I Nr. 415; 419; 428; 431), hatte seit schof Meginhers von Falmagne9, dem Vorgänger 1115 das Amt des Kämmerers inne (MRUB I Nr. 431) und Alberos, und auch in der Folgezeit bischöfliche erreichte schließlich mit dem Amt eines „burggravius, id est 10 praefectus urbis“ (Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS Rechte und Besitztitel usurpiert . Als Reforman- VIII 249. – vgl. auch MRUB I Nr. 466; 504; 508; 514; 515) eine hänger waren von Albero Restitutionsversuche machtvolle Stellung innerhalb Triers. Vgl. dazu jetzt Müller, dieser ehemaligen Bischofspositionen zu befürch- Vir 176 mit Anm. 38. Daß es sich bei den Aussagen Balde- ten, weshalb ihm erbitterter Widerstand entge- richs nicht um rein polemische Übertreibungen handelt, sondern der Kern seiner Erzählung auf Tatsachen beruht, genschlug. So übte Ludwig de Ponte offenbar ist ersichtlich aus einem päpstlichen Erlaß, welcher Albero massiven Druck auf die Unterstützer Alberos aus, bei der Rückgewinnung usurpierten Kirchengutes behilflich wobei neben materieller Schädigung auch nicht sein sollte (MRUB I Nr. 473). So auch Müller, Vir 173. – Zu Ludwig de Ponte insgesamt und seiner Stellung innerhalb vor körperlicher Gewalt zurückgeschreckt wur- des städtischen Beziehungsgefüges vgl. jetzt ausführlich de11. Ferner initiierte er gegen den Eintritt des Müller, Vir 171-178. Erzbischofs in Stadt und Ämter eine Schwurge- 11 Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII 249. Siehe meinschaft (coniuratio) von Trierer Bürgern12, bei auch Martini, Bischofswahlen 53 f. – Werle, Pfalzgrafen 8 f. – Schulz, Ministerialität 29-31. der ihn vermutlich der Pfalzgraf Wilhelm von 12 „Huius rei fama, cum ad Treveros pervenisset, Lodoycus predictus 13 Ballenstedt im Hintergrund unterstütze . burggravius coniurationem fecit, quod, si umquam dominus Albero civitatem Trevirorum intraret, morti eum traderent[…].” Gesta Der neue Erzbischof mußte versuchen, sich aus Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII 250. Vgl. auch der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Burggra- Schulz, Ministerialität 32 sowie Müller, Vir 206-208. fen zu lösen. Den Gesta Alberonis zufolge hatte 13 Kentenich, Geschichte 137. Zu den Pfalzgrafen bei Rhein dieser den Bischofspalast samt den dorthin zu im 12. Jahrhundert vgl. Gerstner, Geschichte. – Schaab, Ge- schichte. – LexMa VI 2013-2018 s.v. Pfalzgrafschaft bei Rhein entrichtenden Einkünften des Erzstifts zu Le- (M. Schaab). – Ruf, Grafen I 18 f. und II 12-14; 25. – Werle, hen14. Ludwig de Ponte gestand dem Erzbischof Pfalzgrafen. – Brinken, Politik. – Ziwes, Verzicht. Hochmittelalterliche Burganlagen im Trierer Land 235 nur die sakralen Funktionen zu15, während es 14 „In beneficio tenere palatium atque omnes reditus episcopales in illud sein Recht sei „terram regere omniaque in episcopatu deferendos“. Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII disponere et miliciam tenere“16. Albero erlangte seine 250. wirtschaftliche Grundlage zurück, indem er Pala- 15 „Ad episcopum autem dicebat pertinere missas et ordinationes cle- tiolum/Pfalzel17, einen spätrömischen Palast fünf ricorum et consecrationes ecclesiam celebrare …“ Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII 250. Kilometer flußabwärts von Trier entfernt, befe- 16 Gesta Alberonis auctore Balderico. MGH SS VIII 250. – Vgl. stigen und fortan die Abgaben dorthin liefern nun dazu Müller, Vir 33 f., 173 f., 214. ließ18. Ludwig de Ponte, seiner wirtschaftlichen 17 Vgl. Kap. 5.2.3. Basis beraubt, sah sich schließlich 1135 gezwun- 18 F.-J. Heyen sieht das Palatiolum nicht mehr als befestigte gen, Albero als Stadtherrn und Erzbischof anzu- Burg, sondern als erzbischöfliche Wohnung ohne Befesti- gungscharakter (Heyen, Marien-Stift 74-76). Dies läßt sich 19 erkennen . Seinen Führungsanspruch innerhalb jedoch, wie in Kap. 5.2.3 ausgeführt, nicht halten. So auch der stadttrierischen Ministerialität gab er jedoch Müller, Vir 214 f. mit Anm. 192 sowie 569. Der Umstand, nicht auf, was deutlich aus seiner bis 1139 ge- dass Heinrich IV. von Namur-Luxemburg im Verlauf der Feh- de mit dem Erzstift Trier um den Besitz St. Maximin nicht führten Titulatur

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